1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Bilder erzählen Alltag deutscher Kriegsgefangener

Neue Ausstellung im Altmärkischen Museum / Wandmalereien im französischen Vandoeuvre wiederentdeckt Bilder erzählen Alltag deutscher Kriegsgefangener

Von Egmar Gebert 08.11.2010, 05:20

Stendal. Eine beeindruckende Ausstellung wird seit Sonn- abend im Altmärkischern Museum gezeigt. Es sind Fotografien großformatiger Bilder, die deutsche Kriegsgefangene 1945 auf die Wände eines Pferdestalles des Schlosses Charmois gemalt haben. Dieses Schloss samt dazugehörigem Bauernhof steht in der Weinbau-Stadt Vandoeuvre im Nordosten Frankreichs.

Zum Ende des zweiten Weltkriegs stationierte die US-Armee auf diesem Bauernhof eine der sogenannten "Labor Service Companys", bestehend aus rund 300 deutschen Kriegsgefangenen. Deren Aufgabe war es, den Alliierten logistische Hilfe zu leisten.

Leben im Lager sollte erträglicher werden

Trotz des Vorteils der festen Behausung – die meisten anderen Kriegsgefangenen waren in Zeltlagern untergebracht – blieb das Leben auch in der Company das von Kriegsgefangenen. Von deren Alltag, deren Träumen und Sehnsüchten erzählen die Bilder. Boote, deren Segel der Wind bläht, die Silhouette eines Rathauses, wie es in mancher deutschen Stadt zu finden ist, Gefangene, die hinter Vögeln herjagen, weil die Essensrationen nicht satt machen ... vieles davon mit humorvollen Details gewürzt. So tanzt auf einer der Wandmalereien das deutsche Schneewittchen mit Donald Duck und rennt an anderer Stelle ein Mann mit hervorquellenden Augen, eine Rolle Toilettenpapier hinter sich her ziehend, aus dem Bild heraus. Und immer wieder Mädchen, Frauengesichter.

Bilder, mit denen die Männer ihr Inhaftiertsein erträglicher zu machen versuchten. Symbolhaft für das Hoffen auf eine bessere Zukunft steht eine der Wandmalereien, auf der aus einem Radiolautsprecher heraus die Liedzeile zu lesen ist: "Es geht alles vorüber ...".

Wiederentdeckt wurden die Bilder, so war während der Ausstellungseröffnung vom Beigeordneten der Stadt Vandoeuvre, Manuel Donati, zu erfahren, als der zu zerfallen drohende Pferdestall 2009 für den Abriss vorbereitet wurde.

Französische Archäologen, Mitarbeiter der DRAC (Regionale Leitung für kulturelle Angelegenheiten), der Stadt Vandoeuvre und des deutschen Konsulats vereinte schnell das Ziel, die Wandmalereien zu erhalten. Sie wurden fotografiert, nachdem die Bilder (einige mehr als zwei mal drei Meter groß) zuvor durch Befeuchten der Wände besser sichtbar gemacht und teils auch aufgearbeitet worden waren, und zu dieser Ausstellung zusammengestellt.

Im Dezember vergangenen Jahres wurde sie erstmals in Lemgo gezeigt. Vandoeuvre ist eine der Partnerstädte von Lemgo – wie auch Stendal. Und so konnte die Stendaler Partnerschaftsgesellschaft die Bilderschau in Zusammenarbeit mit dem Altmärkischen Museum in die Hansestadt holen.

Im Künstlerhaus schließt sich der Kreis

Die Originale der Fotografien wird es in wenigen Monaten nicht mehr geben. Hinter der Fassade des alten Pferdestalls auf Schloss Charmois, die erhalten werden soll, wird ein neues Gebäude entstehen.

Für Manuel Donati schließt sich damit der Kreis der Geschichte: "Ein Künstler hat die Schlossanlage erbauen lassen und lebte dort, später dann waren deutsche Kriegsgefangene in dem Pferdestall untergebracht, die Künstlerisches hinterließen und nun wird ein Künstlerverein in dem neuen Haus an gleicher Stelle sein Zuhause finden."

Noch offen ist die Frage nach den Schöpfern der Bilder. Vielleicht, so die vage Hoffnung der Ausstellungsmacher, erkennt jemand die "Handschrift" eines der Künstler?

Im Altmärkischen Museum Stendal werden die Wandmalereien der deutschen Kriegsgefangenen aus Vandoeuvre noch bis Mitte Dezember zu sehen sein.