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Ortschaften Jeder bekommt sechs Euro

Die Laufzeit des Eingemeindungsvertrages in Reuden endet zum Jahresende. Auswirkungen kann dies auf die Grundsteuer haben.

Von Thomas Höfs 29.01.2019, 06:00

Reuden l In diesem Juni jährt sich zum zehnten Mal der Tag, an dem Reuden per Gebietsänderungsvertrag sein Eigenständigkeit verlor und ein Teil der Stadt Zerbst wurde. Gültigkeit bekam das Vertragswerk ein knappes halbes Jahr später. Wichtig ist das Datum, weil zum Jahresende die im Vertrag ausgehandelten Bedingungen enden, erinnert Ortsbürgermeister Elard Schmidt. Rückblickend betrachtet, würde er das Papier nicht noch einmal unterschreiben. Denn die vergangenen Jahren waren für ihn vor allem eine Enttäuschung, sagt er offen.

Reuden habe in all den Jahren der Selbständigkeit gut gewirtschaftet und ein Guthaben auf dem Konto. Die Wirtschaft lief und die Einnahmen kamen regelmäßig, erinnert er sich. Zahlreiche Einrichtungen hat die kleine Kommune entwickelt und unterhalten. Mit der Eingemeindung nach Zerbst musste Reuden wie die anderen Ortsteile ebenso mit sechs Euro pro Einwohner und Jahr die kleine Infrastruktur unterhalten, macht der Ortschef deutlich. Damit habe Reuden wie alle anderen Orte ebenso das gleiche Geld von der Stadt erhalten, ohne Rücksicht auf die Besonderheiten der einzelnen Orte, müssten alle mit den gleichen Zuschüssen auskommen.

Ganz egal, was ein Ort vor der Eingemeindung an Aktivitäten entwickelt habe, seien die Zuweisungen an die Orte egalisiert worden, sieht Elard Schmidt darin eines der größten Knackpunkte.

Die Eingemeindung nach Zerbst habe nicht dazu geführt, dass sich die Orte hier weiter entwickeln konnten, zieht er eine Bilanz. Ihn beschäftigt die Frage, was kommt nach dem Auslaufen des Eingemeindungsvertrages. Kann sich die Beziehung zwischen der Kernstadt und den Umlandgemeinden weiter entwickeln?

Erhalten will er die Einrichtungen im Ort, wie das Museum, den Dorfbackofen, das Bürgerhaus, den Sportplatz sowie die anderen kommunalen Objekte, die sich die Reudener in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut haben. Im beginnenden Kommunalwahlkampf erfährt der Ortschef, dass das Interesse an einer Mitarbeit der Bürger im Ortschaftsrat spürbar gesunken ist. Kaum noch jemand sei bereit, sich im Ortschaftsrat zu engagieren, hat auch Elard Schmidt wie seine Amtskollegen die Erfahrung gemacht. Die mangelnde Bereitschaft hänge auch mit der Erwartungshaltung zusammen. Viele Menschen in den Ortsteilen glauben nicht daran, dass sie in den Ortschaftsräten etwas maßgeblich beeinflussen können. Die Ortschaftsräte werden vielfach als Stammtische wahrgenommen, die sich zwar mit den Orten befassten, aber kaum etwas verändern könnten, heißt es aus vielen Ortschaften der Stadt. Denn in der Regel hat der Stadtrat das letzte Wort, sagt Elard Schmidt.

Bei Angelegenheiten, die nur die Ortschaften betreffen, müssten die Ortschaftsräte ein Vetorecht bekommen oder selbst entscheiden können, steht er mit seinem Wunsch nicht allein. Ebenso müsste die Kommune mehr Rücksicht auf die Orte nehmen, die wesentlich zu den Einnahmen in der Stadt beitragen.

Vor allem gebe es innerhalb der Kernstadt einen großen Nachholebedarf, den die Ortschaften mit ausbaden müssten, erzählt er. Während in den Orten nach dem Mauerfall sehr viel investiert wurde, um die Infrastruktur auszubauen, sei im Gegensatz dazu in Zerbst relativ wenig passiert. Es sei verständlich, dass in der Kernstadt nun ebenso Investitionen in die Infrastruktur erfolgten. Dennoch dürften darüber nicht die Ortsteile vergessen werden, warnt er.

Ziel der Kommunalpolitik müsste es sein, dass sich die Menschen in allen Orten der Stadt in den Entscheidungen wiederfinden und ihre Orte lebenswert bleiben. Hier müsse in Zukunft mehr der Fokus bei den Entscheidungen liegen.

Spannend wird dies zum Jahresende beispielsweise bei der Grundsteuer. Zehn Jahre lang hatten die Reudener wie viele andere Orte ebenso ihren alten Steuersatz behalten. Mit dem Ende der Laufzeit des Vertrages kann die Stadt nun die Steuersätze anpassen.

Parallel dazu fällt die Reform der Grundsteuer, seit das Bundesverfassungsgericht die aktuelle Berechnungsform ab kommenden Jahr untersagt hat. Noch gibt es mehrere Modelle, wie die Grundsteuer im kommenden Jahr berechnet werden könnte.

In den östlichen Ländern der Bundesrepublik gilt das Jahr 1935 als Basis für alle weiteren Berechnungen zum Wert einer Immobilie. Selbst bei Neubauten rechnet der Fiskus hier zurück und ermittelt fiktiv einen Preis für einen Neubau vor knapp einem Jahrhundert.

In den anderen Bundesländern liegt die Basis im Jahr 1964. Im Ergebnis führt dies zu unterschiedlichen Steuerlasten für vergleichbare Immobilien. Besonders deutlich wird dies in der ehemaligen geteilten Stadt Berlin, wo beide Rechenmethoden angewendet werden.

Für die Kommunen ist die Grundsteuer eine verlässliche Einnahmequelle, die immer fließt. Für viele Ortsteile in Zerbst ändert sich zum kommenden Jahr der Steuersatz, wenn die Gebietsänderungsverträge auslaufen. In der Regel wird es wohl teurer.

Mehrheitlich abgelehnt worden ist im Reudener Ortschaftsrat bereits Ende 2017 die Satzung über die Festsetzung der Realsteuer-Hebesätze in der Stadt Zerbst. Die Satzung regelt, dass ab dem Jahr 2020 keine abweichenden Realsteuerhebesätze im Gebiet der Stadt Zerbst gelten sollen. Ab 2018 wurden in der Kernstadt und in den Ortschaften Bias, Luso und Pulspforde im Rahmen der Haushaltskonsolidierung die Hebesätze bereits erhöht. Die Grundsteuer A wurde auf 325 v.H. angehoben, die Grundsteuer B auf 400 v.H. und die Gewerbesteuer auf 380 v.H. Reuden hat bislang noch die niedrigste Grundsteuer A mit 230 v.H., die Grundsteuer B liegt bei 330 v. H. und die Gewerbesteuer bei 300 v.H.