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Einstiges Ausflugslokal in Niephagen wird nur noch von Abfallsündern besucht Toter Tanztempel: Müllhalde Waldschlösschen

Von Marco Heide 14.11.2014, 02:15

Der Glanz vergangener Jahre ist schon lange einem tristen Grau gewichen. Das trifft auf viele Bauwerke in der Altmark zu. Die Volksstimme widmet sich in ihrer neuen Serie "Vergessene Orte" diesen Plätzen.

Niephagen l Das Waldschlösschen in Niephagen war zu DDR-Zeiten eines der beliebtesten Aufsflugslokale im Kreis Salzwedel. 25 Jahre nach dem Mauerfall liegt das komplette Objekt in Trümmern.

Bevor ich durch den Nebeneingang auf den Hof gelangen kann, muss ich durch einen Berg Müll waten. Fernseher, Schuhe, Computer, Reifen, Hemden, Matratzen - die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Eines wird mir auf den ersten Blick deutlich. Das Waldschlösschen verkommt zur Deponie.

Meine ersten Stationen sind die Nebengebäude, die sich hinter dem Haupthaus, das direkt an der L8 von Salzwedel nach Diesdorf steht, befinden. In der alten Küche, die nur noch an den gemauerten Arbeitsplatten und den Fliesen zu erkennen ist, klafft ein Loch im Dach. Der dort durchströmende Regen hat die Rigipsplatten an der Decke aufgeweicht, sodass diese heruntergeklatscht sind. In einem Nebenraum haben sich Sprayer breitgemacht und sorgen für einen der wenigen Farbtupfer in dem ansonsten trostlosen Gebäudekomplex.

Parkett mit Scherben übersät

Ich gehe weiter in das Haupthaus, werfe einen Blick in den ehemaligen Tanzsaal. Das Parkett ist mit Scherben übersät. Randalierer scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, die unzähligen Kugelleuchten an der Decke mit Steinen zu zerschießen. Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes ist viel demoliert. Parkett herausgerissen, Kamin und Kachelofen zertrümmert. Der Müll hält sich allerdings in Grenzen, wenn man die zerstörte Einrichtung ausblendet.

Im Obergeschoss sieht es ganz anders aus. Über eine Holztreppe, die auf den unteren Stufen mit Schutt beladen ist, wage ich mich hoch. Von einem langen Flur zweigen beidseitig Zimmer ab. Die Tapete fällt in den Räumen von den Wänden, und auf dem Boden liegen flächendeckend Hosen, Unterwäsche, Hemden, Damen- und Herrenschuhe.

In einem Raum, der früher einmal das Bad war, sind Medikamente auf dem Boden verstreut. Doch als ich das Zimmer betrete, richtet sich mein Blick ziemlich schnell nach oben. An der Wand hängen zwei lebensgroße Poster von leichtbekleideten Frauen. Allerdings sind die Plakate ebenfalls reichlich ramponiert. Eigentlich schade.

Gespenstisches Licht- und Schattenspiel

Eine schmale Holztreppe führt mich direkt auf den Dachboden. Durch die kleinen Fenster fällt Tageslicht und sorgt für gespenstisches Licht- und Schattenspiel. Von den Balken hängen unzählige dünne Stricke herab. "Wofür waren die, wurde hier früher Tabak getrocknet?", frage ich mich.

Im Erdgeschoss angelangt, sehe ich etwas versteckt in einer Ecke eine Tür, die zum Keller führt. In der Treppe fehlen zwei Stufen komplett. Vorsichtig taste ich mich vor. Trete immer ganz dicht am Rand auf die Stufen. Unten angekommen, sehe ich das freiliegende Feldsteinfundament. Aufrecht stehen ist nicht möglich, da die beiden Kellerräume maximal 1,50 Meter hoch sind. Auf dem Boden stehen Einweckgläser. Das ist der ordentlichste Ort, den ich im gesamten Waldschlösschen gefunden habe. Ich mache mich auf den Weg nach oben, verlasse das Hauptgebäude, und als ich die Reifenberge im Innenhof und den Müll, der den Nebeneingang blockiert, hinter mir gelassen habe, versuche ich mir vorzustellen, wie schön es hier einst gewesen sein muss. Ich habe es bei dem Anblick nicht geschafft.

Weitere Fotos unter www.volksstimme.de/salzwedel