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Gemeinschafts-Projekt widmet sich in Hecklingen einem sensiblen Thema und soll Mut machen Workshops zeigen: Wenn die Psyche erkrankt, ist der Weg zurück ins Leben nicht aussichtslos

Von Nora Stuhr 21.05.2012, 05:30

Wenn die Psyche erkrankt, ist der Weg ins Leben zurück keinesfalls aussichtslos. Das hat ein Projekt in Hecklingen deutlich gemacht. Betroffene, Therapeuten und Pädagogen sprachen ganz offen, über ein sensibles Thema das nicht selten tabuisiert wird.

Hecklingen l Matze macht seine Lehre, dann lernt er Rocky kennen und plötzlich ändert sich sein Leben. Partys, Drogen, Alkohol. Immer und immer wieder bringt sein Kumpel ihn damit in Kontakt, bis nur noch der Arzt helfen kann. Anweisungen Medikamente ohne Alkohol und Drogen zu nehmen, nimmt Matze nicht ernst. Halluzinationen folgen, er landet in einer Fachklinik für Psychiatrie.

Die frei erfundene Geschichte ist hier aber noch nicht zu Ende. Ein Laienspiel mit Puppen verriet Bewohnern der Hecklinger Wohnstätte "Am Wachtberg", wo Menschen mit einer psychischen Erkrankung leben, und Besuchern der Staßfurter Tagesstätte für seelisch behinderte Menschen, was danach mit Matze geschieht.

Das Ganze war Teil einer Projektwoche, die die beiden Häuser der Lebenshilfe zusammen im Hecklinger Therapiezentrum durchführten. Rund 50 Teilnehmer beteiligten sich.

Zum Motto "Anders! Aber nicht aussichtslos" standen ihnen an drei Tagen viele verschiedene praktische wie theoretische Angebote frei. Hierbei ging es in erster Linie darum, Erkenntnisse über die vielen verschiedenen Formen psychischer Erkrankungen - von Schizophrenie über Angststörungen und Zwangserkrankungen bis hin zum Thema Sucht und Depression - zusammenzutragen, über Ursachen zu sprechen und Behandlungsmöglichkeiten zusammen in der Gruppe zu diskutieren.

Dazu fanden beispielsweise Workshops statt. Jede Gruppe setzte sich gemeinsam mit dem Fachpersonal mit den verschiedenen Krankheitsbildern auseinander. "Auslöser für psychische Krankheiten können auch Schicksalsschläge, Unfälle oder Drogen sein." Auf die Ursachen angesprochen, nennt René Wullstein, Leiter der Hecklinger Wohnstätte, Beispiele. Das wurde weiterhin in Filmen deutlich. Fachlich hatten sich die Initiatoren zudem Unterstützung von Ärzten ins Haus geholt. Der Chefarzt der psychiatrischen Tagesklinik aus Staßfurt ging nach einem Vortrag auf Fragen der Zuhörer ein.

"Die Projektwoche soll auch ein Stück Aufklärungsarbeit leisten", bringt Wullstein ein weiteres Ansinnen auf den Punkt. Denn die Vorurteile gegenüber betroffenen Menschen seien nicht selten für die erkrankten Personen selbst sehr schwierig. "Sie sind genauso wie alle anderen auch, Teil der Gesellschaft." Daher soll die Projektwoche auch der Integration dienen und die Bewohner der Tagesstätte und Besucher der Tagesklinik können daraus viele Vorteile für sich selbst ziehen, weil sie sich selbst mit ihrem Krankheitsbild auseinandersetzen.

Offen wurde über Probleme, Fortschritte, aber auch Rückschläge, die jeder einzelne in den zurückliegenden Jahren erlebte, gesprochen. "Ich kenne jemanden. Er war sieben Jahre in der Wohnstätte in Hecklingen. Jetzt hat er eine Arbeit und hat es geschafft, allein zu leben." Die Wortmeldung einer jungen Frau in der Gesprächsrunde zeigt einmal mehr, dass es Perspektiven gibt. Sie selbst musste im Rahmen ihrer Behandlung schon einen Rückschlag hinnehmen. Ihr Ziel, wieder allein zu leben, hat sie aber nach wie vor nicht aus den Augen verloren. "Jeder Rückschlag macht einen auch ein bisschen stärker", spricht ihr ein Therapeut zu. Jetzt wisse sie, worauf sie zu achten habe, um nicht wieder die selben Fehler zu machen, sagt er aufmunternd in die Runde.

Und genau das sollte der Erfahrungsaustausch zeigen. René Wullstein: "Es ist nicht aussichtslos. Wir können Menschen wieder ins Leben helfen." Im geschützten Bereich biete die Lebenshilfe viele Formen der Unterstützung an, die dies langfristig ermöglichen können, nennt er die Außenwohngruppen, Werkstätten für seelisch behinderte Menschen und betreute Wohnformen.

Im Fall der eingangs erzählten Geschichte hat der junge Matze seinen Weg mit Hilfe einer Therapie wieder gefunden. Dass das mit vielen Hürden nicht einfach war, konnten die Zuhörer nachempfinden.

"Wir wollten damit zeigen, wie psychische Krankheiten entstehen können, welche Auswirkungen sie haben, auch auf das Umfeld und wie der Weg hinaus erfolgreich sein kann."