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Übersetzung des Barbyer Lehnbuches Gräfliche Beamte schrieben wie ihnen der Schnabel gewachsen war

Von Thomas Linßner 07.01.2011, 05:25

Die Schreiber des Mittelalters waren angesehene und gebildete Leute. Wie sie in einer Zeit, wo so geschrieben wurde, wie man redete, die Sprache beeinflussten, wird in einem Buch von Dr. Jörn Weinert deutlich. Zu den Werken des Zuchauer Germanisten zählt die "Übersetzung" des Barbyer Lehnbuchs.

Zuchau/Barby. "Mathias Lauwe von grossen muhlingen ist belegen am mitwochen nach Katharine mit eynem won hofe do selbst ist czinset der herschafft des jors ij (2) hüner vnd der kortmannschen iij (3) gr. Idem eynem wusten houff." So notierte es ein Schreiber aus Kahla (Thüringen) im Barbyer Lehnbuch, das von 1494 bis 1507 geführt wurde.

Johannes macht aus "Wiese" eine "Wesse"

Der heutige Geschäftsführer des Landesheimatbundes las schon als Student für germanische Sprache und Literaturwissenschaft dieses komplizierte und antiquierte Deutsch wie einen Text aus der Zeitung. Man muss dazu wissen, das die Herren Schreiber eine mehr oder weniger ausgeschriebene Handschrift hatten, die in der Tat übersetzt werden muss. Das Barbyer Lehnbuch ist im weitesten Sinne mit einem heutigen Grundbuch vergleichbar, in dem Besitz registriert wurde.

Im Original, das sich im Landesarchiv Magdeburg befindet, sind 300 Einträge von Bürgern aus Zerbst, Magdeburg, Schönebeck und natürlich Barby vorhanden. Nicht alle diese Orte gehörten zur kleinen Grafschaft. Die Fremden hatten, wie heute mancher Deutsche einen Flecken in Mallorca, Land in und um Barby. Und weil es im deutschen Beamtentum auch schon im Mittelalter peinlich genau zuging, wurde alles registriert, was mit Besitz und Geld zusammenhing.

Wenn heute saftige Gebühren für alle möglichen amtlichen Eintragungen berappt werden müssen, beglich man damals die Dienstleistung auch mit Naturalien. Bezahlt wurde außer mit Geld mit gackernden Hühnern, Bierfässern oder Tischlaken …

Neun Schreiber drückten ihren Federkiel zwischen 1494 und 1507 auf das handgeschöpfte Papier. Darunter ist auch Johannes von Erfurth, der in thüringischer Mundart schrieb. So wird aus "Wiese" "Wesse", aus "bitte" "bette". Wie Jörn Weinert sagt, sei das kein Einzelfall. Die meisten Schreiber der Grafen von Barby kamen aus dem Süden und beeinflussten mit ihrer Mundart die offizielle Sprache am Hof.

Wie wir uns heutzutage vor Anglizismen nicht retten können, geschah es vor 500 Jahren ähnlich. Damals kopierte man, was man bewunderte. Die paar Barbyer Schreiber passten sich den schriftgelehrten Herren an und kopierten sie. So veränderte sich auch die Sprache. Jeder schrieb wie er wollte, bis Luther mit seiner Bibelübersetzung eine Sprach-Orientierung schuf.

Barbyer Grafen hatten auch im Harz Besitz

Im Lehnbuch werden Besitzungen der Barbyer Grafen in Rosenburg, Dornbock, Walternienburg, Eickendorf, Felgeleben sowie Streubesitz bei Halle, dem Harz oder der Altmark genannt. 98 Seiten sind es, beidseitig beschrieben.

Für die Heimatforschung ist wertvoll, dass neben heute noch bekannten Orten auch zahlreiche Wüstungen genannt werden. Jörn Weinert entdeckte zehn Wüstungsbezeichnungen, die ihm zuvor unbekannt waren. Dazu zählen Padewebe bei Sachsendorf oder Zuchelitz bei Colno.

Wie bei Wüstungen oft, lebt der Name des einstigen Dorfes bis in die heutige Zeit weiter, ohne dass sich viele Einheimische über den Ursprung im klaren sind. Die Gemarkung westlich von Colno wird heute als Zieglitzer Berg bezeichnet. Aus Zuchelitz wurde im Laufe der Jahrhunderte eben Zieglitz. Auf Luftaufnahmen erkennt man Formen einstiger Bebauung.

Im Raum Barby werden nur vier bewohnte Orte genannt: Barby, Tornitz, Werkleitz und Pömmelte. Dem gegenüber stehen 36 Wüstungen. Die weitverbreitete Mär, dass die meisten Dörfer unserer Gegend im Dreißigjährigen Krieg wüst wurden, kann auch anhand des Lehnbuchs nachgewiesen werden. Oft sind es das Hochwasser, Seuchen oder einfach der bessere Schutz in einer befestigten Stadt, die die Menschen zur Aufgabe ihres Dorfes bewegten.

So steht im Lehnbuch geschrieben, dass in Barby 1497 die Syphilis (!), 1505 die Pest grassierten.

Das Buch gibt es auch im Foyer der Barbyer Stadtverwaltung, wo ein reiches Sortiment an Regionalliteratur und Broschüren angeboten wird.