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Wie der Berliner Politiker und Bankier Arthur von Gwinner nach Krumke kam Aus Sehnsucht nach Ruhe aufs Land

Von Frank Schmarsow 14.03.2015, 01:22

In einem Vortrag hatte der Osterburger Historiker Karl-Georg Spanier den einstigen Krumker Gutsbesitzer Arthur von Gwinner als Förderer des Baus der Bagdadbahn im Nahen Osten vorgestellt. Wer war Arthur von Gwinner? Die Volksstimme sah und hörte sich dazu in Krumke um.

Krumke l Arthur von Gwinner, geboren am 6. April 1856 in Frankfurt a. Main in einer jüdischen Bankiersfamilie, gestorben am 29. Dezember 1931 in Berlin, machte sich im damaligen Deutschen Reich als Finanzexperte und Politiker einen Namen. Auch als Liebhaber und Förderer der Künste besaß er Format und Anerkennung.

Gwinner hatte eine Banklehre absolviert und sich in der Folge längere Zeit im Ausland aufgehalten. 1888 übernahm er das Bankhaus Riess Itzinger in Berlin als alleiniger Eigentümer. Bereits sechs Jahre später gab er es auf, trat in den Vorstand der Deutschen Bank ein und wurde hier enger Mitarbeiter Georgs v. Siemens. Bis 1919. Von da an, bis zu seinem Tod 1931 war er Mitglied des Aufsichtsrates der Deutschen Bank.

Wie war der Berliner Bankier und Politiker Arthur von Gwinner in das beschauliche altmärkische Krumke gekommen? Ihn soll die Sehnsucht nach eigenem Grundbesitz und nach Ruhe aufs Land gezogen haben. 1911 hatte er Gut und Schloss Krumke von Rudolph v. Kahlden gekauft. Damals schrieb man den Ortsnamen Krumbke in Anlehnung an das Bächlein Krumme Beke, das den Park durchfließt. Dem Großstädter und seiner Frau Anna gefiel es in dieser Idylle; besonders der romantische Park mit seinen zum Teil alten und seltenen Gehölzen hatte es ihnen angetan, aber auch die etwas spröde Natürlichkeit der Altmärker. Krumke wurde die Wahlheimat der Familie.

Von Gwinner nahm am Schloss, das 1860 von Kahlden umgebaut worden war, erneut bauliche Veränderungen vor. Unter seiner Regie gedieh auch der Park zu neuer Blüte. Er soll diesen Umzug nie bereut und keinen lieberen Aufenthalt genossen haben als in Krumke, ist in einer Überlieferung vermerkt. Unter seiner Regie wurde das Kavaliershaus errichtet, in dem die Familie seines Schwiegersohnes Professor Karl Klingler während ihrer Krumker Aufenthalte wohnte.

Gutsbetrieb wurde reformiert

Der Wahl-Krumker sorgte auch für die Dorfbewohner und die Arbeiter seines Rittergutes. Er ließ zum Beispiel die Hauptstraße des Dorfes, die Schlossstraße, die nur ein Sandweg war, pflastern. Unter seiner Leitung wurden der Gutshof und die Stallanlage neu gestaltet und der Gutsbeterieb überhaupt reformiert. Dadurch seien auch neue Arbeitsplätze entstanden. Gwinner war nicht nur Bankier und Politiker; hier in Krumke widmete er sich vor allem der Landwirtschaft.

Einer Veröffentlichung des Osterburger Lehrers und Chronisten Karl Lehrmann 1930 in der Altmärkischen Zeitung zufolge gehörten 1922 zum Rittergut 161 Hektar Ackerland, 63 Hektar und Weiden sowie ca. 400 Hektar Wald; an Reit- und Zugtieren waren 15 Pferde zu nennen. Als Gutsverwalter seinerzeit ist ein Gerhard Hoefer genannt (s. a. Jochen Reinecke, Krumke - Schlösser und Gärten in Sachsen-Anhalt, 2001).

Zu den Bediensteten gehörten Walter und Alma Hardige, er seinerzeit herrschaftlicher Kutscher und sie Küchenfrau. Sie wohnten damals mit der Familie im Kutscherhaus, weiß deren Enkelin Karin Maaß zu berichten. "Als später Großvater aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Kutscher sein konnte, wurde er als Gärtner angestellt. Meine Großeltern zogen dann in das Haus Schlossstraße 1, in dem wir noch heute wohnen." Karins Schwester Helga Krost erinnert sich an die Erzählungen ihrer Mutter Erika Maureschat, die als Kind mit den Gwinner-Mädchen Margarethe und Charlotte viel Freizeit verbracht hatte. "Besonders Margarethe war ihre Spielgefährtin", ergänzt Karin. "Mutter wurde oft ins Schloss eingeladen und durfte mit Margarethe Kakao trinken, wie sie uns oft erzählte."

Nach seinem Tode wurde v. Gwinner unter großer Anteilnahme auf dem kleinen Friedhof in Krumke beigesetzt; auch seine Frau Anna fand 1940 hier ihre letzte Ruhestätte. Das Erbbegräbnis der Familie auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof ist von den Krumker Gwinners nicht genutzt worden.

Die Dörfler hätten v. Gwinner als ihren Krumker Gutsherrn regelrecht verehrt, berichtete Karl-Georg Spanier. Sei von der Kreisverwaltung oder von noch höherer Stelle eine Verordnung erlassen worden, so handelten die Krumker nicht sofort danach, sondern meinten: "Wir wollen dazu erst Herrn v. Gwinner hören." Hatte die Sache dann seine Richtigkeit, wurde sie respektiert.

Die Töchter Margarethe und Charlotte erbten das Rittergut. Während des Ersten Krieges hatte die klavierspielende Margarethe den Violinisten und Komponisten Prof. Karl Klingler geheiratet. Mit ihm bekam sie vier Kinder.

1934 schenkte Margarethe ihren Teil des Gutes ihrem Ehemann, weil sie befürchtete, durch die gegen die Juden gerichteten berüchtigten "Nürnberger Gesetze" enteignet zu werden. 1935 verkaufte ihre Schwester Charlotte von Wedel aus eben diesem Grund ihren Erbteil ebenfalls an Klingler.

Im Zweiten Weltkrieg bot das Dorf Zuflucht

Im Zweiten Weltkrieg suchte die Familie Klingler, die zunächst in Berlin wohnte, oft Zuflucht in Krumke. Nachdem ihr Haus dort durch Bomben zerstört geworden war, zog sie auf das von seiner Frau geerbte und an ihn übertragene Rittergut Krumke. Wegen seines Widerstands gegen den Bildersturm der Nazis geriet Professor Klingler in das Visier der Gestapo. Der Vollstreckung eines bereits gegen ihn vorliegenden Haftbefehls entging er nur dadurch, dass amerikanische Truppen nach einem überraschenden Vorstoß Osterburg, Krumke und damit auch das Schloss bereits besetzt hatten.

Nach kurzem Gastspiel der Amerikaner folgten die sowjetischen Besatzer. Im Zuge der Bodenreform wurde das Gut volkseigen. Die Familie Klingler zog nach Hannover und später nach München. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die Familie entschädigt.

Im Jahr 2013 hätte ein Otto v. Gwinner ihre Mutter besucht, berichtet Karin Maaß. "Das ist ein Enkel Arthur v. Gwinners. Man erinnerte sich alter Zeiten und das Gespräch muss so interessant gewesen sein, dass der Gast seinen Hut vergessen hatte. Zu ihrem 90. Geburtstag bekam Mutter herzliche Glückwünsche von Otto und Alice v. Gwinner."