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Anwohner stellen Essen und Trinken für die Einsatzkräfte zur Verfügung In Frohse wird der Grill nicht kalt

13.06.2013, 01:13

Seit Donnerstag läuft im Stremsgraben in Frohse der Grill. Auf 100 Kilogramm Holzkohle brutzelten die Anwohner 1000 Würstchen und 200 Steaks für die Helfer von Technischem Hilfswerk (THW) und Feuerwehr. Und das, obwohl die Keller ihrer Wohnungen meist auch unter Wasser standen.

Frohse l Das Wasser hatte den Ortsteil Frohse am Wochenende fest im Griff. Gleich an mehreren Fronten kämpften Einwohner Seite an Seite mit dem THW und der Feuerwehr gegen die Fluten. Seit Dienstag hat sich die Lage stabilisiert. Sandsackwälle und laufende Pumpen erinnern noch an die Stellen, an denen das Wasser teils hüfthoch stand. Über allem liegt nicht etwa der Schlammgestank, der sich jetzt an vielen Ecken Schönebecks breit macht. Hier riecht es nach frisch gegrillten Würstchen und Erbsensuppe.

Zuerst Frau und Kind, dann den Grill gerettet

"Irgendwer musste die Helfer ja versorgen", sagt Karsten Hellrung mit Sarkasmus in der Stimme. Er wohnt am Stremsgraben und ist selbst direkt vom Hochwasser betroffen. "Mein Keller steht voll", berichtet er. Nachdem er seine Frau und sein Kind bei den Urgroßeltern in Naumburg in Sicherheit gebracht hatte, wollte er nächstes seinen Grill retten. "Und da hab ich dann gedacht, ich kann den auch einfach anschmeißen." Aus eigener Tasche investierte er zunächst 50 Euro in Würstchen und Kohle. Die Einsatzkräfte von drei Einheiten des THW aus dem Münsterland sowie die Werksfeuerwehr von Miele arbeiteten vor Ort unermüdlich. "Aber die Versorgung war am Anfang sehr schleppend", erzählt Peter Bargus vom THW Lüdinghausen. Karsten Hellrung hat die Lage noch anders wahr genommen. "Die Einsatzkräfte waren kurz davor, einfach abzuhauen", sagt er. Das änderte sich schnell, nachdem der Nachbarschafts-Imbiss erst mal richtig ins Rollen gekommen war. "Nach und nach kamen die anderen Anwohner dazu und gaben mir Geld." Viele blieben auch gleich da und sitzen seitdem oft mit an den herbeigetragenen Gartentischen.

1000 Würstchen, 200 Steaks und 100 Kilogramm Holzkohle

Insgesamt kamen rund 1000 Euro zusammen. Die wurden nicht nur vergrillt. So schmierten die Frauen vom Stremsgraben jeden Morgen rund 80 Brötchen für die Helfer. Auch Erbsensuppe in rauen Mengen war vorhanden. Auf dem Grill landeten insgesamt knapp 1000 Würstchen und 200 Steaks. Dazu verglühten rund 100 Kilogramm Holzkohle. "Wir haben noch nie so eine tolle Versorgung gehabt", sagt Peter Bargus. Die Freiwilligen sind teilweise auch nach ihrer Dienstzeit in Frohse geblieben. Die Adressen sind schon ausgetauscht, so dass der Kontakt auch dann bestehen bleiben kann, wenn das Hochwasser längst vorbei ist. "Abends haben wir dann auch zusammen gesungen", sagt Hellrung und schwelgt mit einem Lächeln im Gesicht in Erinnerung.

Um den freiwilligen Helfern am Stremsgraben etwas zurück zu geben, baute die Werksfeuerwehr von Miele ein Notstromaggregat auf. Das sorgt jetzt neben dem Grill auch für Musik. Außerdem bietet es den Menschen eine Möglichkeit, auch mal die Handys aufzuladen. Denn der Strom ist seit Donnerstag abgestellt.

Frohse wurde vergessen, so der Eindruck der Anwohner

"Wir haben dann bei der Stadt um Informationen gebeten, aber da kam nicht wirklich was", sagt er rückblickend. Alles, was den Leuten an Hilfe zur Verfügung stand, haben sie sich privat organisiert, so auch Sandsäcke, Pumpen und Notstromaggregate. "Wir haben uns von der Stadt alleine gelassen gefühlt", so Hellrung. Es sei der Eindruck entstanden, dass man Frohse vergessen hätte. So hieß es, dass der Stadtteil keinen Sand zur Verfügung gestellt bekommt.

Über den eigenen Schaden kann Karsten Hellrung nur spekulieren. Sein Haus steht direkt an der Elbe, der Keller ist voll gelaufen. "Dort ist die Heizung jetzt kaputt und noch vieles mehr", sagt er. Eine vorsichtige Schätzung beläuft sich auf 40 000 bis 50 000 Euro.

Bis alles wieder in normalen Bahnen läuft, halten die Frohsianer ihren Grill aber noch am Laufen. "Hier wird erst geschlossen, wenn die Einsatzkräfte weg sind."