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Tagung deutscher Psychoonkologen in Magdeburg Gespräch mit Patienten kommt im Klinik-Alltag oft zu kurz

07.12.2010, 04:15

Von Uwe Seidenfaden

In den 1980er Jahren war die Fernsehserie "Schwarzwaldklinik" ein echter Straßenfeger. Millionen Menschen saßen an den Fernsehgeräten, um zu sehen, wie der von Klausjürgen Wussow gespielte Professor Brinkmann Menschenleben rettet. Dabei half nicht nur sein ärztliches Können, sondern oftmals auch menschliche Zuwendung.

Wer wünschte sich nicht so einen Arzt, der sich verständnisvoll auf das Krankenbett setzt, der zuhören kann und der den Patienten auch einmal ernsthaft ins Gewissen redet, wenn es notwendig ist? Die Realität sieht allzu oft anders aus.

Fünf Tage bezahlt

Für das Gespräch zwischen Arzt, Krankenschwester und den Patienten bleibt immer weniger Zeit. Das gilt in der Arztpraxis, aber auch in den Kliniken. Selbst bei schweren Krankheiten verbringen Patienten immer weniger Tage im Krankenhaus. "Nur fünf Tage bezahlen die Krankenkassen für die Klinikbehandlung einer Brustkrebspatientin", so Professor Serban-Dan Costa, Direktor der Magdeburger Unifrauenklinik, vergangene Woche auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Psychoonkologie der Deutschen Krebsgesellschaft in Magdeburg. Vor vier Jahren betrug die durchschnittliche Liegezeit von Brustkrebspatientinnen noch rund sieben Tage, sagte Rita Demmel, die seither am Klinikum Magdeburg Tumorpatientinnen berät.

Ralf Dralle, Leiter des Unternehmensbereiches Gesundheit und Medizin bei der AOK Magdeburg, sieht die Schuldigen für diese Entwicklung jedoch nicht bei den Mitarbeitern der Krankenkassen. Dralle weist vielmehr darauf hin, dass es sich um eine Mischkalkulation handele. Die Kassen zahlen einen Mittelwert, der berücksichtige, dass manche Patienten länger und andere kürzer im Krankenhaus bleiben müssen.

Damit war der "Schwarze Peter" zurück bei den Kliniken und den Gesundheitspolitikern, von denen jedoch keiner an der Diskussion in Magdeburg teilnahm. Und so appellierte denn auch der Psychoonkologe Professor Joachim Weis von der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg an die Krebspatienten, sich in der Politik mehr Gehör zu verschaffen.

Aus ihrer Erfahrung als sogenannte Brustkrebsschwester, die sich ausschließlich um Frauen mit Mammakarzinomen kümmert, berichtete Rita Demmel, dass etwa 80 bis 90 Prozent der Betroffenen sich mehr Informationen wünschen. Ein Grund dafür ist wahrscheinlich das veränderte Selbstverständnis vieler Patienten. So habe die Zahl der Menschen, die Verantwortung für die Therapie allein dem Arzt überlassen, in den vergangenen Jahren immer weiter abgenommen, stellte Professor Weis fest. Waren es 1990 nur etwa 20 bis 30 Prozent, die in die Therapieentscheidung einbezogen werden wollten, sind es heute bereits 60 bis 70 Prozent.

Flut von Informationen

Angesichts der zahlreichen Fortschritte in der Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen und dem Überangebot frei verfügbarer Informationen im Internet fällt es vielen Patienten allerdings schwer, ihren Entscheidungsspielraum auch wirklich zu nutzen. Wenn dem Arzt kaum noch Zeit für eine individuelle Aufklärung bleibt, würden sich viele Krebspatienten Infos bei Google im Internet suchen, so die Erfahrung von Professor Costa. Die Folge seien leider oftmals noch mehr Missverständnisse und damit ein zusätzlicher ärztlicher Beratungsbedarf.

In der Rehabilitation besteht zum Glück noch mehr Zeit für das Gespräch mit dem Patienten, äußerte Privatdozent Dr. Bernd Anger, Chefarzt der Abteilung Onkologie/Pulmologie der Waldburg-Zeil Rehabilitationsklinik in Bad Salzelmen. Dort liege die durchschnittliche Liegezeit zwischen 21 bis 24 Tagen – also über viermal länger als in der Klinik.

Und auch nach der Entlassung aus der Reha-Einrichtung gebe es zahlreiche Ansprechpartner für Krebspatienten. Dazu zählen beispielsweise die Mitarbeiter der Magdeburger Krebsliga e.V., der Krebsberatung im Gesundheitsamt Magdeburg und der psychosozialen Krebsberatungsstelle Magdeburg.

Doch gezielt "psychoonkologische Beratung bekommen leider nur wenige Krebspatienten – selbst in den Kliniken der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalt", beklagt Professor Hans-Henning Flechtner, Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin des Kindes- und Jugendalters an der Universität und dem Klinikum Magdeburg. Oftmals bleibt es dem Engagement der Krebskranken sowie deren Angehörigen überlassen, ob ein Patient einen psychoonkologisch geschulten Therapeuten findet. So gesehen ist es noch ein längerer Weg, bis die Ziele des Nationalen Krebsplans verwirklicht sind.