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Podiumsgespräch in Friedensau Auf der Flucht vor dem Krieg in Syrien

Zu einer Podiumsdiskussion mit Flüchtlingen aus Syrien hatten am
vergangenen Sonnabend der Arbeitskreis für Entwicklungszusammenarbeit
(AKEZ) und der Studierendenrat der Theologischen Hochschule Friedensau
(StuRa) eingeladen.

Von Stephen Zechendorf 22.01.2015, 02:10

Friedensau l "Danke, dass ihr uns zugehört habt. Wir hoffen, ihr habt gesehen, dass wir keine schlechten Menschen sind." Mit diesen Worten in englischer Sprache des 26-jährigen Syrers Muhammad aus Aleppo endete nach einer guten Stunde eine nachdenklich stimmende Podiumsdiskussion in der Friedensauer Kulturscheune. Ziel der Veranstaltung war es gewesen, den in der Region aufgenommenen Flüchtlingen einen Zugang zur deutschen Gesellschaft zu ermöglichen, erklärt Marco Knorr, Student an der Theologischen Hochschule Friedensau. Er leitete die Gesprächsrunde gemeinsam mit seiner Kommilitonin Viridiana Martinez.

Das Ziel wurde erreicht: Die Kulturscheune Frie- densau war bis zum letzten Platz gefüllt, als vier der zurzeit in Burg lebenden Flüchtlinge auf dem Podium Platz nahmen. Stellvertretend für insgesamt 15 anwesende Flüchtlinge aus Burg (und tausende Flüchtlinge deutschlandweit) berichteten die vier Syrer über ihre Lebensgeschichte, ihre Flucht aus Syrien und die Gründe, die überhaupt erst dazu geführt haben. Nach der Veranstaltung gab es viele weitere Gespräche zwischen Flüchtlingen und interessierten Bürgern der Region.

"Wer flüchtet, will den Frieden finden und gibt dafür so vieles auf." - Ayman (42), Damaskus

Der Konflikt in Syrien hat im März 2011 begonnen und zählt laut Angaben der UN bisher 150 000 Tote und mehr als 680 000 Verletzte. Mindestens 10,8 Millionen Menschen in Syrien sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Schätzungsweise 6,5 Millionen Binnenflüchtlinge sind innerhalb des Landes auf der Flucht.

Muhammad, der während der Gesprächsrunde in Frie- densau vom Arabischen ins Deutsche übersetzte, war Student in Aleppo, bevor seine Universität inmitten eines unkontrollierbaren Bürgerkrieges kaputtgesprengt wurde. Ob er sein Studium irgendwann irgendwo weiterführen kann, weiß Muhammad nicht. Andere Dinge sind wichtiger geworden. Etwa die Frage, wo seine Geschwister jetzt gerade sind.

"Wer flüchtet, will Frieden finden und gibt dafür so vieles auf", sagt der 42-jährige Ayman aus Damaskus. Derzeit leben er sowie 150 Asylbewerber im Landkreis in 58 Wohnungen und einer Gemeinschaftsunterkunft vor den Toren der Kreisstadt.

"Ich hatte einen guten Job in meiner Heimat", sagt der 32-jährige Maher aus Damaskus. Mit seiner Entscheidung, seine kriegszerrüttete Heimat zu verlassen, hat er seinen gesamten Besitz verloren. "Es geht mir aber nicht um das Geld", sagt der Mann. "Es geht um ein Leben in Freiheit und Frieden für mich und die Familie." Das Schlimme ist: seine Familie ist noch sehr weit weg.

Denn Muhammad, Ayman und Maher haben - wie viele andere Syrer - die gefährliche Flucht voller Sorgen und geplagtem Gewissen erst einmal alleine angetreten. "Es ist zu gefährlich, die ganze Familie diesen Weg gehen zu lassen. Und zu teuer", nennen die Männer die Gründe dafür, dass sie nun in Deutschland sind, aber ihre Frauen und Kinder noch in Syrien warten oder benachbarten Ländern Schutz gesucht haben.

Die Männer haben zwischen 2500 und 5000 Euro dafür bezahlt, um unter großer Gefahr und ohne Garantie zu fliehen. Sechs Tage im Boot, zwischen Menschen und Müll gezwängt, nur mit einer Flasche Wasser und einem Schokoriegel ausgestattet, gelang einem der vier Männer die Flucht aus Syrien. Andere Fluchtwege aus dem Land führen über die Türkei, Griechenland, Ägypten. Manche flohen im Flugzeug, andere in Booten.

Jetzt wollen sie, dass ihre Familien nachkommen. Auf einem sichereren Weg. Jedoch ist auch der nicht leicht. In dem Moment, in dem die nach Deutschland geflüchteten Männer als Asylbewerber anerkannt sind, geht ein dreimonatiges Zeitfenster auf, in dem Familienangehörige in der Deutschen Botschaft ihres derzeitigen Aufenthaltslandes einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen können, so die Organisatoren der Friedensauer Gesprächsrunde. Als Familie gelten per Definition Ehepartner und Kinder.

"Es ist zu gefährlich, die ganze Familie diesen Weg gehen zu lassen. Und zu teuer." - Muhammad (26), Aleppo

Die Sorge um ihre Familien ist unsagbar groß. Einer der Männer auf der Bühne in Friedensau kann seine Tränen nicht zurückhalten, während er von seiner kleinen Tochter berichtet. Er möchte lieber nicht seinen Namen und sein Bild in der Zeitung veröffentlicht sehen, bevor all das nicht ein gutes Ende gefunden hat. Dass sein gesamtes Leben - wie auch sein Land - in Trümmern liegt, ist schlimm. Aber vor allem vermisst der Mittdreißiger aus Damaskus seine Familie, seine Frau, seine Tochter.

Die Männer auf der kleinen Bühne in der Friedensauer Kulturscheune sind inzwischen anerkannte Asylbewerber und dürfen drei Jahre in Deutschland bleiben, bevor erneut geprüft werden soll, was aus ihnen wird. Es ist völlig offen, welche Zustände dann in Syrien herrschen und wie die Bundesregierung dann mit Flüchtlingen verfährt. Mit der Anerkennung entfällt auch die sogenannte Residenzpflicht, sie müssen nicht im Landkreis bleiben. Ziel sei es nun, dass die Asylanten die deutsche Sprache erlernen, um auf dem Arbeitsmarkt integriert werden zu können, wird an dem Abend in Friedensau erklärt.

Die Organisatoren des Podiumsgespräches sind zufrieden mit ihrer Aktion: "Es war ein bewegendes Zeugnis", sagt Marco Knorr. Man will mit weiteren Veranstaltungen die Begegnung zwischen Flüchtlingen und der Region ermöglichen.