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Maler kam dazu, als eines seiner Werke beinahe "entsorgt" wurde / Neues Domizil für Kunstwerk gesucht Hans Both rettet sein eigenes Ölbild

Von Thomas Linßner 14.11.2014, 02:20

Der Calbenser Maler Hans Both hat sich selbst gefunden und gerettet. Besser gesagt ein Bild von sich, das er einst im Auftrag des VEB Traktorenwerk Schönebeck schuf. Anfang der 1990er Jahre kam er gerade dazu, als das Werk I an der Friedrichstraße abgerissen wurde.

Calbe l "Hans Both (*16. April 1935 in Lautern) ist ein deutscher Ingenieur und volkstümlicher Künstler (Maler, Grafiker und Kunsthandwerker)." So steht es im Internet-Lexikon Wikipedia. Mit den Autoren müsste man mal über den Begriff "volkstümlicher Künstler" diskutieren ... Doch das nur nebenbei, damit der geneigte Leser eine Ahnung bekommt, mit wem er es zu tun hat.

Einleitend erzählt werden soll folgende Geschichte: 1985 bekommt Hans Both von der Betriebsleitung des Traktorenwerkes den Auftrag, ein Bild zu malen. Dort verdient er seine Brötchen als Konstrukteur. Man bittet ihn, ein "passendes Bild" für den Speiseraum des Traktorenwerkes I zu malen, der an der Friedrichstraße ist. "Passend" deswegen, weil das Bild in ein überflüssiges Fenster mit Bogenform eingefügt werden soll.

Ein interessanter Ort, findet Hans Both, nimmt Maß, besorgt sich Sperrholz und macht die ersten Skizzen. Den Auftraggebern ist es egal, welches Motiv der Maler wählt. Man vertraut seinem Gefühl für den Ort.

Both entscheidet sich für eine Hochzeitsgesellschaft. Ein unpolitisches, charmantes Thema, das wohl jeden Werktätigen anspricht. (Es sei denn, er hat sein dritte Scheidung hinter sich.)

Das fertige Werk besteht schließlich aus drei Teilen und zeigt eine gut gelaunte Hochzeitsgesellschaft.

Die Braut, die schöne ...

Der Bräutigam erhebt das Glas, eine Kellnerin trägt Nachschub auf dem Tablett herbei, in der Mitte des Bildes prangt ein schöner Wiesenblumenstrauß auf weißem Tafeltuch. Daneben ist ein Teller mit Früchten zu sehen. "Na ja", denkt Both, als er seine Skizzen macht, "Bananen und Weintrauben sind nicht unbedingt typisch für einen VEB-Kulturraum." Aber dennoch. Schließlich ist er Künstler. Da darf man das. Die Südfrüchte dominieren letztlich nicht das Gemälde.

Das tut die Braut in weißem Kleid, die hell leuchtend wie ein Engel die Blicke auf sich zieht. Hinter ihr steht ein Geiger, der Ähnlichkeit mit dem Maler hat. Vor ihm ein Herr mit Glatze, der ein bisschen aussieht, als hätte er die Dienste der Kellnerin schon ziemlich oft in Anspruch genommen.

Hochzeit, eben.

Als das aufwändige Ölbild 1985 schließlich installiert wird, ahnt noch niemand, dass es keine zehn Jahre hängen wird. Anfang der 1990er Jahre "baut" man das Traktorenwerk I "zurück", wie man nun sagt, wenn der Bagger kommt.

Wie es der Zufall will, kommt auch Hans Both gerade des Weges, als Handwerker das Bild aus der Fensternische abnehmen. Die Männer sind die Abriss-Vorhut. Der sonst so besonnene Hans Both lässt sich mit einiger (innerer) Aufregung die Telefonnummer des obersten Rückbauers geben. Der gesteht, andere Sorgen zu haben, als behutsam mit Sperrholzbildern aus DDR-Tagen umzugehen.

"Nehmen Sie es mit, nehmen Sie es mit", gestattet er Both. So lange es keine wertvollen Kupferleitungen oder Bleirohre sind, die der Mann da haben will, sondern "nur Kunst", ist ihm alles egal.

Erleichtert schnappt sich Both die Tafeln und bringt sie nach Hause. Dort stehen sie noch immer: die schöne Braut, der Prostende, der Glatzkopf mit dem entrückten Blick...

"Eigentlich ist es schade drum", denkt Hans Both, "wenn das Bild in meinem Atelier ein Dornröschendasein fristet." Schließlich wurde es vor fast drei Jahrzehnten geschaffen, um den Menschen Freude zu bereiten.

Deswegen denkt der 79-Jährige darüber nach, wem er es als (Dauer-) Leihgabe zur Verfügung stellen könnte. Es müsste ein Ort sein, der den Menschen Freude macht.

Man wird sehen.

Einen Querschnitt seines Schaffens kann man übrigens bis Ende des Jahres im Calbenser Krankenhaus der Arbeiterwohlfahrt betrachten.