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Fußball Nach Gladau-Rauswurf : KFV reagiert irritiert

Mit dem Ausschluss der DSG Eintracht Gladau hat der Fußballverband Sachsen-Anhalt ein klares Signal gesendet. Der Kreisfachverband reagiert dagegen irritiert.

11.11.2023, 12:10
Geht es nach dem Fußballverband Sachsen-Anhalt, wird der Abgang der DSG Eintracht Gladau und seines Umfelds ein dauerhafter.
Geht es nach dem Fußballverband Sachsen-Anhalt, wird der Abgang der DSG Eintracht Gladau und seines Umfelds ein dauerhafter. Foto: Volksstimme

Gladau/vs. - Der Sonderbericht des Schiedsrichterbeobachters beginnt mit einer halbwegs alltäglichen Einschätzung: „Insbesondere in der Schlussphase verlief die Partie etwas hektisch.“ Als die DSG Eintracht Gladau in der Nachspielzeit den 2:1-Siegtreffer gegen den Ortsnachbarn aus Tucheim erzielte, setzt an diesem Sonntagnachmittag tatsächlich hektisches Treiben ein – auch abseits des Platzes. In einem kurzen Videoclip, der in den sozialen Netzwerken kursiert, greift ein Zuschauer zur bereitgelegten Sporttasche, wühlt darin, ehe die Kamera wieder auf die jubelnde Spielertraube schwenkt. Momente später leuchten laut Sonderbericht mindestens vier Bengalische Fackeln und Rauchtöpfe hüllen den Sportplatz im Genthiner Ortsteil in Nebel. Als die Partie beendet ist, sollen vom Zuschauerbereich zudem zwei Böller in Richtung der unterlegenen Gäste und des Schiedsrichterkollektivs geflogen sein. „Worauf einige entsetzte Mütter ihre Kinder aus der Gefahrenzone holten“, notiert der angesetzte Beobachter.

Die eindringlichen Schilderungen zu jenem Kreisoberliga-Derby vom 29. Oktober bilden den vorerst letzten Eintrag in einer Liste von Vorfällen, die der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) am Mittwoch vorgelegt hat. Das 32-seitige Dossier hatte am Vorabend auch der FSA-Gesamtvorstand bei einer außerordentlichen Sitzung in Neugattersleben zu sehen bekommen. Darin geht es ferner um Verstrickungen von Gladauer Vereinsfunktionären und Spielern in die rechtsextremistische Szene, um Sympathiebekundungen für den von Neonazis durchsetzten Motorradclub „Division 39“ oder um die Nähe zu gewaltaffinen Hooligan-Gruppen. „Einstimmig“, betont FSA-Präsident Holger Stahlknecht, habe das Gremium daraufhin die Entscheidung gefällt, die DSG Eintracht aus dem Verband und damit auch dem Spielbetrieb auszuschließen.

KFV zeigt sich irritiert

Angesichts von zwei überlieferten Enthaltungen mag man darüber streiten, ob am Dienstag tatsächlich alle Ausschussvorsitzenden und Kreisverbandschefs mit einer Stimme gesprochen haben. Unstrittig bleibt allerdings, dass der Beschluss mit einer großen Mehrheit gefasst wurde. Allein beim Kreisfachverband Fußball Jerichower Land (KFV), in dessen Spielbetrieb der Kreisoberliga, Kreisliga und im Steinhaus-Pokal beide Gladauer Mannschaften integriert sind, stieß das Votum auf Verwunderung: „Wir sind am Dienstag aus allen Wolken gefallen und wurden von der Entscheidung völlig überrascht“, berichtet KFV-Vizechef Jürgen Schulze.

Er und Präsident Horst Wichmann, der bei der Sitzung in Neugattersleben selbst vor Ort war, stoßen sich so zum einen am Zeitpunkt des Ausschlusses mitten im laufenden Wettbewerbsjahr. Andererseits sehe man beim KFV auch die Härte der Sanktion als überzogen an. Schließlich gelte ein Rauswurf für gewöhnlich als „Ultima Ratio“, wenn andere Mittel wie Punktabzüge, Sperren oder Geldstrafen nichts mehr bewirken. Eine Sichtweise, die jedoch die personelle Kontinuität dahinter außer Acht lässt: Im sehr ähnlich gelagerten Fall des FC Ostelbien Dornburg, der 2015 aus dem FSA und dem Landessportbund Sachsen-Anhalt (LSB) ausgeschlossen wurde, spielten zum Teil dieselben Figuren eine tragende Rolle wie aktuell in Gladau.

Nachdem es im Juni diesen Jahres bei der DSG zur Abwahl des bisherigen Vorstands kam, will der KFV daher auch genau hingeschaut haben. Mit der neuen Vereinsspitze um den Vorstandsvorsitzenden Max Kuckuck und Fußball-Abteilungsleiter Dennis Wesemann stehe man seither im Austausch, betont Schulze. „Wir haben in den vergangenen Monaten eine Art Resozialisierung des Vereins angestrebt“, erklärt der KFV-Vize, der zugleich Spielobmann und zuständig für die Partien der Kreisoberliga sowie des Pokals ist, und ergänzt: „Unsere Beobachtungen haben wir dem FSA regelmäßig mitgeteilt. Ob man es dort berücksichtigt oder nur abgeheftet hat, weiß ich nicht. Zuletzt gab es allerdings keine gehäuften Vorfälle. Deswegen haben wir auf der vorletzten KFV-Vorstandssitzung auch beschlossen, die Beobachtung bis auf Weiteres einzustellen.“ Wie die Geschehnisse im Spiel gegen Tucheim zeigen, dürfte es mit der Rückkehr zur Normalität mitunter etwas zu vorschnell gegangen sein.

Verein unter Beobachtung

FSA-Präsident Stahlknecht betont unterdessen, dass dieses Mal genau dorthin kein Weg führen soll: „Ein solcher Verein hat im Fußballverband Sachsen-Anhalt nichts zu suchen.“ Allerdings steht die DSG Eintracht zumindest auf dem Papier weiterhin im kreislichen Spielbetrieb. „Wir schauen dabei von Woche zu Woche“, so Schulze. Für den aktuellen Spieltag sind beide Partien mit Gladauer Beteiligung zwar abgesetzt, doch KFV-Präsident Wichmann hatte bereits am Mittwoch den Ball zu LSB weitergepasst. Von dessen Entscheidung sei abhängig, wie nun weiter verfahren wird.

Wenn auch der Dachverband den Verein als Mitglied ausschließen würde, müssten alle bisherigen DSG-Ergebnisse annulliert werden. Vor allem der Kreispokal könnte in diesem Fall in ein organisatorisches Chaos stürzen. Schließlich haben beide Gladauer Mannschaften, die laut der Statuten nun im Viertelfinale am 18. November im vereinsinternen Duell aufeinandertreffen, in den vorangegangenen Runden bereits vier Teams aus dem Wettbewerb geworfen. Von Nachrückern bis hin zu einem Freilos für einen der verbliebenen Cup-Bewerber bis ins Finale wären im Fall eines Ausschlusses wohl viele Varianten denk-, aber schwer vermittelbar. Angesichts der Tragweite und überregionalen Beachtung des Falls dürfte ein geregelter Punkt- und Pokalspielbetrieb aber ohnehin auf ein eher geringes Problem zusammenschrumpfen. So hatten auch Vereine aus dem Jerichower Land – anonym – von einem „Klima der Angst“ gesprochen, wenn der Spielplan in der Vergangenheit eine Begegnung mit dem Klub aus Gladau vorsah.

Dieser hat sich nun am Donnerstag selbst zu Wort gemeldet – und eigentlich nur klargestellt, dass er sich nicht weiter zu Wort melden möchte. Schließlich handele es sich um ein schwebendes Verfahren. Etwas inhaltliche Substanz erhielt der Social-Media-Eintrag allerdings durch die Ankündigung, dass sich bereits ein Rechtsanwalt im Auftrag des Vereinsvorstandes mit dem Fall beschäftigt. Beim FSA scheint man auf eine mögliche sport- oder gar zivilrechtliche Auseinandersetzung schon vorbereitet. Stahlknecht kündigt an, notfalls durch sämtliche Instanzen gehen zu wollen.

Anders als 2011, als sich der FC Ostelbien Dornburg überhaupt erst per Eilantrag in den Spielbetrieb geklagt und der LSB einer Aufnahme letztlich widerwillig zugestimmt hatte, scheint es diesmal also nicht an Entschlossenheit zu fehlen. Doch was, wenn ein Richter den Ausschluss des FSA doch wieder kippen sollte? „Dann haben wir eine ganz andere Debatte. Die Frage würde in diesem Fall lauten: Wie gehen wir mit Rechtsextremismus um, wenn wir ihn nicht final verbieten können, weil rechtliche Bedenken dagegensprechen“, erklärt Stahlknecht und liefert die Antwort gleich selbst: „Dann hätten wir vielleicht auch eine gemeinsame Verantwortung, darüber nachzudenken, ob wir andere Regeln brauchen. Weil so sind wir nicht mehr wehrhaft, sondern stellen uns wehrlos.“

Zeitnahe Lösung nicht in Sicht

Klarheit in der „Causa Gladau“ dürfte in den nächsten Tagen kaum zu erwarten sein. Allein schon, weil noch nicht sicher ist, ob der Landessportbund nachzieht. Aus dessen Satzung geht hervor, dass der Ausschluss aus einem angegliederten Verband nicht automatisch das Ende der LSB-Mitgliedschaft nach sich zieht. Dazu müsste zunächst ein Organ wie das Präsidium, aber auch etwa ein beliebiger Kreissportbund die Initiative ergreifen und eine Beschlussvorlage ins Spiel bringen. Auch müsse dem Verein das Recht eingeräumt werden, gehört zu werden.

LSB-Präsidentin Silke Renk-Lange will aber ebenfalls keine Zweifel an der eigenen Konsequenz aufkommen lassen. Sie erklärt: „Es ist wichtig, dass die Geschlossenheit unserer Sportorganisation nach außen hin sichtbar wird. Ein Zeichen, dass man das mit uns nicht machen kann. Bei Ostelbien Dornburg hatten wir damals vermutet, dass man sich nicht geschlagen gibt, sondern schaut, wie man seine Gesinnung weiter transportiert. Dass nun ein Verein in so kurzer Zeit unterlaufen wurde, ist für mich dennoch erschreckend.“ Letztlich hängt es nun auch vom Handeln ihres Verbandes ab, ob das mulmige Gefühl mitspielt, wenn in der neunten und zehnten Liga der Ball rollt.