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Vermeintlicher Betrug Stendaler unschuldig vor Gericht gelandet

Das Amtsgericht Stendal sprach einen ehemaligen Arbeitslosen frei vom
Vorwurf des Leistungsbetrugs. Mitarbeiter der Arbeitsbehörden
bestätigten, dass sich der Mann ordnungsgemäß in Arbeit abgemeldet
hatte. Die Verwaltungspanne scheint kein Einzelfall zu sein.

Von Wolfgang Biermann 02.08.2014, 01:20

Stendal l Alles richtig gemacht und trotzdem auf der Anklagebank? Fast wäre wegen interner Kommunikationsprobleme zwischen der Stendaler Agentur für Arbeit und dem Jobcenter, beide in der Stadtseeallee71 ansässig, ein Stendaler in dieser Woche unschuldig verurteilt worden.

Auch wenn der Prozess vor dem Amtsgericht Stendal für den 33 Jahre alten Hansestädter letztlich mit einem Freispruch "erster Klasse" (aus "tatsächlichen Gründen") endete, bleiben Fragen offen. Vor Gericht musste er sich jetzt des Vorwurfs des Leistungsbetruges "durch Unterlassen" erwehren. "Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen" sollte er sich angeblich von Juni bis September vorigen Jahres Leistungen der Agentur für Arbeit/Jobcenter in Höhe von 1754,09Euro erschlichen haben.

Arbeitsvermittler war telefonisch nicht erreichbar

Laut Anklage habe es der damals Arbeitslose verabsäumt, Arbeitsagentur und Jobcenter mitzuteilen, dass er wieder in Lohn und Brot ist. Ein Tangermünder Arbeitgeber, bei dem er schon hin und wieder gearbeitet habe, hätte ihm ganz kurzfristig einen Job angeboten, sagte der Angeklagte vor Gericht aus. Arbeitsantritt sollte der Tag nach dem Gespräch mit dem Arbeitgeber sein.

Am ersten Arbeitstag habe er eine Servicenummer mit Stendaler Vorwahl angerufen, "seinen" Vermittler konnte er nicht anrufen, weil er dafür die Durchwahl nicht besaß. Offenbar war er zunächst telefonisch in Halle gelandet. Man nannte ihm eine andere Rufnummer, ebenfalls mit Stendaler Vorwahl. Dort nahm man seine Meldung an und sagte, dass man sie weiterleiten werde. Doch das geschah nicht, jedenfalls nicht umfassend.

Erst eine Arbeitsvermittlerin aus dem Stendaler Jobcenter brachte als Zeugin Licht ins Dunkel. Beim Jobcenter sei die Arbeitsmeldung wohl nicht angekommen. Aber von der Arbeitsagentur sei sie viel später informiert worden, dass er sich fristgerecht im Juni wieder in Arbeit gemeldet hatte.

Warum Anzeige erfolgte, blieb vor Gericht unklar

"Das ist kein Einzelfall", wusste die Zeugin zu berichten. Wahrscheinlich sei der zweite Anruf des Angeklagten in Magdeburg gelandet und die Meldung nicht an das Jobcenter Stendal, sondern nur an die Arbeitsagentur Stendal weitergeleitet worden. Das würde des Öfteren bei Leuten vorkommen, die sowohl Arbeitslosengeld I als auch II (als sogenannte Aufstocker) bekommen würden.

"Durfte der Angeklagte darauf vertrauen, dass seine Meldung weitergegeben wird?", wollte Richter Ulrich Lentner wissen. "Ja", lautete die Antwort der Jobcenter-Mitarbeiterin. Warum überhaupt die Anzeige wegen Betruges erfolgte, blieb ungeklärt. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sprach in diesem Zusammenhang gegenüber der Volksstimme außerhalb des Gerichtssaals von teilweise mangelnder Kooperation mit Arbeitsagentur/Jobcenter, die der Organisationsstruktur geschuldet ist. Hilfreich wäre es, regte die Staatsanwältin an, wenn jeder Arbeitssuchende "seinen" Arbeitsvermittler, offiziell Fallmanager genannt, wieder selbst direkt anrufen könnte. Diese Möglichkeit sei vor Jahren abgeschafft worden.

Und wie gesagt: kein Einzelfall. Am selben Tag wurde ein weiterer Fall von angeblichem Leistungsbetrug verhandelt, der ähnlich ausging.