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Hanumer und Zasenbecker erstellten filmisches Zeitzeugenprojekt Zwei Nachbarorte, eine Grenze

Von Walter Mogk 05.10.2012, 03:18

22 Jahre nach der Wiedervereinigung erinnert ein Zeitzeugenprojekt von Hanumern und Zasenbeckern an die Trennung der beiden Nachbarorte durch Mauer und Stacheldraht. Am Mittwoch wurde die Filmreihe in Zasenbeck vorgestellt.

Zasenbeck/Hanum l Dass noch vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten Hanumer und Zasenbecker durch eine mörderische Grenze voneinander getrennt waren, ist heute vor allem der jüngeren Generation kaum mehr bewusst. "Sie sind nach der Wiedervereinigung geboren und aufgewachsen. Die Grenze und alles, was mit ihr an Leid und Schwierigkeiten verbunden war, kennen sie nur aus Erzählungen", weiß Reinhold Tielbörger. Der Zasenbecker Ortsvorsteher hat deshalb zusammen mit dem Heimatverein seines Ortes ein Zeitzeugenprojekt gestartet, um die Erinnerungen an die Zeit der Teilung und das Wiedersehen zur Grenzöffnung 1989/90 für die Nachwelt festzuhalten.

Pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit wurde das Werk fertig. Zahlreiche Einwohner beider Nachbarorte kamen in das Zasenbecker Dorfgemeinschaftshaus, um die Uraufführung der knapp zweistündigen Filmdokumentation mit dem Titel "Zwei Orte, eine Grenze" zu erleben.

In drei Teilen wurde das Werk in der Medienwerkstatt Isenhagener Land in Hankensbüttel fertiggestellt. "Alles in ehrenamtlicher Arbeit", wie Reinhold Tielbörger betonte. Im ersten Teil geht es um die Vorbereitung der Grenzöffnung zwischen Hanum und Zasenbeck am 6. Januar 1990. Der damalige Zasenbecker Ortsvorsteher Norbert Winke und Walter Schnaugst, damals Hanumer Ratsmitglied, berichten ebenso über ihre Erlebnisse wie der ehemalige Grenzsoldat Bodo Zimmer, der noch vor der offiziellen Freigabe ein Tor im Grenzzaun für Hanumer und Zasenbecker öffnete.

Von Heinz Mahlke, nach der Wende Hanumer Bürgermeister, und dem Zasenbecker Erich Schrader erfährt der Zuschauer, wie sich das Verhältnis zwischen den Einwohnern beider Nachbarorte bis zum Mauerbau entwickelte. Von Antipathien und gelegentlichen Scharmützeln der Dorfjugend ist ebenso die Rede wie von wirtschaftlichen Verflechtungen. "Die Hanumer brachten ihre Milch nach Zasenbeck zur Molkerei und nicht nach Jübar, weil es näher war. Das gleiche passierte mit dem Schlachtvieh, das ging nach Wittingen und nicht ins weiter entfernte Beetzendorf oder Salzwedel", berichtete Heinz Mahlke.

Von der Situation der Kirche in der Region zur Zeit der deutschen Teilung erzählt Jübars ehemaliger Pfarrer Hartmut Förster in der Dokumentation. Der Lüdelsener spart dabei auch das Kirchturmspitzenfest in Jübar im September 1989 nicht aus, zu dem die Zasenbecker Sänger begrüßt werden konnten. "Das war am 10. September. Ich erinnere mich genau, weil auf unserer Rückfahrt im Radio die Meldung kam, dass Ungarn die Grenzen für die DDR-Flüchtlinge aufgemacht hat", erklärte Reinhold Tielbörger. Dass sich Försters von der Kanzel geäußerte Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen von Zasenbeckern und Hanumern nach Jahren der Trennung so schnell erfüllen würde, habe damals allerdings niemand für möglich gehalten.

Der zweite Teil des Films behandelt das Leben mit der Mauer von 1945 bis 1989. Hier kommen der Jübarer Udo Schweigel, der Zasenbecker Ex-Zöllner Hans Boehm sowie das Ehepaar Inge und Gisbert Niederfeld zu Wort. Und im dritten Teil erzählen Hinrich Bohne, Franziska Darges und Anne Pasemann, die allesamt nach der Wende geboren sind, über ihre Erfahrungen beim Zusammenwachsen von Ost und West.

Große Anerkennung erhielten die Filmmacher am Mittwoch nicht nur vom Publikum, sondern auch vom Wittinger SPD-Landtagsabgeordneten Klaus Schneck. Er warnte davor, das Leben in Einheit und Freiheit als etwas Selbstverständliches zu sehen. "Die Wiedervereinigung Deutschlands, ohne dass auch nur ein einziger Schuss fiel, ist auch heute noch ein tolles Ereignis. Wenn uns das vor 30 Jahren jemand gesagt hätte, wir hätten ihm empfohlen, sich in Behandlung zu begeben", erklärte der Wittinger. Für kommende Generationen würden die Geschehnisse von damals allerdings mehr und mehr in die Geschichte entrücken. "Eines Tages wird es heißen: Was ist eigentlich dieser komische 3. Oktober für ein Feiertag? Umso wichtiger ist dieses Projekt, mit dem die Ereignisse regional aufgearbeitet und der Nachwelt in Erinnerung gerufen werden", so Schneck.