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Energieversorger Avacon beauftragt Potsdamer Graffiti-Künstler zum Besprühen von Stationen Wenn auf dem Trafo die Pflaumen blühen

Von Thomas Linßner 10.07.2014, 03:22

Trafohäuschen sind unscheinbar. Sie sind farblich unauffällig gehalten, nicht selten haben Hobby-Sprayer ihre Spuren darauf hinterlassen. Im Verbreitungsgebiet des Energieversorgers Avacon werden diese hässlichen Entlein weniger. Nach Calbes Magdeburger Straße veredelten Potsdamer Profi-Sprayer jetzt eine Station in Barbys Beckmannstraße.

Barby l Nicht nur lateinkundige Botaniker dürften entzückt sein: "Blut-Pflaume, Prunus cerasifera Nigra", steht auf dem Trafohäuschen, dessen Inneres 20 Kilovolt auf haushaltstaugliche 230/400 Volt herunter spannt. Vor wenigen Tagen war diese unscheinbare Box ein Industriebauteil wie jedes andere. Doch jetzt ist es Kunst.

Jedenfalls, wenn Kunst von Können kommt.

250 Edel-Stationen

Avacon hatte die Potsdamer Firma art-efx beauftragt, die Station zu veredeln. "Seit fünf Jahren machen wir das", sagt Kommunalreferent Thomas Braumann. Bisher seien rund 250 Avacon-Stationen auf diese Weise gestaltet worden. Was bei der Bevölkerung gut ankomme und zudem noch Schutz vor unliebsamen Schmierereien biete, denn gemäß eines Ehrenkodexes in der Sprüherszene würden einmal bemalte Objekte nicht wieder mit Graffiti beschmiert. Was freilich nur für die Könner gilt. Laienhafte Möchtegernkünstler würden auch hier die Baumarkt-Dose ansetzen. Doch das sei die Ausnahme.

Aber warum ausgerechnet eine Blutpflaume?

Das Konzept der Profi-Sprayer: Jedes Motiv soll einen Bezug zur unmittelbaren Umgebung haben oder einen Kontrapunkt setzen. "Wir gucken uns vorher das Umfeld genau an", erklärt Sprayer Hendrik Unterwedde. Zusammen mit seinem Kollegen Daniel Seering war er einen Tag lang in Barby und Calbe unterwegs. "Hier in der Beckmannstraße fielen uns mehrere Blutpflaumenbäume auf, die aus dem allgemeinen Grün heraus stechen." Sie wurden Mitte der 1990er Jahre gepflanzt, als die Würfelhäuser des Sozialen Wohnungsbaus an dieser Stelle errichtet wurden, die der Volksmund "Lego-Land" nennt.

Also zeigt die Station seit wenigen Tagen schöne Blüten mit den für diese Sorte üblichen bräunlichen Blättern. Sie gehört zu jenen "Umspannern", die im vergangenen Juni abgeschaltet werden mussten, weil Drängewasser zu Kurzschlüssen geführt hätte. Deswegen wurde auch die Station Beckmannstraße höher gesetzt.

Schnell und kreativ

Die Potsdamer Graffiti-Künstler erarbeiten vorher eine maßstabsgerechte Skizze. Danach werden die Motive auf dem Objekt skizziert und mehrlagig gesprüht. Laut Hendrik Unterwedde stehen dafür 250 (!) unterschiedliche Farbtöne bereit. In dem kleinen Firmentransporter stecken die Dosen in Halterungen, wie Kartuschen in einer Stalinorgel. Pro Spraydose stehen fünf verschiedene Sprühköpfe bereit, die vom feinen Pinselstrich bis zum vier Zentimeter starken Flächenstrahl können.

Thomas Braumann unterstreicht die unkomplizierte Zusammenarbeit mit den Potsdamern, die sich "schnell und kreativ" auf die Wünsche des Energieversorgers einstellen würden. Mittlerweile gehöre Avacon zu den größten Kunden von art-efx.

Aber kommen irgendwann auch die größeren, gemauerten Stationen aus DDR-Tagen in den heiteren Kunstgenuss? So eine, wie am Barbyer Colphuser Platz steht, an der sich die Nachwuchskrakler ausprobierten? "Vielleicht später einmal", will sich Thomas Braumann nicht festlegen. Denn die alten Stationen haben eine wesentlich größere Fläche, was selbstverständlich auch die Kunst-Kosten in die Höhe treibe.