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1945 schwer beschädigt und wieder aufgebaut / Anfang der 1970er Jahre wie die gesamte Gegend für Plattenbauten abgerissen Pferdefleischerei Hahn an der Ecke Ankuhnsche Straße/Wegeberg

Von Judith Kadow und Thomas Drechsel 28.09.2013, 01:05

Zerbst l "Das da vorn im Bild, der Mann mit dem Hund, das ist mein Urgroßvater!" Leserin Brigitte Kock aus Zerbst ist eine geborene Hahn und erkannte unser historisches Heimatfoto diese Woche natürlich auf Anhieb. "Das ist die Fleischerei Hahn an der Ecke Wegeberg/Ankuhnsche Straße", berichtete sie. Das Eckgrundstück war am 16. April 1945 erheblich beschädigt worden. "Mein Großvater hat es dann wieder aufgebaut." Jener - in Zerbst sicher heute noch vielen als "Pferdefleischer Willi Hahn" bekannt - wandte sich ausschließlich der Verarbeitung von Pferdefleisch zu. Geschlachtet, so erzählte Frau Kock, wurde stets im Zerbster Schlachthof in der Käsperstraße, die Verarbeitung geschah dann komplett auf dem Fleischerei-Grundstück. Beliebt waren neben Würstchen, Braten und Rouladen vor allem die Pferdewurst. "Einen Meter für ne Mark, hieß es damals", so Frau Kock. In der Pferdefleischerei Hahn ging übrigens Hermann Bergholz in die Lehre. Er betrieb dann später die Fleischerei in der Ecke Kastanienallee/Jeversche Straße.

Während der Großvater die Fleischerei bewirtschaftete, hatte die Großmutter einen Fuhrbetrieb. Ihre Pferdegespanne bewegten alle möglichen Güter - von Kies zum Bauen bis zu Umzügen. Und selbst ihr Vater, erzählt Frau Kock, sei als kleiner Junge mit einem kräftigen Hund vor dem Karren als "Spediteur" unterwegs gewesen: Er lieferte bestellte Fleisch- und Wurstwaren an die Kundschaft aus. "So war das damals in den 30-er Jahren", berichtete Frau Kock.

Auch Gertrud Schroeter wusste mit unserem Foto sofort etwas anzufangen. Eine Cousine war mit Willi Hahn verheiratet. Sie selbst hatte bis zur Zerstörung - da war sie selbst sechs Jahre alt - gegenüber der Fleischerei gelebt.

Auch Hanna Schumann erkannte die Fleischerei. Das Haus ihrer Großeltern stand schräg gegenüber. "Der Fleischer hat zwei Söhne: Willi und Walter. Die kannte ich ganz gut", erinnert sich die Zerbsterin. Willi lernte das Handwerk des Metzgers in einer anderen Fleischerei und Walter spielte Badminton beim SV Rot-Weiß. "Dieses Foto habe ich noch nicht gekannt. Schön, dass Sie es gebracht haben."

Gisela Schmidt aus Zerbst erinnert sich gut an die Produkte der Pferdefleischerei Hahn. "Hmmmm, Pferderouladen mit Speck und Zwiebeln! Wir hatten mal Besuch, und die waren überzeugt, das wären Rindsrouladen!", schmunzelt sie.

Auch Leser Werner Els kennt die Pferdefleischerei von damals sehr gut, immerhin hat er bis zum Schluss in der Broihansgasse nebenan gelebt. Gegenüber der Fleischerei gab es den Kaufmann Noë, daneben die Klempnerei Bergt, den Schuhmacher Zander, weiter hinten die Mostrichfabrik und hinten den Ankuhner Wall. "Nach dem Krieg, als alles knapp war, haben wir die Därme von geschlachteten Zicken zum Fleischer gebracht und gegen Pferdewurst getauscht. Die Fleischerei war bekannt und häufig auch auf dem Schützenplatz und hat dort Bratwürstchen und andere Mahlzeiten angeboten, manches auch mit Gemüse. Tja, so war das damals." Wie alle anderen Gebäude in Zerbst-Nord, wurde auch das Haus der Fleischerei Hahn in den 1970-er Jahren abgerissen, damit hier die Plattenbauten errichtet werden konnten. In dem Zusammenhang änderten sich auch die Straßenverläufe grundlegend, manche verschwanden gänzlich: Färberstraße, Broihansgasse, Töpfergasse beispielsweise.

Über den Gewinn eines Volksstimme-Regenschirmes kann sich Brigitte Kock freuen. Der Gewinn kann ab Montag in der Lokalredaktion, Alte Brücke 45, abgeholt werden.