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Recovery Schräger Vogel: Bobby Conn sucht Genesung mit Glampop

Nach Genesung oder Erholung streben in der Corona-Pandemie eigentlich alle. Der wunderbar schräge Performer und Artrock-Musiker Bobby Conn hat dazu nun ein Album voller toller Glampop-Raketen vorgelegt.

Von Werner Herpell, dpa 07.04.2020, 05:00

Berlin (dpa) - Es klingt einigermaßen visionär: Artrock-Exzentriker Bobby Conn hat ein Album gemacht, das "Recovery" heißt. Als wenn er geahnt hätte, dass die ganze Welt Genesung oder Erholung in Corona-Zeiten so dringend braucht.

Songwriting und Produktion der Ende März beim Hamburger Indie-Label Tapete erschienenen Platte lagen natürlich vor dem weltweiten Ausbruch der Seuche - doch diese auch zuhause sehr tanzbare Musik kann man gerade jetzt gut gebrauchen. Der 52 Jahre alte Conn, als Jeffrey Stafford in New York geboren, aber schon lange in Chicago ansässig, bringt hier Einflüsse von David Bowie über die Sparks, 10cc und Roxy Music bis zum Falsett-Soul und Funk der 70er Jahre unter einen Hut - es klingt grandios lebensbejahend.

Conn entstammt der No-Wave- und Performance-Szene der 90er. Seine exzessiven Bühnenauftritte, satirischen Lyrics und den experimentell-groovigen Glam-Funk-Soul-Sound sollte man am besten live erlebt haben. Aber auch Studioalben wie das selbstbetitelte Debüt von 1997, "Rise Up!" (1998), "The Golden Age" (2001) oder zuletzt "Macaroni" (2012) geben einiges von der sympathischen Verrücktheit dieses Künstlers wieder, der seit langem mit seiner Ehefrau, der Geigerin Monica BouBou, auftritt.

Conn hat über "Recovery" einen einleitenden Text geschrieben, der auch seinen politischen Ansatz spiegelt: "Hat es überhaupt einen Sinn, von Genesung zu sprechen, wenn wir noch nie wirklich gesund waren? Vor vier Jahren habe ich mit der Arbeit an diesem Album begonnen. Dabei hatte ich im Kopf, mit welcher Besessenheit die Amerikaner sich mit Themen wie Selbsthilfe, Selbstversorgung und Selbstermächtigung beschäftigen - alles nur ein grausamer und billiger Ersatz für Nächstenliebe und gegenseitige Hilfe." Eine fast schon prophetische These angesichts der Corona-Dramen in einem völlig maroden US-Gesundheitssystem.

"Dann wurde ein neuer Präsident gewählt - und seitdem geht es in Kultur und Wirtschaft nur noch um das Eine, nämlich unsere mächtigeren, wagemutigeren, reinrassigeren Zeiten wieder zum Leben zu erwecken", fährt Conn fort. "Einige meiner Freunde wurden schwer krank, andere sind gestorben oder haben sich umgebracht, und all meine Befürchtungen sind Realität geworden." Wie schon erwähnt - all das hat Conn vor der Pandemie aufgeschrieben.

Er sagt dann jedoch auch: "Aber keine Sorge - die Musik auf dieser Platte klingt nicht deprimierend. Wie immer habe ich die letzten fünfzig Jahre Art-Rock und Soul in einen Mixer geworfen und ihn auf Vollgas gestellt." Auch das stimmt: "Recovery" ist ein fantastisches, kluges und zugleich anregendes Album zur Jetzt-Zeit - und Bobby Conns beste Platte in über 20 Jahren.

Bobby Conn auf Bandcamp

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