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Bauforschungsprojekt in Osterwieck Kein Bezug zu Till Eulenspiegel

Drei Jahre Bauforschung in der Altstadt sind die Grundlage für ein Buch über Osterwieck, das Leser und Besucher letztendlich zu einem Rundgang durch die Straßen motivieren soll. Im Ergebnis bekommen die Schnitzereien des Eulenspiegelhauses eine völlig neue Bedeutung.

Von Mario Heinicke 04.06.2015, 03:23

Osterwieck l Der Buchtitel ist nach dem Projekt "Osterwieck entdecken - bewahren - erleben" benannt. 344 Seiten stark ist das Werk geworden. Und es hätten vom Material auch noch 100 Seiten mehr sein können, bekannte Claudia Hennrich. Sie ist die Geschäftsführerin des Deutschen Fachwerkzentrums in Quedlinburg, das dieses Projekt gefördert bekommen und umgesetzt hat.

Ein Projekt nicht nur zur Bauforschung, sondern unter dieser Überschrift liefen auch die zahlreichen Praxisseminare im "Bunten Hof" - für eine ökologische, ressourcenschonende und energieeffiziente Sanierung von Fachwerkhäusern. Studenten aus aller Welt, Handwerker, Architekten und sonstige Interessierte beteiligten sich daran.

Tief in Stadtgeschichte eingedrungen

18 Fachwerkhäuser in der Osterwiecker Altstadt wurden von 2011 an untersucht. Am Anfang waren es vor allem leerstehende Gebäude. Wenn Claudia Hennrich von Bauforschung spricht, meint sie vor allem die Fachwerkkonstruktion und wie sie mit den Jahrhunderten verändert wurde. Dazu drangen sie und ihre Mitautoren tief in die Stadtgeschichte ein - und hatten auch eine Portion Glück auf ihrer Seite.

Ein "Zufallstreffer" gelang nämlich im Magdeburger Landeshauptarchiv, als ein großer Osterwiecker Stadtplan von 1886 mit den alten Hausnummern aufgeschlagen werden konnte. Dadurch wiederum war es möglich, Bauakten aus dem 19. Jahrhundert, die im Stadtarchiv schlummerten, den heutigen Häusern zuzuordnen.

Im Ergebnis konnte das Fachwerkzentrum auch schon Bauherren baubegleitend unterstützen, so Am Markt 3, Hagen 25 und 45 oder Mittelstraße 8. An der Kapellenstraße 12 hat es eine Notsicherung gegeben.

Über 230 000 Euro umfasst das Budget des Fachwerkzentrums für das Projekt, aus dem auch dieses Buch finanziert wurde. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat sich beteiligt, das Kultus- und das Bauministerium Sachsen-Anhalts, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und nicht zuletzt die Stadt Osterwieck und ihr Sanierungsträger BauBeCon.

Fachwerk im Wandel der Jahrhunderte

Autoren und Sponsoren präsentierten das Buch in Osterwieck vor interessierten Einwohnern. Claudia Hennrich, Conny Luthardt, Bettina Stöckicht vom Fachwerkzentrum sowie der Holzschutzgutachter Roland Becker gaben Einblicke in einige der untersuchten Häuser und ihren Wandel in den Jahrhunderten. Berichtet wurde von den besonderen Fußböden in der Mittelstraße 27, einer bauzeitlichen "Schwarzen Küche" im Hagen 25 oder den hinter der Fassadenverkleidung verborgenen geschnitzten Brüstungsfeldern am Voigteiplatz 7. Ebenso über die Umbauten der "Tanne" in der Rosmarinstraße. Auch als "Filetstück der Altstadt" bezeichnet, konnte bisher durch die Privateigentümer noch keine Sanierung in Angriff genommen werden.

Holzschutzfachmann Becker legte die aktuellen Probleme durch ein undichtes Dach offen und mahnte zum Handeln. Mit einer ordentlichen Notabdeckung "kann man später viele Sanierungskosten sparen".

Sorge bereitet Becker auch die Dachentwässerung am unsanierten Hauptgebäude auf dem städtischen Schäfers Hof. Nässeschäden, die sich die Fassade hinunter auswirken. "Nur weil der Schwellbalken aus Eiche ist, ist überhaupt noch Holz da. Mit Fichtenholz wäre da nichts mehr,", erklärte er.

Kritik in Fassade geschnitzt

Das aber wohl bemerkenswerteste Ergebnis der Bauforschung hob sich Claudia Hennrich auf der Präsentation bis zuletzt auf: Die 1534 geschaffenen Schnitzereien am Eulenspiegelhaus, Schulzenstraße 8, haben mit Till Eulenspiegel nichts zu tun.

Die aus dem Lateinischen übersetzte Hausinschrift "Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit", die auch auf der Titelseite der ebenfalls 1534 erschienenen Ausgabe der Lutherbibel steht, ließ das schon erahnen. "Inschrift und Schnitzereien sind eine Kritik an der katholischen Kirche", betonte Hennrich. Sämtliche Figuren im Schnitzwerk wurden analysiert. Die ausführlichen Erläuterungen sind im Buch aufgeschrieben.

Paul Bellendorf von der Bundesstiftung Umwelt erklärte auf der Präsentation: "Das macht Lust, nach Osterwieck zu kommen und mit dem Buch in der Hand durch die Straßen zu laufen." Rüdiger Haar aus dem Vorstand des Fachwerkzentrum-Trägervereins bezeichnete das Werk als "wirklich gelungen. Das ist ein Ergebnis der besonderen Fachkompetenz des Deutschen Fachwerkzentrums."

Erhältlich ist das Buch für 10 Euro im Heimatmuseum und in der Stadtinformation Osterwieck.