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Harald Tandler erforscht die Braunkohlebergbau-Geschichte der Region Vom Hauptbuchhalter zum Bergbauhistoriker

Von Thomas Linßner 10.10.2014, 03:05

Aus der Luft wirkt die Gegend um den Tornitzer Ortsteil Grube Alfred wie ein Schweizer Käse. Schuld daran ist der jahrzehntelange Braunkohleabbau. Dessen Geschichte ist seit Jahren Harald Tandler aus Calbe auf der Spur.

Tornitz-GrubeAlfred/Calbe l Harald Tandler ist fit in Sachen Computer. Der 80-Jährige legt auf dem Bildschirm virtuell mehrere Fotos übereinander, die eine geologische Karte von 1912 mit einer aktuellen Satellitenaufnahme vergleichen. Darauf wird deutlich, wie genau die Topografen zu Kaisers Zeiten bereits arbeiteten.

Die Teiche der Grube Alfred sind heute ein schönes Biotop und Refugium zahlreicher Angler.

Bedeutende Grube

Wo man bis zum Jahre 1864 Getreide und Rüben erntete, wurde später bis 1915 Kohle untertägig abgebaut. Die Bergunternehmer-Familie Douglas aus Aschersleben gründete den Abbau in der Nähe der Bahnstrecke Magdeburg-Halle. Laut Tandler hatte das Flöz am Maschinenschacht Alfred eine Mächtigkeit bis zu 14,9 Meter. Am Seehof und dem heutigen Erlenteich war das Flöz mit 23 und 27,5 Meter fast doppelt so mächtig. Auch der Calbenser Historiker Dieter Steinmetz schreibt: "Diese Grube wurde eine der bedeutendsten Braunkohlen-Tiefbau-Gruben Deutschlands. 1889 förderten die Bergleute aus Calbe und Umgebung täglich 683 Tonnen Roh-Braunkohle."

1915 wurde die bislang prosperierende Grube "Alfred" geschlossen und 260 Bergleute arbeitslos, was Hunger und Not für rund 1000 Menschen in Calbe, Tornitz und Umgebung bedeutete. Die Legende entstand, der Besitzer, Hugo Sholto Oskar Georg Graf von Douglas, habe als Angehöriger eines alten schottisch-schwedischen Geschlechtes die Schließung der Grube im Krieg aus politischen Gründen angeordnet. In Wahrheit war der Graf da schon drei Jahre tot, und die Aufgabe der Grube durch die Douglassche Familien-Verwaltung geschah aus Rentabilitätsgründen.

Graf von Douglas starb im Alter von 75 Jahren 1912 in Berlin und wurde in Ralswiek unweit seines Herrenhauses begraben.

Durch den Wassereinbruch in die Schächte entstanden die Senkteiche Seehof, Erlenteich, Grüner Teich, Beamtenteich und Pappelteich. Die kleine Siedlung trägt heute den Namen "Grube Alfred" und gehört zu Tornitz.

Harald Tandler beschreibt die Tiefe der Maschinenschächte zwischen 41 und 48,5 Meter. Der Abbau der Kohle war stets von Wassereinbrüchen bedroht. Um sie im Rahmen zu halten, war besonders eine Leistung in "vorelektrischer" Zeit bemerkenswert. An Strom aus einem Generator geschweige denn eines Freileitungsnetzes war bei der ersten Abteufung 1864 freilich noch nicht zu denken.

Der 80-jährige Tandler recherchierte in Archiven, befragte befreundete Heimatgeschichtler. Dabei bekam er heraus, dass es bereits 1905 eine Badeanstalt im Beamtenteich gab. Zehn Jahre zuvor war der Schacht aufgegeben worden.

Oder er stieß auf Unterlagen einer Pferdebahn, die die Kohle bis zum Calbenser Kuhberg transportierte.

Schicksalsangebot

Harald Tandler war Hauptbuchhalter im Dieselmotorenwerk/Traktorenwerk Schönebeck, half nach der Wende bei der Entflechtung beider Betriebe. Warum er sich als Rentner 2008 mit Bergbaugeschichte zu befassen begann, liegt vielleicht an einem Schicksalsangebot: Tandlers Haus steht unweit des Calbenser Karl-Schröter-Schachtes, dessen Senkungsgebiete hinter seinem Garten zu sehen sind. In diesem Zusammenhang sei ein weiteres Hobby des gebürtigen Sudetenländers genannt: Er dreht Videos und bearbeitet sie. Von großem Wert sind solche, in denen Zeitzeugen zu Wort kommen. So die beiden Hauer Eckhard Fischer und Helmut Wormann, die ihre Arbeit im Schröterschacht in den 50er Jahren beschreiben.

Harald Tandlers Schrift "Grube Alfred und ihre Geschichte" übergab er auch der Calbenser Heimatstube.