Erster handfester Beleg für erfolgreiches Wiederansiedlungsprojekt ausgestorbener Fischarten Nuthe-Lachs vom Herbst 2009 wieder da
In der Nuthe nahe der Amtsmühle wurde am Mittwochmittag ein ausgewachsener Lachs gefangen. Es handelt sich zweifellos um ein Tier aus der ersten Besatz-Aktion am 30. Oktober 2009.
Zerbst l Die Lachse sind zurück. Mindestens einer jedenfalls. 66 Zentimeter lang, 2158 Gramm schwer. "Dieser Lachs schreibt Geschichte", hieß es im trauten Kreis am Mittwochmittag unweit der Amtsmühle am Ufer der Nuthe.
Wohl wahr. Als im Oktober 2009 insgesamt 10 000 Junglachse an verschiedenen Stellen in die Nuthe eingesetzt wurden, gab es viele Zweifler. Der Fisch, mit ihm auch die sehr verwandte Meerforelle, kamen bis ins 19. Jahrhundert hinein regelmäßig die Elbe herauf, um in ihren Zuflüssen zu laichen. Mit der Industrialisierung, insbesondere auch dem Einbau künstlicher Barrieren zur Wasserbewirtschaftung, sank die Durchlässigkeit der Haupt- und Nebenflüsse drastisch. Kein Lachs schaffte es mehr durch Kraftwerksturbinen oder über Stauwerke.
Seit Jahren dreht sich diese Entwicklung. Wander- und Aufstiegsmöglichkeiten an Wehren und Werken vorbei sind neuerdings bewusste Bestandteile großer wirtschaftlicher Vorhaben. Diesen Bewusstseinswandel greifen die Angler auf, suchen nach Möglichkeiten, den historischen Fischbestand wieder anzusiedeln. Im Fall von Lachs und Meerforelle hat dies sogar bereits Vorbilder. Die Sachsen und auch die Brandenburger haben schon vor mehr als zehn Jahren begonnen, ihre Elbe-Nebenflüsse mit jungen Lachsen zu besetzen.
2009 also dann auch in Sachsen-Anhalt Start eines mehrjährigen Wiederansiedlungsprogrammes. Finanziert durch die Angler über deren Landesverband und ausdrücklich gestützt und gefördert von der Landespolitik und -regierung, kamen zwischenzeitlich schon 50 000 junge Lachse und Meerforellen in die Nuthe-Oberläufe. Im Frühjahr 2010 gingen folglich die ersten Lachse auf große Wanderschaft: den Fluss hinab ins Meer, den Ozean. Hier ist monatelang Tischzeit. Die Fische werden in einem, häufiger aber zwei oder drei Jahren richtig groß. Irgendwann drängt es die Fische zurück in ihre eigenen Kindheitsgewässer. Genau das hat den Fang vom Mittwoch in die Nuthe zurückgetrieben.
"Erstaunlich, dass die Lachse bereits nach nur gut einem Jahr wieder hier sind", meint Ingo Borkmann. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Binnenfischerei Potsdam-Sacrow. Das Institut wiederum ist mit der Durchführung des Wiederansiedlungsprojektes in Sachsen-Anhalt beauftragt. Borkmann hat in diesem Herbst erste Stichproben in der Nuthe vorgenommen. "Wir wollten sicher gehen. Manchmal kommen die Fische sehr früh zurück. Aber wir hatten nicht wirklich mit einem Nachweis rechnen können", so Borkmann.
Hinweise jedoch habe es genug gegeben. Laichgruben - blank gewedelter Kies in einer Mulde am Grund der Nuthe - waren zu erkennen. An verschiedenen Stellen der Hauptnuthe unterhalb von Zerbst, aber auch bis in die Bonesche Nuthe hinauf. Der ultimative Beweis dann am Mittwoch. Magisch angezogen, schwamm der Lachs in den Kescher von Borkmanns Kollegen Robert Frenzel. "Wir gehen äußerst behutsam vor. Es wird mit Strom gefischt. Das richtet die Tiere in Richtung der elektrischen Polarität aus und hat ansonsten keinen negativen Einfluss."
Der Fisch kam ins Becken am Ufer, darüber ein Netz. Wer weiß, welcher Kormoran oder Reiher sonst blitzschnell zugeschlagen hätte. "Tja, und dann haben wir erst einmal bei der Volksstimme angerufen. Wir finden, diese großartige Neuigkeit soll den Leuten bekannt gemacht werden", so Borkmann.
Die Nachricht vom Lachsfang in der Nuthe schlug bei den Zerbster Anglern wie ein Blitz ein. "Großartig. Fantastisch. Ich bin völlig überwältigt", sagt Angler Kurt Zebisch. Ähnlich gerührt äußerte sich Willi Saar. "Unsere Arbeit hier zahlt sich aus. Ein ganz besonderer, glücklicher Tag." Und Sohn Olaf, der auch Gewässerwart ist, ergänzt: "Es ist unser großes Anliegen, die Gewässer im Einklang mit den Anliegern zu renaturieren. Jetzt haben wir hier diesen prächtigen Lachs als Beleg, dass dies Stück für Stück möglich ist. Vielleicht gelingen ja auch weitere Projekte. Das wäre schön."