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Versandunternehmen Amazon In 20 Jahren vom Online-Buchhändler zum Allesverkäufer

Von Andrej Sokolow 16.07.2015, 01:00

Seattle (dpa) l Die Geschichte des Online-Händlers Amazon ist eine der großen Erfolgsstorys der Internet-Ära. Aus den Gedankenspielen von Gründer Jeff Bezos vor zwei Jahrzehnten im 40. Stock eines New Yorker Wolkenkratzers wurde ein weltumspannender Gigant, der nicht nur dem stationären Einzelhandel zusetzt, sondern mit seinem Cloud-Geschäft auch unzählige Startups am Laufen hält.

Zugleich ist die Expansion noch lange nicht abgeschlossen: Amazon fährt bestenfalls schmale Gewinne ein und steckt jeden Dollar in den Ausbau des Geschäfts. Die Anleger, die diesen Kurs jahrelang mit immer weiteren Kurssteigerungen befeuerten, lassen inzwischen gelegentlich Ungeduld aufblitzen.

Bezos zog 1994 aus einem komfortablen Job an der Wall Street in eine Garage in Seattle für eine große Vision: Alles Mögliche über das Internet zu verkaufen. Er startete zunächst mit Büchern - weil sie robust beim Versand und unkompliziert in der Logistik waren sowie eine ordentliche Marge boten.

Nach rund einem Jahr Anlaufzeit und einem Namenswechsel von Cadabra.com zu Amazon wurde am 16. Juli 1995 das erste Buch an einen externen Kunden verkauft, ein über 500 Seiten dickes Fachbuch über das Denken. Heute steht ein Exemplar von "Fluid Concepts and Creative Analogies: Computer Models of the Fundamental Mechanisms of Thought" hinter Glas am Eingang des Amazon-Hauptgebäudes in Seattle. Zum 20. Jubiläum versucht Amazon, so etwas wie einen eigenen internationalen Feiertag zu etablieren: Den "Prime Day" mit Sonderangeboten nur für Nutzer seines kostenpflichtigen Abo-Dienstes.

Der heute 51 Jahre alte Bezos drückte Amazon in jeder Hinsicht seinen Stempel auf. Dazu gehört neben dem gebetsmühlenartig beschworenen Fokus auf den Kunden die anfangs rigorose Sparsamkeit. Die damals aus alten Türen zusammengebauten Tische sind heute noch zur Erinnerung über die Firmengebäude verteilt. Das half Amazon immerhin auch, im Gegensatz zu manchem anderen Börsenliebling das Platzen der Internet-Blase zu überstehen.

Projekt Einkaufsmaschine kam bei Kunden nicht an

Bezos sei ein "passionierter Problemlöser", beschrieb ihn der amerikanische Technologiejournalist Brad Stone in seiner Biografie "Der Allesverkäufer". Zugleich sei er ein "Micromanager mit einer endlosen Flut neuer Ideen" - und zum Teil schroffen Reaktionen, wenn Mitarbeiter seinen Standards nicht gerecht werden.

In seinem dritten Jahrzehnt arbeitet Amazon daran, sich als "Allesverkäufer" tief im Alltag der Kunden auszubreiten. In den USA experimentiert der Konzern mit drahtlosen Knöpfen, die überall im Haushalt angebracht werden können. Auf Knopfdruck wird die nächste Ladung Waschmittel, Zahnpasta oder Windeln nachbestellt. Beim Versuch, den Kunden ein Smartphone als Einkaufsmaschine in die Tasche zu stecken, erlitt Bezos jedoch einen seltenen Flop. Das Fire Phone, das bestellen kann, blieb ein Ladenhüter und handelte Amazon einen Abschreibung von rund 170 Millionen Dollar ein.

Dagegen hält Amazon auch dank seiner Kindle-Lesegeräte die Führung im Geschäft mit digitalen Büchern - auch wenn die zum Teil harsche Verhandlungstaktik, bei der einzelne gedruckte Titel plötzlich nicht bestellbar waren, dem Konzern Kritik aus der Verlagsbranche einbrachte. Immer wieder kommt auch eine Debatte darüber auf, dass Amazon über Jahre europäische Freiräume zur Steuerminimierung genutzt habe.

Für die Einzelhändler, die Amazon quer durch die Welt massiv unter Druck gesetzt hat, zeigt Bezos wenig Mitgefühl. "Es ist einfach unser Job, den Kunden das beste Angebot und den besten Service zu bieten. Die Kunden entscheiden, wo sie kaufen, nicht wir."