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Chronikkommission präsentiert erste Ausstellung in der Samuel-Walther-Geschichtswerkstatt in Wegenstedt Freundeskreis reist mit zehn Objekten durch die Zeit

Von Anett Roisch 19.06.2012, 05:27

Auf eine Reise durch die Zeit hat der Freundeskreis der Geschichtswerkstatt "Samuel Walther" die Ausstellungsbesucher mitgenommen. Die Chronikkommission Wegenstedt darf als erste Gruppe in der Werkstatt ausstellen und zeigt, wie spannend Regionalgeschichte sein kann.

Wegenstedt l "Die Geschichte der Region in zehn Objekten ist natürlich ein vermessener Anspruch, den die zehn Objekte nicht erfüllen können", gestand Architekt Dr. Berthold Heinecke, Mitglied im Freundeskreis, am Sonntagnachmittag bei der Eröffnung der Ausstellung in der Samuel-Walther-Geschichtswerkstatt. Mit den Ausstellungsstücken möchte der Freundeskreis der Geschichtswerkstatt Regionalgeschichte erzählen.

"Die ausgewählten Objekte künden von einer Welt, die uns für immer verschlossen ist. Ohne Imagination und Begreifen der Objekte in der Geschichte werden wir jedoch unseren Weg in die Zukunft niemals finden", erklärte Heinecke. Die Werkstatt, die im vergangenen Jahr eröffnet wurde, soll zur Reflexion über die Geschichte und der eigenen Zeit anregen. Ziel der Ausstellung soll sein, zu Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gegenüber den Dingen anzuregen, die schon die Vorfahren auf ihrem Weg durch das Leben begleitet haben.

Zu den ausgewählten Dingen zählt eine alte Schützenkönigskette, die der Wegenstedter Schützenverein zur Verfügung gestellt hat. Außerdem gibt es ein schwarzes Kleid - wahrscheinlich ein Brautkleid aus dem 19. Jahrhundert - aus Flechtingen zu bewundern. Eine Hand mit Herz stammt von einem Epitaph aus der Schlosskirche in Erxleben. Zu den besonderen Stücken zählt auch ein Gürtel, der auf einem Dachboden eines Hauses in Wegenstedt gefunden wurde. Wahrscheinlich ist der Gürtel mit der Inschrift "Gut heil" vom Wegenstedter Männerturnverein aus dem 19. Jahrhundert. "Wir können nur einen winzigen Ausschnitt der historischen Vergangenheit repräsentieren", gestand Heinecke und verwies auf einen eher unscheinbaren Gefäßstiel aus Keramik. Der Stiel wurde beim Bau der Geschichtswerkstatt im Schutt gefunden. Es handelt sich um eine altertümliche Keramik, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts üblich war.

Vivien Schlüer, Leiterin der Chronikkommission Wegenstedt, beschrieb: "Wir haben eine immer schnelllebigere Zeit, in der viele junge Menschen von hier wegziehen oder weite Wege zur Arbeit haben. Sie bauen meistens eine lose Beziehung zu ihrer Heimat und damit zu ihrer Geschichte auf. Diese Zeit, in der das Moderne überwiegt und das Vergangene ins Abseits rückt, ist nicht erfreulich. Unsere Ausstellung rückt Objekte von einst wieder in unsere Zeit."

Wie spannend und vielfältig Geschichte sein kann, zeigte auch ein britisches Flugzeugwrackteil. Erst im Jahr 2000 wurde durch regionale Geschichtsforschung bekannt, dass Wegenstedt und benachbarte Orte nur um Haaresbreite einer Vernichtung im Zweiten Weltkrieg entkommen waren. Aus der zivilen Flugbeobachtung entstand von 1940 bis 1945 unter Einsatz vieler Radargeräte die Jägerleitzentrale bei Etingen mit dem Decknamen "Fliege". Otto Liestmann hat damals als Mitglied der Wachmannschaft die ausgestellte Abdeckung des Motors eines abgeschossenen Nachtbombers vom Typ Vickers "Wellington" illegal geborgen und versteckt. Sein Enkel, Dieter Liestmann, hat dieses Teil 2012 der Geschichtswerkstatt geschenkt.

"Wir sind uns sicher, dass auf manchem Dachboden, in manchem Keller und in mancher Kommode noch viel Interessantes liegt. Geben Sie uns Kunde davon, so dass wir vielleicht mal eine Fortführung dieser Ausstellung organisieren können", warb Heinecke.

Vivien Schlüer bedankte sich bei allen, die bei der Ausstellung mitgewirkt hatten. Sie lud zu einer Lesung ein, die am Mittwoch, dem 18. Juli, um 19 Uhr in der Werkstatt stattfindet. Thema ist das Tagebuch des Wegenstedters Otto Recht, das zu den zehn Objekten der Ausstellung gehört. Es ist ein handschriftliches Kriegstagebuch 1916/18. Die Ausstellung wird bis zum 2. September jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet sein.