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Ziegenbock Emil und Hängebauchschwein Rose begrüßen Gäste in Königsrode / Sandra Hollerith: "Glückliche Gäste entschädigen für die vielen 14-Stunden-Tage"

Von Kristin Schulze 30.04.2011, 04:33

Bäume, ein verlassener Waldweg und wenn man Glück hat, ein paar Rehe: Mehr sieht man nicht, wenn man in Tucheim links abbiegt, um nach Königsrode zu fahren. Doch der eintönige Weg zum Erlebnisbauernhof lohnt sich.

Königsrode. Ziegenbock Emil nimmt Anlauf und klopft mit seinen Hörnern gegen die Holzhütte. Die Gäste, die hier übernachten und noch nicht durch das Krähen des Hahnes geweckt wurden, sitzen spätestens jetzt in ihren Betten. Doch Emil hat recht. Hier ist die Zeit viel zu schade, um sie zu verschlafen. Neben dem Ziegenbock und seinen Artgenossen gibt es viele andere Tiere zum Bestaunen und Anfassen. Fahrten mit dem Kremser, Lagerfeuerromantik, Ausritte oder Reitstunden, Übernachtungen in den urigen Bungalows - in Königsrode bleibt kaum ein Wunsch unerfüllt.

Das Bild ist idyllisch: Die Shettland-Ponys Flocke und Anne grasen friedlich mit den Haflingern auf ihrer Koppel und Hängebauchschwein Babe grunzt, um neue Besucher zu begrüßen. Der Trecker und viele andere Gerätschaften neben dem Pferdestall lassen die viele Arbeit, die das alles machen muss, aber erahnen. Beim Rundgang über den Hof erwartet man deshalb eher ein paar kräftige Männer, als die zierliche blonde Frau, die angelaufen kommt.

Sandra Hollerith hat sich hier einen Traum verwirklicht. "Ich liebe Tiere und wollte schon immer auf dem Land leben", erzählt sie. Dafür verließ sie ihr schickes Einfamilienhaus und erwarb den Landschaftspflegehof Königsrode. "Um im Winter von hier nach Tucheim zu kommen, muss man oft erst mit dem Trecker den Weg frei machen", erzählt sie lachend. "Der Schnee muss weg, sonst kommen weder meine Kinder in die Schule noch die Angestellten zu mir auf den Hof." Dabei ist die 35-Jährige ein waschechtes Stadtkind. Die Großeltern hatten Kaninchen - mehr Tiere gab es nicht in ihrer Kindheit.

Nach dem Kauf des Hofes im November 2009 hatte sie täglich knapp zehn Pferde zu füttern und zu bewegen und musste sich gegen den teilweise recht eigensinnigen Haflinger Roberto durchsetzen.

Wenn sie aus ihrer Kindheit und den quasi nicht vorhandenen Erfahrungen mit Tieren erzählt, kommt Skepsis auf. Unterschätzt da nicht jemand das Leben auf dem Land ganz gewaltig? Kann sie das überhaupt? Das hat sie sich in den letzten eineinhalb Jahren oft selbst gefragt. Heute steht fest: Sie kann!

Als die drei Haflinger sie erblicken, kommen sie freudig angelaufen. Sandra Hollerith hüpft über den Zaun und überprüft fachmännisch die Hufe ihrer Pferde. Wenn sie an den ersten Besuch des Hufschmiedes denkt, muss sie herzhaft lachen: "In der Nacht vorher habe ich kein Auge zu gemacht. Ich hatte bereits festgestellt, dass Pferde oft ihren eigenen Kopf haben und vor Roberto hatte ich richtig Angst. Ich dachte, das geht nie und nimmer gut." Den Umgang mit den Vierbeinern hatte sie sich leichter vorgestellt. Aber aufgeben kam nicht in Frage. Auch weitere Hindernisse schreckten sie nicht ab. Das ursprünglich als Familientraum geplante Projekt, managt sie inzwischen alleine mit ihren zwei Kindern.

"Ich lebe nicht auf diesem Hof, ich lebe diesen Hof, das heißt 14-Stunden-Tage sind keine Seltenheit und Urlaub ein Luxus, "der momentan einfach nicht drin ist". Ihre Entscheidung hat sie trotzdem nicht bereut. " Zwar bin ich im letzten Jahr mindestens drei Jahre gealtert, aber die Reaktionen der Gäste und das Leben in der Natur entschädigen mich dafür", erzählt sie, während sie Hofhund Theo das Fell krault. Die Arbeit ist anstrengend, aber vielseitig.

Übernachtungs- und Restaurantgäste wollen genau so wie die Tiere umsorgt werden. Die Arbeit in Gastronomie und Hotelwesen fiel ihr als gelernter Einzelhandelskauffrau leicht, bei den Tieren wurde es problematischer. Doch beim Rundgang über den Hof wird klar, Sandra Hollerith hat nicht nur das Herz von Haflinger Roberto erobert: Ziegenbock Emil schlägt Purzelbäume, wenn er sein Frauchen erblickt, Schweinedame Rose macht einen Kussmund, wenn sie am Maul gekrault wird und Hofhund Theo weicht ihr grundsätzlich nicht von der Seite. "Ohne mein Team wäre ich aufgeschmissen", sagt Sandra Hollerith und meint damit ihre Mitarbeiter in Stall, Küche und Service.

Wie gut die Mannschaft funktioniert, wird sich wieder am 1. Mai zeigen. Da wird groß gefeiert mit Schwein am Spieß, Musik und Tanz. Bis dahin ist noch viel zu tun.

Auch Familie Mertens aus Derben wird kommen, Brigitte Mertens spricht vielen Besuchern aus der Seele als sie nach ihrem Rundgang sagt: "Hut ab! Hier ist viel passiert, und es ist wunderschön, einfach ein traumhaftes Plätzchen."