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Feinste Folktronica: Jono McCleery und Wyoming

Von Werner Herpell, dpa 17.12.2015, 15:34

Berlin (dpa) - Die Mixtur aus warmen Gitarren und frickeliger Elektronik hat ein neues Subgenre des Pop hervorgebracht: Folktronica. Zum Jahresende stechen der Brite Jono McCleery und die deutsche Band Wyoming hervor.

Folktronica voller Reife und Raffinesse lässt sich in McCleerys Track Since I... bewundern. Jazzige Knister-Effekte, ein sanft pochender Beat und die sensible Stimme des Singer-Songwriters bilden den Auftakt. Später treten Piano und Gitarren hinzu, das Ganze entwickelt sich inklusive dezenter Bossa-Rhythmen zu einem hypnotisch-futuristischen Popsong. Wie auch Painted Blue mit Harfe und dramatischen Streichern, oder das selbsterklärende, zwischen Jazz und Soul oszillierende Ballade.

Dass Jono McCleery aber nicht nur offenkundig auf den Spuren des Elektronik-Tüftlers James Blake unterwegs ist, sondern ein großer Nick-Drake-Fan ist, macht This Idea Of US klar, der melancholische Opener von Pagodes (If Music/Ninja Tune). Auch später hört man die Affinität des Lockenkopfes zu großen englischen Songwritern der 60er/70er Jahre wie eben Nick Drake oder John Martyn, so im introvertierten Folk von Bet She Does, der nur aus gezupfter Akustikgitarre und dieser stets zu Herzen gehenden Tenorstimme besteht.

Doch McCleery kann ebenso souverän mit breiterem Pinsel malen, etwa im orchestral aufschäumenden Halfway, in Fire In My Hands, einem Modern-Jazz-Song reinsten Wassers, oder in der famosen Klangmalerei So Long zum Abschluss. So fügen sich auf seinem dritten Album diverse zunächst disparate Soundelemente zu einem wunderschönen Ganzen. Pagodes ist - von der herrlichen Musik bis hin zum abstrakten Cover-Artwork - ein spätes Meisterwerk des ohnehin ergiebigen Musikjahres 2015.

Etwas simpler gestrickt und nicht gar so ätherisch wie McCleery, aber kaum weniger ansprechend klingt Moon Junt (Alive) von Wyoming, einem Trio aus der Kleinstadt Lorch am Rhein. The Notwist und Air bilden die elektronische Seite des Spektrums, aber auch in dieser Musik sind feine Folkpop-Texturen wie bei Kings Of Convenience oder Whitest Boy Alive eingewoben.

Watteweiche Groove-Tracks wie Silent Talks oder Holoscenery erinnern zudem an den Bristol-Sound der 90er Jahre, der bekanntlich rasch das seltsame Etikett Triphop verpasst bekam. Fazit: David Stieffenhofer (Gesang, Bass), Sascha Lukas (Gitarre, Synthesizer, Klavier, Gesang) und sein Bruder Manuel Lukas (Schlagzeug) sind bereits auf ihrem zweiten Album nach Fountain (2013) erstaunlich gewieft in atmosphärisch-ästhetischem Songwriting. Glückwunsch in die rheinhessische Provinz!   

Konzerttermine Jono McCleery 2016: 12.03. - King Georg (Köln), 13.03. - Haldern Pop Bar (Haldern), 15.03. - Kleiner Donner (Hamburg), 17.03. - Grüner Salon (Berlin), 18.03. - Franz Mehlhose (Erfurt), 20.03. - FZW (Dortmund)

Konzerttermine Wyoming 2016: Die Band geht im Februar auf große Tour, die am 12.2. in Erfurt startet und am 19. März in Wuppertal endet.

Website Jono McCleery

Website Wyoming

Andacht in unwirtlicher Landschaft: Wyoming. Foto: Chris Ehrenberg
Andacht in unwirtlicher Landschaft: Wyoming. Foto: Chris Ehrenberg
dpa