1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Deutschland
  6. >
  7. Knusperhaus und Zahnräder

Kunstprojekt zur Architektur Knusperhaus und Zahnräder

Eine Ausstellung zwischen Imaginationsstäben, Zahnrädern, Knusperhaus und Hochsitzen: Das Schloss Wernigerode zeigt bis zum 21. Juni unter dem Titel "Tektonik der Bildersprache" ein Projekt zur Architektur.

Von Grit Warnat 18.04.2015, 03:19

Wernigerode l Die Ausstellungen des Schlosses Wernigerode kann man in keine Schublade packen. Sie reichen von Albrecht Dürers grafischem Werk und Seide in historischen Räumen über das deutsche Kaiserreich und die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bis hin zum Wirken der Verlage Philipp Reclam jun. und Janos Stekovics sowie Retrospektiven regionaler Künstler. Dass aktuell moderne Kunst von Künstlern aus ganz Deutschland im Frühlingsbau präsentiert wird, ist sicher ungewöhnlich, auch ein Wagnis, für jene aber, die sich darauf einlassen, durchaus bereichernd.

Es geht um Architektur und ein weiteres, neues Ausstellungsprojekt der Hamburgerin Carmen Oberst: "Bauwerke" ist es überschrieben. Sie setzt mit dem von ihr 1996 gegründeten Zentrum PHOTO.KUNST.RAUM. immer wieder neue Jahresthemen, macht sich dafür mit einem Team von Künstlern auf den Weg und versucht, deren unterschiedliche Herangehensweisen zu einer Exposition zusammenzufügen. Wichtig ist ihr auch die Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ausstellungsort. Nun also das 1885 im Stil des Historismus umgebaute Schloss oberhalb von Wernigerode.

Ausstellung als "Schule des Sehens"

Die Photobildnerin Oberst nimmt als Fundament für ihre Arbeiten das Bauwerk an sich, Mauern, Türme, Dächer sind zu sehen. Sie erweitert schließlich das Bild mit ihren Imaginationsstäben. Es sind Stäbe, klein und kurz oder groß und lang, an deren Ende Motive wie Fenster, Blätter, Uhren, Torten, Menschen befestigt sind. Sie werden ins Bild gehalten und erweitern es.

Unsere Wahrnehmung der äußeren Architektur wird verändert. Schloss-Geschäftsführer Christian Juranek spricht von "Betrachtungsworkshop" und einer "Schule des Sehens". Martin Conrad hat sich von der Oberstschen Imagination beeinflussen lassen und das Schloss und die Stäbe gezeichnet - auf einer Aktenhülle.

Tatsächlich trifft der Betrachter auf sehr unterschiedliche Formen, sich mit Architektur zu beschäftigen: Malerei, Fotografie, Installationen.

Pop-up-Bilder, Collagen und Spiegelungen

Die Hamburgerin Gabriele Adey thematisiert Umwelt und Mensch, inszeniert beispielsweise für ihre Digitalkunst archetypische Bauelemente in stimmungsvollen Landschaften, stellt einen bunten römischen Steinbogen vor schneebedeckte Bergwelten, den hoch aufragenden gotischen Türmen des Kölner Domes zerlegte Zahnräder gegenüber oder zeigt das neue World Trade Center in New York neben einem ufoartigen knallroten Kreis. Sie spielt mit den geometrischen Grundformen.

Neben moderner, intakter Großstadtarchitektur das Verwilderte. Bäume und Kakteen nehmen Bauten für sich ein. Bärbel Husmann präsentiert Fotos von Hochsitzen in mystischer Stimmung, dazwischen ein angeknabbertes Knusperhaus à la Hänsel und Gretel. Temporäre Bauwerke voller Anspielungen auf Wälder, auf den Harz. Elf Künstler zeigen ihre Sichten auf Bauwerke - bis hin zu Pop-up-Bildern, Gebäude-Spiegelungen im Wasser und immer wieder Collagen.

Für Christian Juranek ist auch das Schloss Wernigerode eine künstlerisch gestaltete Collage, obwohl sich der Begriff in der Baukunst nie durchgesetzt hat. "Carl Frühling ist baukünstlerisch als Vorläufer der bildkünstlerischen Collage anzusehen", schreibt Museumschef Juranek in seinem Beitrag zum Ausstellungskatalog "Bauwerke" und nennt unter anderem die verschiedenen Bodenfliesen der Schlosskirche, die als Oberflächencollage gegeneinander stehen würden. Auch eine Interpretation - wie alles in dieser Ausstellung.

Von den sehr unterschiedlichen Blicken auf Architektur lebt "Tektonik der Bildersprache". Sie wird an fünf Orten in Deutschland gezeigt, immer abgewandelt, sich mit dem Ausstellungsort beschäftigend.