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Stadtgeschichte Das Mittelalter wird wieder lebendig

Das Zerbster Prozessionsspiel soll neu inszeniert werden. Mit der Übertragung ins moderne Deutsch ist der Anfang gemacht.

Von Daniela Apel 02.11.2015, 09:00

Zerbst l Zum 500. Reformationsjubiläum ist in Zerbst ein ehrgeiziges Projekt geplant: die Neuinszenierung des Prozessionsspiels von 1507. Ein erster grundlegender Schritt auf dem Weg zur Wiederaufführung ist getan: Die spätmittelalterlichen Texte wurden in ein verständliches Deutsch übertragen und mit erklärenden Kommentaren versehen.

Dieser wahrlich herausfordernden Aufgabe nahm sich Hannes Lemke gemeinsam mit Vikar Alexander Stojanowic und Pfarrer Albrecht Lindemann an. „Das Problem war, dass der Text so vielfältig und selbst für Bibelfeste schwer zu verstehen war“, erklärte Hannes Lemke. Doch das Unterfangen gelang. Das Ergebnis wurde am Vorabend des Reformationstages in der Bartholomäikirche vorgestellt. Gut 40 Gäste verfolgten die Buchpräsentation, die der Zerbster Gospelchor mit musikalisch passenden Werken umrahmte. Es fehlten nur noch die Darsteller, um die vage Vorstellung des einstigen „Volks-Theaters“ zu komplettieren. Derart charakterisiert Hans-Rüdiger Schwab das Prozessionspiel in der nun neuesten erschienenen Edition. Der Professor der katholischen Hochschule in Münster, zugleich früherer Dramaturg und Kulturredakteur, wird das Vorhaben der modernen Fortsetzung eines alten Stiftungsgedankens begleiten.

1490 stiftete ein wohlhabender Zerbster der Kirchgemeinde St. Bartholomäi Geld. Ein Teil der Summe sollte der jährlichen Aufführung der wichtigsten Bibelkapitel dienen. So ließen die Bürger von Anhalts damals bedeutendster Stadt Passagen der Heiligen Schrift in einem kostümierten Umzug durch die Straßen lebendig werden und vermittelten auf diese Weise Glaubenswissen, wie Alexander Stojanowic betonte.

Die dieser sicher eindrucksvollen Darstellung zu Grunde liegenden 15 Text- und das Regiebuch hatte Hannes Lemke 2012 bei seinen Forschungen im historischen Zerbster Stadtarchiv wiederentdeckt. Unter Wissenschaftlern galten die einzigartigen Handschriften als verschollen.

Was aber tun mit diesem kulturellen Schatz, den sonst niemand besitzt? In Anbetracht der Tatsache, dass Zerbst oft im Schatten der anderen Lutherstädte steht, keimte die Idee, das Prozessionsspiel 2017 neu auf die Bühne zu bringen, wie Bürgermeister Andreas Dittmann ausführte. Und zwar wie damals als Gemeinschaftsprojekt, das bestehende Zwistigkeiten wegwischte. „Das Spiel hat das Potential, uns alle im Hier und Jetzt zusammenzuführen“, so Dittmann. Trotz der Gebietsreform 2010 seien Kernstadt und Ortsteile noch nicht wirklich zusammengewachsen. „Lassen Sie es uns anpacken“, rief ein begeisterter Chris Döhring, Vorstand der Getec Green Energy, zum Mitmachen auf.

Am 13. November um 19 Uhr stellt Prof. Hans-Rüdiger Schwab seine Ideen zur Aufführung des Zerbster Prozessionsspiel in St. Bartholomäi vor.