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Traditioneller Erinnerungsweg zum jüdischen Friedhof Stendaler Christen folgen dem Davidstern

Von Reinhard Opitz 10.11.2010, 04:17

Mehr als 60 Stendaler, vor allem Mitglieder der christlichen Kirchen, machten sich gestern auf den Erinnerungsweg zum jüdischen Friedhof. Dieser Gang durch die Innenstadt am Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938 hat in Stendal eine Tradition, die bis ins Jahr 1978 zurückreicht.

Stendal. Es sind die Stendaler Christen, die alljährlich am Abend des 9. November an das einst vielfältige, bis zu den Ursprüngen der Stadt zurückreichende jüdische Leben erinnern. Mit dem Völkermord der Nazis wurde es ausgelöscht. "Heute gibt es kaum jüdisches Leben in Stendal", sagte Pfarrer Tobias Eichenberg gestern auf dem Marktplatz zum Auftakt des Erinnerungsweges zum jüdischen Friedhof.

Mehr als 60 Stendaler waren dem Aufruf der Organisatoren der Ökumenischen Friedensdekade zu diesem traditionellen Gang am Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938 gefolgt. Unter ihnen Mitglieder der evangelischen Stadtgemeinde, der katholischen, der Vineyard- und der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde. Der von Polizeischutz begleitete Zug bewegte sich vom Marktplatz über den Ostwall und die nördliche Altstadt zum jüdischen Teil des Friedhofs, wo die Teilnehmer einen mit Kerzen beleuchteten Davidstern hinterließen. Hildegard Klien von der katholischen Gemeinde spielte auf der Klarinette ein christliches und ein jüdisches Stück. Der jüdische Friedhof war in den Tagen zuvor von Mitgliedern der Vineyard-Gemeinde in Ordnung gebracht worden.

Unterwegs an der Gedenktafel für die frühere Synagoge am Ostwall erinnerte Pfarrer Eichenberg an die Geschichte des noch heute existierenden Gebäudes. In der sogenannten Kristallnacht 1938 in Brand gesetzt, habe Feuerwehrhauptmann Paul Finke das Löschen des Feuers durch die Stendaler Wehr veranlasst. Die SA, die das unterbinden wollte, habe er mit den Worten überzeugt, dass sonst die Nachbarhäuser mit abbrennen würden.

In den Zug durch die Stadt reihte sich auch Karl-Heinrich Schroedter mit ein. Der Pfarrer, heute im Ruhestand, initiierte schon 1978 den ersten Gedenkweg der Jungen Gemeinde zum jüdischen Friedhof. Seitdem folgen Stendaler Christen alljährlich diesen Spuren.