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Erstes Antiaggressionstraining an Theodor-Fontane-Sekundarschule Arendsee Kinder üben gewaltfreie Konfliktlösung

Von Helga Räßler 27.01.2011, 05:31

Wenn Kinder merken, dass sie wütend werden, müssen sie sich bewegen dürfen. Das ist das Leitmotiv des Antiaggressionstrainings an der Arendseer Theodor-Fontane-Sekundarschule. 74 Fünft- und Sechstklässler und ihre Lehrer üben vier Tage lang unter Anleitung des Diplomsportpädagogen Oliver Tomic vom Verein Gewaltfreies Lernen Pulheim. In der Turnhalle probierten sie in Partnerübungen, Konflikte eigenständig zu lösen. Ziel ist die Erweiterung der Handlungsfähigkeit der Jugendlichen.

Arendsee. "Lass das sein, ich will das nicht!" Das sagt die zierliche Alena Balkow aus der Klasse 6a mit fester Stimme zu ihrem wesentlich größeren Mitschüler Ole Hübsch. Dabei hält sie im abwehrend beide Hände gespreizt entgegen und schaut ihm mit hocherhobenem Haupt selbstbewusst in die Augen. Als der Junge trotzdem nicht lockerlässt und ihre Handgelenke ergreift, windet sie sich geschickt aus dem Griff. Die Befreiung aus der gefährlichen Situation ist gelungen. Von den Mitschülern und Klassenlehrer Hans-Georg-Kempcke kommt Beifall.

"Ziel ist es, die Handlungsfähigkeit der Teilnehmer zu erweitern"

Denn die Szene ist nur eine von vielen Übungen beim Antiaggressionstraining an der Theodor-Fontane-Sekundarschule in Arendsee. Seit Montag treffen sich die Fünft- und Sechstklässler täglich in der Turnhalle mit Trainer Oliver Tomic vom Verein Gewaltfreies Lernen Pulheim. Der Diplomsportpädagoge trainiert mit den 74 Mädchen und Jungen, wie sie Konflikte gewaltfrei lösen können.

"Das oberste Ziel ist es, die Handlungsfähigkeit der Kinder zu erweitern", erklärt Oliver Tomic. "Sie sollen lernen, komplizierte Konfliktsituationen eigenständig zu meistern, ohne sich sofort fremde Hilfe zu holen oder Gewalt anzuwenden." Es gehe um das Starksein.

Das Programm bestehe aus drei Säulen: gewaltfreies Lernen und Konflikttraining, Partnerübung in Bewegung zum Sammeln von Grenzerfahrungen beim Einhalten von Regeln im sozialen Verhalten und Tipps für Strategien zur Prävention und Intervention.

Und gerade die eingangs beschriebene Szenerie gehöre zu den Übungen, die die Teilnehmer bei den Partnerübungen absolvieren. "Wortstarkes Verhalten, fester Blick, laute Stimme, verbunden mit dem geschickten Einsatz von Griffen aus einer japanischen Kampfsportart – das üben wir hier gemeinsam", beschreibt er, der den schwarzen Judo-Gürtel besitzt. Und nennt Übungsbegriffe wie Siegergriff, Rutsche oder Schraube, X und Rakete, nach der Art der Ausführungen benannt.

Gleichzeitig lernen die Kinder bei sportlichen Spielen zusammenzuwirken und faire Regeln für den respektvollen Umgang miteinander. Bei Rollenspielen üben sie positive Verhaltensmuster, so zum Beispiel Reaktionen auf Beleidigungen.

Aber nicht nur die Schüler trainieren gewaltfreie Konfliktlösungen, sondern auch die Lehrer. "Der Termin mit den Eltern war leider nur sehr spärlich besucht", bedauert Schulleiter Klaus-Dieter Leppin.

Er hält das Projekt für sehr wichtig, um den Heranwachsenden beim Bewältigen des Schul- und Lebensalltags zu helfen. "Das Ganze kann auch nützlich sein für das Auftreten bei späteren Bewerbungen, bei der Ausbildung und in der Freizeit", ist er sicher.

"Das Projekt steht und fällt mit Fortsetzung des Trainings"

Alle Teilnehmer sollen bei der Schulung erfahren und lernen, wie man Selbstbehauptung und Teamfähigkeit schulen, Konflikten vorbeugen und sie gewaltfrei lösen sowie Ausgrenzung und Gruppenzwang wirkungsvoll begegnen kann.

Bei den Stunden sind immer auch die Klassenlehrer mit dabei. "Sie können so genau das Verhalten und die Reaktionen ihrer Schüler beobachten", schätzt der Schulleiter ein. "Sie lernen ihre Schützlinge dabei noch besser kennen."

Außerdem erhalten alle Lehrer eine Zusammenstellung der Übungen als Arbeitsmaterial. "Sie können so die Übungen weiterführen", sagt Oliver Tomic. "Denn das Projekt steht und fällt mit der Fortsetzung des Trainings."

Der Diplomsportpädagoge gab den Lehrern dazu gestern Nachmittag noch eine umfassende theoretische Einweisung. Anschließend absolvierte das Kollegium zusammen mit ihm Rollenspiele, bei denen auch die Pädagogen ihr Auftreten in Konfliktlagen trainieren konnten.

Für die Projekte hatte sich die Arendseer Schule bei dem Verein beworben und den Zuschlag unter den Schulen in Sachsen-Anhalt bekommen. Weitere Trainingstermine gibt es an Schulen in Salzwedel, Gardelegen und Halle.

Die Unfallkasse Sachsen-Anhalt und die Robert-Bosch-Stiftung mit dem Programm SENTA (Schule-Entwicklung-Arbeit) finanzieren das Projekt.