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Grabungen Mit jeder Schicht tiefer in die Historie

Auf der Freiläche an der Ecke Wolfsbrücke / Breite in Zerbst finden archäologische Grabungen statt.

Von Daniela Apel 09.06.2016, 07:00

Zerbst l „Die richtig spannenden Funde kommen noch“, erklärt Dr. Stefan Koch. Es sind vor allem neuzeitliche Keller, die er und sein Team bislang freigelegt haben. Seit zweieinhalb Wochen laufen die archäologischen Untersuchen auf der Freifläche an der Ecke Breite/Wolfsbrücke. Dort plant die Arbeiterwohlfahrt (Awo) die Errichtung eines Gebäudeskomplexes mit 51 altengerechten Wohnungen, zwei Gewerberäumen, einem ambulanten Dienst sowie einer Tagespflege mit 20 Plätzen. Bevor das Sechs-Millionen-Euro-Projekt realisiert wird, finden vorab wissenschaftliche Grabungen auf dem Areal statt.

„Bis 1. Juli sind wir hier beschäftigt“, lässt Stefan Koch den Blick über das Gelände schweifen, das von Erdhügeln eingefasst ist. Dort, wo die beiden Seitenflügel des u-förmigen Objektes stehen werden, gräbt er sich mit seinen Helfern mit jeder Schicht weiter in die Vergangenheit. „Wir haben bereits Keramikscherben aus dem 12. Jahrhundert entdeckt“, erzählt der Archäologe vom bislang ältesten Fund, der in jene Epoche fällt, als sich Zerbst zur Stadt entwickelte.

Auch auf Zeugnisse des Luftangriffs alliierter Truppen am Ende des Zweiten Weltkrieges sind sie bereits gestoßen. „Wir haben zwei Bombentrichter mit Kriegsschutt gefunden“, berichtet Koch von Gasmasken und Bettfedern. Der ebenfalls aufgetauchte Wasserboiler erinnerte derweil zunächst an einen möglichen Blindgänger. „Das ist schon etwas unangenehm“, gesteht er. Doch gerade in Zerbst sei eben die Wahrscheinlichkeit höher als in anderen Orten, eine Bombe zu finden.

Neben Stefan Koch sind drei bis vier Grabungsarbeiter sowie ein Grabungszeichner im Auftrag des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt auf der innerstädtischen Fläche im Einsatz. Mehrere Keller haben sie inzwischen freigelegt, die von einer stetigen Bebauung des Areals berichten. Noch aus Feldsteinen sind die Mauerreste, die ins 16./17. Jahrhundert datieren. Unterdessen erzählen die Betonmauern von den Wohnhäusern, die hier zu DDR-Zeiten in den fünfziger und sechziger Jahren das Stadtbild prägten.

Bereits in rund 30 Zentimeter Tiefe traten die ersten Fundamente zu Tage. Auch die Spuren von Gruben wurden sichtbar, deutlich erkennbar zeichnen sich diese durch dunkle Verfärbungen im hellen Boden ab. Eine genaue zeitliche Einordnung wird erst ein Profilschnitt ermöglichen.

„Wir müssen zunächst alles genau einmessen“, erläutert Stefan Koch. Sobald die jetzige Grabungssitation dokumentiert ist, werden die für den Archäologen viel zu „jungen“ Mauerreste herausgenommen, um sich den mittelalterlichen Horizonten zu nähern. Einiges verspricht er sich auch aus dem hinteren, nördlichen Bereich. „Der war wahrscheinlich nicht bebaut“, sagt Koch. „Da haben wir beste Chancen, etwas Interessantes zu finden, vielleicht einen alten Stadtgraben“, blitzt kurz ein Leuchten in seinen Augen auf.

Denn durch die stetige Bebauung hin zu Breite wurde dort einiges zerstört. Zugleich weist Stefan Koch auf die vielen Abwasserleitungen hin, die das Untersuchungsgebiet kreuzen. Dieses umfasst übrigens nicht den Standort des früheren Wohnblocks, über den längst das Gras gewachsen war.

„Haben Sie schon Schätze gefunden?“, ruft ein Passant dem Grabungsleiter zu. Immer wieder hält jemand an, um neugierig durch den Bauzaun zu luchsen. Historisch interessierte Zerbster sind genauso darunter, wie Bürger, die einen Bezug zum erwähnten Wohnblock haben oder gern in das geplante Awo-Objekt einziehen wollen.

Nach aktuellem Stand wird von einer Eröffnung des Gebäudekomplexes im vierten Quartal 2017 ausgegangen. Verzögerungen durch die archäologischen Untersuchungen zeichnen sich momentan nicht ab, wobei noch auftretende aufregende Funde nicht ausgeschlossen sind.