1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Oschersleben
  6. >
  7. Ein Stück Geborgenheit finden 160 Kinder in rund 100 Pflegefamilien des Kreises

Jugendamt lud am Wochenende zum Sommerfest in Wanzleben ein / Eltern weiterhin gesucht Ein Stück Geborgenheit finden 160 Kinder in rund 100 Pflegefamilien des Kreises

Von Sabrina Trieger 02.07.2013, 03:27

Rund 35 Pflegeeltern sind am Sonntag in Familie der Einladung des Jugendfachdienstes Oschersleben ins Wanzleber Bördestadion zum Sommerfest gefolgt. Das Jugendamt betreut im Landkreis derzeit 160 Pflegekinder im Alter bis 19 Jahre sowie 100 Pflegeeltern dauerhaft. Die Behörde sucht für die Pflege dringend elterlichen Nachwuchs.

Wanzleben l Beatrice und Marco Noczynski aus Osterweddingen sind Eltern von fünf Kindern. Zu ihrer "Rasselbande" gehören ihre beiden ältesten Kinder Sabine (15) und Nils (11) sowie die drei Pflegekinder Leonie (6), Jason (3) und Kilian (11 Monate). Seit vier Jahren gehören die Noczynskis zum Stamm von 100 Pflegeeltern, die im Landkreis Börde 160 Kinder im Alter von 0 bis 19 Jahre betreuen.

"Mein Mann war selbst Heimkind und wurde mit sieben Jahren adoptiert. Er hat immer gemeint, dass, wenn unsere eigenen beiden Kinder groß genug sind, wir uns als Familie auch für das Wohl anderer Kinder einsetzen sollten", erzählt Beatrice Noczynski. "Und so haben wir unsere Leonie mit dreieinhalb Jahren als unser erstes Dauerpflegekind bekommen. Jason, heute drei, kam mit sieben Monaten zu uns", erzählt die 37-Jährige.

Ihren jüngsten Sprössling haben sie erst kurz vor Weihnachten aufgenommen. "Am 12. Dezember 2012", erzählt sie. Er ist mit dem Downsyndrom geboren worden. "Kilian kam mit sieben Monaten zu uns. Seither sind wir auch mit ihm in Ottersleben im Sozialpädiatrischen Zentrum in Behandlung. Hier fühlen wir uns mit unseren Pflegekindern seit Jahren gut beraten. Zum Beispiel, wenn es um die Entwicklungsdiagnostik der Kinder geht", berichtet das Paar, das seit 1996 verheiratet ist. Angefangen hatten sie mit der Bereitschaftspflege. "In den vergangenen vier Jahren hatten wir neben unseren Dauerpflegekindern zusätzlich noch neun weitere Kinder in Bereitschaftspflege", erzählt Marco Noczynski (40), der bei der Post arbeitet. Bereitschaftspflege kann einen Tag bedeuten, oder aber auch, dass ein Kind für mehrere Wochen bei der Pflegefamilie bleibt.

Auf die Frage, was man als Pflegeeltern für Voraussetzungen mitbringen muss, antworten die Noczynskis: "Auf jeden Fall viel Einfühlungsvermögen, Geduld und Verständnis für die Kinder. Den Kindern einen streng geregelten Alltag bieten zu können, ist auch wichtig. Eigene Kinder zu haben, ist von Vorteil, weil man dann schon einen gewissen Erfahrungsschatz hat, der vieles einfacher macht. Die ehrliche Zusammenarbeit mit dem Pflegekinderdienst ist ebenfalls vonnöten, um eventuell auftretende Probleme gemeinsam lösen zu können. Kindern ein zu Hause zu geben, ist eine sehr erfüllende Arbeit. Und wie sagte schon Sir Peter Ustinov: ,Hilfe für Kinder ist kein Tropfen auf dem heißen Stein, sie ist wie ein Tropfen im Meer, der nie verloren geht\'. In diesem Sinne wünschen wir uns, dass viele Menschen überlegen, ob sie vielleicht auch in der Lage sind, einem Kind ein liebevolles zu Hause geben zu können."

Dafür wirbt auch René Grummt, Leiter des Fachdienstes Jugend des Landkreises Börde. "Ab dem 25. Lebensjahr kann man sich bei uns als Pflegemutti , -vati oder -eltern melden. Es sind keine pädagogischen Vorkenntnisse nötig. Derzeit haben wir im Kreis einen Stamm von 100 Pflegeeltern, die zwischen Mitte 30 und 55 Jahre alt sind", erklärt er.

"So bunt und vielseitig wie das Familienleben ist, so ist auch unsere Pflegeeltern-Kartei aufgestellt. Wir haben beispielsweise ein gleichgeschlechtliches Paar sowie auch einen alleinerziehenden Vati dabei", erzählt Heiderose Röhrlig, die für den Fachdienst Jugend im Bereich Oschersleben zuständig ist und die Pflegefamilien am Sonntag ins Wanzleber Bördestadtion zum Sommerfest eingeladen hatte.

Dabei startete René Grummt den Aufruf, dass für jene Form der Hilfe dringend "elterlicher Nachwuchs" gesucht werde. "Wer sich vorstellen kann, ein Pflegekind bei sich aufzunehmen, kann sich jederzeit bei uns oder beim Verein Pflege- und Adoptiveltern in Oschersleben bei Tino Kopf melden."

Gesucht werden Menschen, die sich vorstellen können, Kinder für eine bestimmte Zeit oder auf Dauer bei sich aufzunehmen und die über Geduld, Einfühlungsvermögen und Zeit verfügen und Freude am Zusammenleben mit Kindern haben.

Pro Familie können maximal drei Dauerpflegekinder aufgenommen werden. "Wobei das Pflegekind immer das jüngste Kind in der Familie sein muss", erklärt Heiderose Röhrlig. "Familien, die sich interessieren, müssen sich im Klaren darüber sein, dass es nicht immer einfach ist. Pflegekinder bringen ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Erfahrungen mit und haben besondere, manchmal auch schwierige Verhaltensweisen. Oft kommen die Kinder aus Familien, die häufig durch Krisen oder Probleme belastet sind, und haben aufgrund dessen oft ein unsicheres Bindungsverhalten, da sie in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht haben, dass man sich auf die Beziehungen zu anderen Menschen nicht verlassen kann. Sie brauchen deshalb Menschen, die sich zuverlässig und liebevoll um sie kümmern."

Bevor man ein Pflegekind aufnehmen kann, prüft das Jugendamt die Lebensumstände. "Alle Interessenten müssen vorab auch ein Pflegeelternseminar besuchen", erklärt Grummt. "Schließlich ist diese Form der Hilfe die einzige, bei der man nicht mit Profis zusammenarbeitet." Wenn Pflegeeltern ein Pflegekind aufnehmen, haben sie Anspruch auf Pflegegeld. Der Unterhaltsanteil plus der Erziehungsbeitrag bewegen sich monatlich zwischen 600 und 700 Euro pro Kind.

Kontakt: Jugendamt Landkreis Börde, Tel. (03904)72401423, jugend@boerdekreis.de