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Amtsgericht verhandelt wegen des Vorwurfes räuberischer Erpressung Drohgebärden in Salzwedel nach drei Linien Koks

Von Philip Najdzion 04.04.2012, 03:21

Ein 22-Jähriger und ein 35-Jähriger müssen sich seit gestern vor dem Salzwedeler Amtsgericht verantworten. Der Vorwurf: räuberische Erpressung. Sie sollen einen Salzwedeler bedroht haben, um an Geld zu kommen.

Salzwedel l Es steht einiges auf dem Spiel für Nikolas G. (Namen geändert). Gerade erst ist der junge Salzwedeler Papa geworden. Angespannt sitzt der 22-Jährige nun auf der Anklagebank des Salzwedeler Amtsgerichtes. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: räuberische Erpessung.

Er soll seinen Bekannten Stefan P. bedroht haben, mit dem Ziel, 3000 Euro von ihm zu bekommen. Einmal im Februar 2011 im "Löwenherz". Das zweite Mal - gemeinsam mit dem Mitangeklagten Micha H. etwa zwei Monate später. Nikolas G. stand zu der Zeit unter Bewährung.

Der Hintergrund: Nikolas G. und Stefan P. waren für den Brandanschlag im Salzwedeler Vita-Heim vom November 2007 verurteilt worden. Zu Unrecht meint Nikolas G. in seinem Fall. Er warf Stefan P. eine Falschaussage vor, legte Berufung ein und scheiterte. "Er (Anmerkung der Redaktion: Stefan P.) war es, und deshalb bin ich der Meinung, dass ich ein Recht auf das Geld habe", sagt der Angeklagte. Denn aufgrund des Urteils habe er Verbindlichkeiten von etwa 3000 Euro gehabt.

Im Februar 2011 sei Stefan P. im "Löwenherz" auf ihn zugekommen, wollte reden. ",Es tut mir leid. Ich musste an meine Zukunft denken\', hat er gesagt", erklärt Nikolas G. Stefan P. hätte ihm Geld angeboten als Ausgleich sozusagen für dessen mutmaßliche Falschaussage.

Stefan P. erzählt die Situation gestern anders: Nikolas G. habe ihm gedroht, er kenne Leute, die Stefan P. gefährlich werden könnten. Deshalb habe er sich bereit erklärt, 1300 Euro zu zahlen, sagt Stefan P. Seinerzeit habe er das Geld nicht aufbringen können und Nikolas G. vetröstet.

Es folgten ein zufälliges Treffen bei McDonalds und SMS-Kontakte. Dann im April 2011 ergab sich folgende Situation Vor dem Lüchower Tor. Stefan P. stellte dort sein Auto ab. Dann bemerkte er Nikolas G. und einen Begleiter. Sie kamen zu ihm. Ob er bei deren Ankunft bereits im Auto saß oder erst später, darüber gehen die Aussagen auseinander.

"Er sollte einfach nur dastehen, breit aussehen"

Angeklagter Nikolas G.

Nikolas G. sprach ihn an, wollte mit ihm über das Geld reden. Plötzlich sei es um 3000 Euro gegangen, meint Stefan P. "1300 Euro, mehr kriegst du nicht", habe er zu ihm gesagt, erzählt Stefan P. Nikolas G. ließ von ihm ab.

Nun folgte der Auftritt von dessen Begleiter Micha H. Er trat an das Auto heran. Als Stefan P. wegfahren wollte, trat er wohl gegen das Rücklicht. "Aber nur leicht mit der Fußspitze", fügt Micha H. hinzu. Dabei riss wohl aber das Rücklicht. Zuvor habe er lediglich an die Scheibe "gepocht", ließ Micha H. über seinen Anwalt erklären. Das erzählt Stefan P. anders, und in einem vorherigen Protokoll hatte Micha H. selber ausgesagt, dass er froh gewesen sei, dass die Scheibe heil geblieben war.

"Er sollte einfach nur dastehen und breit aussehen", sagt Nikolas G. zu Sinn und Zweck der Begleitung. Alles weitere sei Micha H. geschuldet, distanziert der Anwalt von Nikolas G. Stefan P. belastet dessen Mandanten schwer, er sagt aus, dass dieser Micha H. mit einem Blick sozusagen das Okay für die Aktion gegeben haben soll.

Micha H. lässt über seinen Anwalt mitteilen, dass er lediglich seiner damaligen Freundin imponieren wollte. Zuvor habe er "drei Linien Koks gezogen", gibt der 33-Jährige den Konsum der Droge Kokain zu.

"Sie sehen ja, was das für ein Bullterrier ist"

Zeuge Stefan P.

Wie auch immer - Stefan P. bekam wohl Angst. "Sie sehen ja, was das für ein Bullterrier ist", sagt Stefan P. Als Zeuge will der 26-jährige Salzwedeler sogar seine Aussage verweigern. "Weil ich Angst habe, dass mir nachts mal was passiert", sagt er.

Micha H. hat breite Schultern, wirkt sehr muskulös. Dann liest Richter Klaus Hüttermann dessen Vorstrafenkatalog vor. Neben Betäubungsmitteldelikten saß der 33-Jährige fast fünf Jahre wegen schwerer räuberischer Erpressung im Gefängnis.

Nun ist er erneut wegen räuberischer Erpressung angeklagt. Die Staatsanwältin fordert ein Jahr und vier Monate Haft ohne Bewährung. Nikolas G. soll zudem für ein Jahr und zehn Monate ins Gefängnis. Eine weitere Anklage gegen ihn wurde fallengelassen. Ihm wurde vorgeworfen, auf dem Gelände eines Bildungsträgers Neonazisymbole gekritzelt zu haben. Doch dafür fanden sich keine Beweise. Resultat: Freispruch.

So einfach stellt sich die Lage für die Beteiligten in dem anderen Fall nicht dar. Denn nach Auffassung der beiden Rechtsanwälte handelte es sich bei den Taten vom April um versuchte Nötigung.

Für eine räuberische Erpressung hätte Nikolas G. eine Forderung verfolgen müssen, von der er wusste, dass diese nicht bestand, sagt sein Anwalt Hartmut Pawlitzki. "Er meinte, den Anpruch zu haben", sagt Pawlitzki. Weil sein Mandat überzeugt gewesen sei, dass er zu Unrecht verurteilt worden sei, begründete Hartmut Pawlitzki.

Diese Art von "Selbsthilfe" könne er durchaus nachvollziehen. Heute wisse sein Mandant allerdings, "dass man sowas nicht machen darf", sagt Pawlitzki.

Zudem äußerte er Zweifel an der Bedrohungssituation von Stefan P. "Dafür, dass er Angst gehabt hat, ist er mit der Situation sehr ruhig umgegangen", sagt der Anwalt. "So richtig dramatisch kann es nicht gewesen sein", fügt er hinzu.

Hartmut Pawlitzki schlug für seinen Mandanten Nikolas G. eine Strafe von sechs Monaten vor. Stephan Bonell schlug eine Strafe von unter einem Jahr für Micha H. vor. Beide Strafen sollten zur Bewährung ausgesetzt werden, so die Meinung der Verteidiger.

Die Schöffen und Richter Klaus Hüttermann müssen nun entscheiden. Das Urteil gegen die beiden Angeklagten soll am 17. April verkündet werden.