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StraßenverkehrWie gefährlich ist Radfahren?

Radfahrer üben immer wieder Kritik. Aber leben Zerbster, die das Fahrrad nutzen, gefährlicher als anderswo?

Von Thomas Kirchner 27.01.2021, 00:01

Zerbst l Alle zwei Jahre bittet der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) die Einwohner zahlreicher Städte online um eine Einschätzung, wie fahrradfreundlich ihre Heimatstadt ist. „Zerbst hat bisher regelmäßig im Vergleich mit anderen Städten seiner Größe ziemlich mies abgeschnitten. Fahrradfahren in Zerbst ist gefährlich – so das Ergebnis“, schreibt Reiner Frankowski in einem Leserbrief. Das ist aber nicht so ganz richtig. Ein Blick auf die Details lohnt.

Wenn man die Auswertung der letzten Umfrage aus dem Jahr 2018 studiert, vergeben die Umfrageteilnehmer bei der Frage, ob sie sich als Radfahrer gefährdet fühlen, im Durchschnitt die Schulnote 4,3 zwischen den möglichen Noten eins bis sechs. Im Durchschnitt erhalten alle 311 Städte zwischen 20 und 50 000 Einwohnern von den Umfrageteilnehmern die Note 4,1. Damit schätzen die Menschen das Radfahren im Allgemeinen in Zerbst als nicht gefährlicher ein als anderswo.

Weitaus schlechter schneidet die Stadt bei den Fragen ab, ob man größere Kinder mit gutem Gewissen allein Rad fahren lassen oder ob man auf den Radwegen gut mit dem Kinderanhänger oder Lastenrad fahren kann. Hier gibt es nur die Noten 5,1 und 4,9 (Durchschnitte ist 4,2 und 4,3).

Auf die Frage, ob Radfahren Spaß macht, gibt es immerhin die Note 3,4 (3,3) und ob alle mit dem Fahrrad fahren – egal ob alt oder jung – sogar die Note 2,7 (3,1). Die schlechtesten Noten, jeweils die Note 4,6 und 4,7, gibt es für die Oberflächen der Radwege, den Winterdienst, den Punkt Fahrraddiebstahl, Falschparkerkontrollen auf Radwegen und das Fahren im Mischverkehr mit Kfz.

Der ADFC-Fahrradklima-Test beleuchtet, wie es um die Fahrradfreundlichkeit in Deutschlands Städten und Gemeinden bestellt ist. Radfahrer können bei der Umfrage beurteilen, wo Städte beim Radklima punkten und wo nachgebessert werden muss. Die Alltagserfahrungen der Menschen sollen im besten Fall den politisch Verantwortlichen lebensnahe Rückmeldungen geben.

Insgesamt erhält Zerbst die Schulnote 4,1 und belegt damit Platz 230 von 311. Zur Wahrheit gehört aber auch, das lediglich 54 Zerbster an der Umfrage teilgenommen haben und auch nicht jeder der 54 Teilnehmer alle Fragen beantwortet hat. Allerdings liegt die Durchschnittsnote aller 311 Städte bei 3,9. Und ist damit nicht viel besser als in Zerbst. Das zeigt, dass zahlreiche Städte mit gleicher Note abschneiden und insgesamt viel mehr für die Radfahrer getan werden muss – auch in Zerbst.

Genau das fordert auch Reiner Frankowski. „Der Bürgermeister hat einen entsprechenden Beschluss zur Mitgliedschaft der Stadt im Zusammenschluss ,Fahrradfreundlicher Städte‘ (gemeint ist die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen, Anm. d. Red.) vorbereitet, dabei werden noch nicht einmal die Probleme gelöst, die seit Jahren bekannt sind“, so Reiner Frankowski.

In der Friedrich-Naumann-Straße beispielsweise dürften Autos mit einem Rad auf dem Radweg parken. „Da die weiße Bodenmarkierung schon lange nicht mehr zu erkennen ist, parkt nun jeder, wie er lustig ist. Fahrradfahrer haben keine Chance mehr, daran vorbei zu kommen“, ärgert sich Reiner Frankowski.

Im Zerbster Ordnungsamt kennt man das Problem. „So wie die Witterungslage es zulässt, wird die weiße Markierung auf dem Radweg erneuert“, erklärt Ordnungsamtsleiterin Kerstin Gudella aus Nachfrage. Auch das Problem des Falschparkens in der Friedrich-Naumann-Straße sei bekannt. „Hier werden wir verstärkt kontrollieren und Verstöße ahnden“, so die Ordnungsamtsleiterin.

Auch der Rathauschef kennt die Problematik in Sachen Radfahren. „An der Diskussion zu fehlenden Parkplätzen in der Dessauer Straße, wie erst kürzlich in der Zerbster Volksstimme erfolgt, ist ja zu erkennen, dass es hier keine einfachen Lösungen via Federstrich des Bürgermeisters oder Beschluss des Stadtrates geben kann. Fußgänger kritisieren als rücksichtslos empfundene Fahrradfahrer und Radfahrer kritisieren Autofahrer und Parkplatzsuchende, und umgekehrt geht es auch munter weiter“, sagt Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD).

All diese Interessen in Einklang zu bringen, sei ein Unterfangen, dem sich Stadtrat und Verwaltung aber dennoch stellen. „Neben der inner- städtischen Sicht gibt es zu- dem die berechtigte Forde- rung nach straßenbegleitenden Radwegen – mindestens an Landes- und Bundesstraßen. Hier machen wir bei jeder Planung die entsprechenden Forderungen auf und werden uns auch entsprechend an der Umsetzung beteiligen, wenn denn die Landesstraßenbaubehörde an die Umsetzung unserer Forderungen geht“, erklärt Dittmann.

Auch deshalb liege dem nächsten Stadtrat der Beschluss zur Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft „Fahrradfreundliche Kommunen“ vor. „Wir erhoffen uns hiervon neben einer stärkeren Lobby für das Thema Fahrrad auch den Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen und die Erlangung notwendiger Fördermittel für die Fahrradinfrastruktur“, so Dittmann.

Er habe immer erklärt, dass neue Radwege nur im Zusammenhang mit dem Ausbau oder der Sanierung von Straßen möglich sind. „Daran hat sich nichts geändert, und das haben wir auch getan. Das mag man nicht erkennen, wenn man über die Breite fährt, aber diese Straße ist nun mal hergestellt, wie es der Fall ist“, macht der Rathauschef deutlich.

Dittmann: „Wir haben insbesondere die Fortschreibungen der Radverkehrsplanung genutzt, um gegenüber dem Landkreis und dem Land auf die Notwendigkeit straßenbegleitender Radwege immer wieder hinzuweisen. Bei der kritisierten Anlage von Radspuren auf den Straßen lassen wir uns gerade von den Empfehlungen des ADFC leiten.“

Der letzte ADFC-Fahrradklima-Test fand im vergangenen Jahr statt. Die Ergebnisse sollen in diesem Frühjahr veröffentlicht werden. Vielleicht haben sich ja dieses Mal mehr Zerbster Radfahrer an der Umfrage beteiligt.