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Dietmar Wischmeyer trifft auf begeisterte Fans im Theater der Altmark Abrechnung mit dem Land der Bekloppten

Von Birgit Tyllack 10.12.2013, 01:08

Es war die kleine Sensation am Rande: Dietmar Wischmeyer hatte bereits den Stendaler Weihnachtmarkt besucht, obwohl der noch nicht eröffnet ist. Hier sorgte der Satiriker für einen ungewollten Lacher, ansonsten hatte er durchaus nicht unrecht mit seinen bösen Bemerkungen über Kleinstadtweihnachtsmärkte.

Stendal l Das Publikum im fast ausverkauften Großen Haus des Theaters kannte seinen Wischmeyer ganz genau. Oft wurde bereits nach einigen Worten gelacht und gejohlt, alle Kunstfiguren Wischmeyers, zum Beispiel Günther, der Treckerfahrer, oder der Kleine Tierfreund wurden begeistert gefeiert. Ganz klar: Dietmar Wischmeyer hat viele Fans. Und das bereits seit den 80er Jahren, als er seine Karriere bei Radio ffn als freier Mitarbeiter begann.

"Der Deutsche hat seine Mission erfüllt."

Mit seiner Tour "Deutsche Helden" füllt er zur Zeit Theater und Stadthallen des Landes, das er dann verbal genüsslich zerpflückt. Er lässt kaum ein gutes Haar an dem "Land der Bekloppten", wie er es nennt. Eigentlich nicht nur an den Deutschen, sondern am Menschen an sich. "Wie hält sich der Mensch nur gegenseitig aus?" fragt er gleich zu Beginn. Und prompt antwortet er mit einem entschiedenen "Gar nicht!"

Doch natürlich kennt er besonders gut die Marotten seiner Landsleute und gewährt ihnen eine genauere Betrachtung. Er berichtet von "Leuten, bei denen man sich fragt: "Hat Gott das gewollt, als er den Menschen schuf?" Man denke da zum Beispiel an die sogenannten Gutmenschen, die einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen wollen und deshalb vor ihrem jährlichen Tauchurlaub im Roten Meer den Kerosinverbrauch der Fluggesellschaften vergleichen. Oder an einige Bewohner unserer ländlichen Regionen, die sich aufführen "wie Neandertaler auf Droge" und dafür sogar noch Geld aus Brüssel bekommen.

Wischmeyer sinniert, was es über eine Gesellschaft aussagt, wenn der Darm in den Mittelpunkt des Interesses rückt. (Eine Tendenz, die man wunderbar an Werbesendungen ausmachen kann.) Die Deutschen kümmern sich um ihren Darm und ihre Ausscheidungen, während sie als Volk "abkratzen". Halb so schlimm, laut Wischmeyer, denn der Deutsche hat seine Mission auf der Erde erfüllt. Einen weiteren Ottomotor und eine weitere Relativitätstheorie wird er nicht erfinden. Und "einen 3. Weltkrieg werden die abgebrochenen Soziologiestudenten auch nicht anfangen."

"Man kann nach Hause, bevor man tot ist."

Ja, Wischmeyers Humor ist bitterböse und sehr schwarz. Und oft auch reichlich zotig. Aber seine Beiträge haben halt dieses oft zitierte Körnchen Wahrheit. Und wir Deutschen können - allen Unkenrufen zum Trotz - eines sehr gut: über uns selbst lachen. Wir lieben unsere Kleinstadtweihnachtsmärkte und erkennen doch den ihnen teilweise anhaftenden "suizidalen Charme". Ebenso wollen wir im Alter noch fit und durchtrainiert sein und lachen trotzdem über Wischmeyers Beschreibung dieser achtzigjährigen "Rennknorpel" auf ihren schnellen Fahrrädern.

Wischmeyers "Deutsche Helden" sorgten zwei Stunden lang für viel Heiterkeit am Sonntagabend. Es wäre interessant, festzustellen, wie viele Zuschauer im Anschluss noch "wohin gegangen" sind. In seiner Zugabe setzte sich Wischmeyer mit diesem "wohin", diesem "grusligsten Ort teutonischer Geselligkeit" auseinander. Warum, so fragte er, könne man nicht einfach nach Hause gehen nach einer Veranstaltung? Es sei ja schließlich nicht "wie in Stalingrad". Man könne doch nach Hause, bevor man tot sei. Bitterböse und sehr komisch bis zum Schluss.