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Ehemalige Essenzen-Fabrik soll Kultur- und Innovationszentrum werden / Eigentümer Stephanie und Fritz Kölling: "Was macht man mit Zerbst? Es muss was Seltenes sein."

Von Antje Rohm 16.06.2011, 04:34

Kreativität ist eine Essenz des menschlichen Lebens. "Wir wollen Dinge anbieten, bei denen Menschen ihre Talente entdecken können", sagen Stephanie und Fritz Kölling. Sie sind die Eigentümer des Geländes der Köllingschen Fabrik in Zerbst. Einer ehemaligen Essenzen-Fabrik. Essenzen-Fabrik ist der Name des hier entstehenden Kultur- und Innovationszentrums. Und es ist der Name eines dazu neu gebildeten Vereins.

Zerbst. Fast zwei Jahre war es eher still um das Objekt an der Zerbster Kastanienallee. Die einen kannten es als K6, die anderen als Köllingsche Fabrik. Ganz viele nur vom oft Vorurteil-belasteten Hörensagen. Jetzt gibt es einen Neustart hinterm roten Tor. Lohnen sich der Blick, der Schritt hinein mehr denn je.

"Seit März haben wir alle Auflagen erfüllt", sagt Fritz Kölling. Eine notwendige Nutzungsänderung und damit verbundene bauliche Maßnahmen brachten die Aktivitäten auf dem ehemaligen Fabrikgelände im Herbst 2009 zum Erliegen. "Für den Brandschutz ist alles Geforderte getan, die Fluchtwege sind gekennzeichnet, das Dach ist gesichert und der derzeit nicht genutzte Teil abgetrennt", bilanziert Stephanie Kölling. Vieles geschah in Eigeninitiative, aus privaten Spenden, Fördermittel gab es nicht, und dann stoppte auch noch der Winter die Arbeiten. "Wir sind froh, dass jetzt alles erledigt ist", so die beiden Eigentümer.

Stephanie (58) und Fritz (48) Kölling sind Cousine und Cousin. Sind die Urenkel des Fabrikgründers. Carl Friedrich Kölling gründet 1888 die Fabrik an der heutigen Kastanienallee, zunächst mit einem Partner als Kölling Schmidt. Die Essenzen-Fabrik produziert Grundstoffe für Limonaden und Liköre. Unter anderem für Jägermeister und Underberg, wie die Nachfahren wissen. Einen internationalen Kundenkreis hat die Zerbster Firma. Ist gar 1893 mit einem Stand auf der Weltausstellung in Chicago vertreten.

Fritz Kölling, Großvater der heutigen Eigentümer, übernimmt das Unternehmen 1911 und führte es bis 1967. Aus Altersgründen gibt er es auf und weil auch für die Essenzen zunehmend die Rohstoffe fehlen, die Zitrusfrüchte etwa. Die Söhne waren in den Westen Deutschlands gegangen. "Aber in den Sommerferien waren wir immer hier", ist Stephanie und Fritz Kölling das Gelände seit langem bekannt.

1967 geht die Firma an den Staat über. An der Kastanien- allee entsteht ein Betrieb des VEB "Tierische Rohstoffe". Tierhäute und Felle werden hier angenommen. Nach dem Tod ihres Mannes kann auch die Oma das Wohnhaus nicht mehr unterhalten, reist ebenfalls aus.

Nach der Wende können die Kölling\'schen Nachfahren das dann ungenutzte Gelände 2001 zurückkaufen. "Das war hier ein Müllabladeplatz", erinnert sich Stephanie Kölling allein an sieben abgestellte Trabis und dass auch das Mietshaus "richtig runter gekommen war".

Sie ist 1999 aus Bremen nach Dresden gezogen, hat dort unter anderem im Chor an der Oper gesungen und wohnt seit vier Jahren in Zerbst, im ehemaligen Büro des Opas. Sie gehört aber zu den Gründungsmitgliedern des Vereins Köllingsche Fabrik, mit dem bereits 2004 neues Leben in die alten Firmengemäuer einzieht. Konkret ins alte Kesselhaus, das die Vereinsmitglieder um Dieter Meier, auch der erste neue Mieter in einer der insgesamt sieben Wohnungen auf dem Gelände, selbst herrichten. Das sich als K6 einen Namen vor allem mit Musikveranstaltungen für junge Bands und junge Leute macht.

Das gilt nach wie vor. Jetzt gibt es einen Vertrag mit den Eigentümern, der unter anderem die kostenfreie Kesselhausnutzung festschreibt, die maximale Zahl der Veranstaltungen dort.

Neben dem Kesselhaus steht nun mit der ehemaligen Fabrikhalle ein weiterer Veranstaltungsraum für bis zu 100 Personen zur Verfügung. Mit der "Orientalischen (Tanz)-Nacht" erlebte er vor kurzem seine Feuertaufe. Und neben dem Köllingsche Fabrik e.V. gibt es den im Oktober 2010 gegründeten, inzwischen ins Vereinsregister eingetragenen Verein Essenzen-Fabrik Zerbst.

Eine Idee von Fritz Kölling. Der Umweltingenieur, der mit seiner Familie in Karlsruhe lebt, kümmert sich seit drei Jahren als Miteigentümer und ganz aktiv, auch finanziell, mit Stephanie Kölling um das alte Firmengelände. Angefangen, erste Ideen entwickelt, hatte sie mit ihrem damaligen Freund und den K6-Akteuren.

"Was kann man mit Zerbst machen? Es muss etwas Seltenes, etwas Besonderes sein", sind Stephanie und Fritz Kölling überzeugt. Das soll sich widerspiegeln in der Vereinsarbeit mit dem Ziel, die Fabrikbauten der Vorfahren zu erhalten und für eine sinnvolle Nutzung auszubauen - als ein Kultur- und Innovationszentrum Essenzen-Fabrik Zerbst.

Gebaut wird umweltgerecht, zum Beispiel mit einer Photovoltaikanlage auf dem fast komplett sanierten Wohnhaus. Die Angebote mit geringen Eintrittspreisen laden auch jene ein, die nur über geringe finanzielle Mittel verfügen. Workshops und Seminare wollen vor allem auch Kindern und Jugendlichen kreative Impulse geben.

Zu den nächsten geplanten Veranstaltungen gehören im Juli ein Mosaik-Workshop und für Kinder ein Theater-Workshop.

Zu den Ideen, Träumen gehört, Künstlern, Kunsthandwerkern Atelierräume zur Verfügung zu stellen, die sie nutzen können, sich andererseits am weiteren Ausbau der Gebäude oder mit Ausstellungen am kulturellen Angebot der Essenzen-Fabrik beteiligen. Auch deren 125-jähriges Bestehen in zwei Jahren spielt in den Plänen der Eigentümer und Vereinsmitglieder eine Rolle.

Sie wollen mit all dem nicht allein bleiben. "Wir wollen und mit anderen Kulturinitiativen vernetzen, auch Kontakt zum Anhaltischen Theater und anderem Bühnen aufnehmen." Und sie freuen sich über Unterstützung, wie die städtische bei Veranstaltungsmobiliar.

Die Grundstoffe stimmen, die Essenz kann gut werden.

www.essenzen-fabrik.de