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Bürgermeister Wolfgang Bernicke kündigt an, gegen den Beschluss in Widerspruch zu gehen Nichts bewegt sich mehr: Stadtrat lässt das Konsolidierungskonzept durchfallen

Von Manuela Langner 12.05.2012, 05:20

Elf von 25 Stimmen reichten am Donnerstag im Stadtrat nicht aus, um die Neufassung des Haushaltskonsolidierungskonzeptes 2012 bis 2019 auf den Weg zu bringen. Jetzt regiert Stillstand die Stadt: Ohne Konsolidierung kein Haushalt und keine Investitionen.

Genthin l Seit Anfang des Jahres befindet sich die Stadt ohne beschlossenen Etat in der vorläufigen Haushaltsführung. Das ist gut für die Kasse. Geld darf nur sehr begrenzt ausgegeben werden. Das ist nicht gut für die Stadt. Der Investitionsstau wächst und wächst.

"Wir sind gezwungen auf dem Rücken der Bevölkerung unseren Haushalt zu konsolidieren", sagte Bürgermeister Wolfgang Bernicke (parteilos). Von der Landesregierung sei keine Hilfe zu erwarten.

Das strukturelle Defizit der Stadt beträgt rund 1,7 Millionen Euro. Selbst wenn die Stadt sämtliche freiwillige Leistungen, die sich auf etwa 900 000 Euro summieren, streichen würde, wäre ein Ausgleich des Haushalts nicht möglich. Konsequenz: Es muss an der Instandhaltung, an Betriebs- und Unterhaltungskosten etc. gespart werden.

In seiner Vorstellung des Konzeptes warnte der Stadtchef davor, Abstriche bei den Einsparungen zu machen. Er betrachtete das Zahlenwerk nicht als Dogma, das bis 2019 unverändert bleiben müsse, wehrte sich aber dagegen, dass wieder über jede Maßnahme einzeln abgestimmt werde. Das hatte den Stadtrat in die Situation gebracht, dass das 2011 beschlossene Haushaltskonsolidierungskonzept nicht mehr zu halten gewesen war.

Kein Dogma, sondern Aktualisieren, wenn nötig

In dem Papier hatte der Stadtrat unter anderem eine regelmäßige Erhöhung der Elternbeiträge um 20 Prozent und die Schließung der Diesterwegschule beschlossen. Diese und weitere Vorhaben sind im Laufe des Jahres jedoch wieder gekippt worden, ohne dass der Stadtrat Vorschläge hatte, wie die Mehrausgaben finanziert werden können. Allerdings sagte Wolfgang Bernicke an anderer Stelle auch, dass allein die Tariferhöhung für den öffentlichen Dienst und die gestiegenen Energiekosten für die Straßenbeleuchtung ausreichen würden, das Defizit, das das Konzept 2019 noch immer ausweist, zu begründen.

"Wir können für diese lange Zeit bis 2019 kein Dogma akzeptieren", sagte Lutz Nitz für die Grünen-Fraktion. Schließlich müsse auch der neue Bürgermeister ab 2013 und der neue Stadtrat ab 2014 mit dem Papier arbeiten.

Der Begriff Dogma ist im Stadtrat das Stichwort für die Auffassung der Kommunalaufsicht, dass das Haushaltskonsolidierungskonzept in keinem Punkt geändert werden darf. Wolfgang Bernicke prägte eine andere Linie: Aktualisieren, wenn das Gesamtkonzept dabei nicht infrage gestellt wird.

Dass der Landkreis mit dieser Interpretation mitgeht, wollte Lutz Nitz schriftlich haben. Das sei, trotz der übrigen Kritikpunkte am Konsolidierungskonzept, ausschlaggebend für seine Zustimmung. Auch sein SPD-Kollege Helmut Halupka kündigte an, dass es keine Zustimmung gebe. "Da steckt viel Arbeit, viel Mühe drin, aber das Konzept konsolidiert den Haushalt nicht, deshalb haben wir starke Bedenken", sagte CDU-Fraktionschef Klaus Voth.

Dem widersprach Wolfgang Bernicke energisch. "Über die Jahre unternehmen wir gewaltige Anstrengungen." Ohne Konsolidierung stände das Defizit 2019 bei rund 14 Millionen Euro. Die Möglichkeit wie die Partnerstadt Datteln (Nordrhein-Westfalen), das Konzept jährlich zu verlängern, wenn offensichtlich wird, dass die Ziele nicht erreichen werden, gebe es in Sachsen-Anhalt nicht.

Möglich, dass 2012 ohne Haushaltsplan verstreicht

Nach der konfusen Diskussion im Rechnungsprüfungs- und Finanzausschuss, die keinerlei Vorschläge für die Konsolidierung eingebracht habe, habe er nicht wirklich damit gerechnet, dass ein Konzept vorgelegt werde, merkte Wilmut Pflaumbaum an. Außerdem könne es doch sein, dass die Kommunalaufsicht nach dem Personalwechsel Genthin inzwischen wohlgesonnener sei.

Kurt Wicke (Pro Genthin) verstand die Aufregung um das Haushaltskonsolidierungskonzept nicht. Vielmehr als eine "Utopie" sei das Papier schließlich nicht. Wer wisse schon, wie sich bis 2019 die Energiekosten und Tarife entwickelten? "Wir sollten abstimmen und abwarten, ob es bei der Kommunalaufsicht so durchgeht."

Bei 13 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen gegenüber elf Ja-Stimmen hat der Stadtrat die Neufassung des Haushaltskonsolidierungskonzeptes nicht beschlossen.

"Wie geht es jetzt weiter?", fragte Wolfgang Bernicke in die Runde. Eine Antwort musste er selber geben: "Ich lege gegen den Beschluss Widerspruch ein." Vielleicht erlebe die Stadt Genthin 2012 ein Jahr ohne Haushalt.

Solange die Stadt über kein Konsolidierungskonzept verfügt, kann auch kein Haushaltsplan verabschiedet werden, wie es bis Donnerstagabend für den 19. Juli vorgesehen gewesen war. Investitionen sind nicht möglich. Über den Widerspruch des Bürgermeisters entscheidet die Kommunalaufsicht.