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Stendaler Ehepaar gehört zu den letzten Raks-Mietern und muss Süd schweren Herzens verlassen Kein Wasser und keine Hoffnung

Von Nadin Hänsch 19.09.2014, 03:08

Klaus Ackermann und seine Frau sind in Stendal-Süd verwurzelt. Weil es in ihrem Haus kein fließendes Wasser mehr gibt, müssen sie sich eine neue Bleibe suchen.

Stendal l In Stendal-Süd gehen die Lichter aus, seitdem die Stadtwerke ihre Androhungen gegenüber der Raks AG wahrgemacht haben - sollte man meinen. Aber noch rund 120 Menschen sind dort zu Hause. Die Umstände, unter denen sie wohnen müssen, erinnern an die Nachkriegszeit, ohne fließend Wasser und Strom.

Ein Ehepaar gehört zu den Übriggebliebenen, die bis zuletzt gehofft hatten, es würde anders kommen. Branimir Kyrdshiew, mit deutschem Namen Klaus Ackermann, hat mit seiner Frau Dora Manolowa im Block der Raks AG ausgeharrt. Seit ein paar Wochen sind sie, wie viele andere Nachbarn vor ihnen, auf der Suche nach einer neuen Bleibe. "Wir wohnen seit zwölf Jahren in Süd und würden am liebsten hier bleiben", sagt Klaus Ackermann. "Wir wollen uns eine Wohnung in der Röxer Straße angucken", sagt seine Ehefrau. Die Umgebung sei ihr sehr wichtig. "Man muss sich wohlfühlen."

Das Ehepaar zog 1988 von Bulgarien nach Stendal und hat schon in vielen Stadtvierteln der Hansestadt gelebt. Die Trennung von Süd fällt ihnen dennoch besonders schwer.

"Als ich zu DDR-Zeiten als Ostblockarbeiter nach Stendal kam, wurde mir eine Theater-Wohnung in der Grabenstraße zugewiesen", erinnert sich Ackermann. Seit 1988 arbeitete er als 1. Kapellmeister am Stendaler Theater bis zur Schließung der Musiktheatersparte, 1994. Seitdem arbeitet er als Klavierlehrer und Chorleiter in einer Musikschule in Osterburg. "Ein Dirigent hat eben kein Verfallsdatum", sagt der Rentner. Klaus Ackermann nimmt es eben mit Humor, wenn man ihn nach seinem Alter fragt: " Kennen Sie das Lied von Udo Jürgens? Mit 66 Jahren da fängt das Leben an...", antwortet er. Auch seine Frau redet nicht über das Alter. "Wissen Sie, wenn ich mich andauernd an mein Alter erinnern muss, dann werde noch so alt", lächelt sie die Frage weg. Die Rentnerin gibt wie ihr Mann Musikunterricht. 1992 zogen die Eheleute in die Maxim-Gorki-Straße nach Nord. Dort lebten sie rund zehn Jahre, bis die Wohnungen modernisiert wurden. "Die SWG bot uns damals an, in die Lemgoer Straße nach Süd zu ziehen", sagt der Dirigent. Die SWG habe sie damals in die Irre geführt. Der Block in der Lemgoer Straße wurde kurze Zeit später abgerissen, und das Paar entschloss sich, in Süd zu bleiben und in die Bremer Straße 2 zu ziehen, in der es bis heute wohnt.

Ein Grund für diese Entscheidung war ihr Kater, der sich, wie Dora Manolowa betont, "an die Umgebung gewöhnt hatte". Aus Liebe zum Tier und danach aus Liebe zu Süd sind die beiden ihrem Viertel treugeblieben.

"Im Kalten müssen wir heute nicht sitzen, denn wir haben eine Elektroheizung und Strom, weil jeder Haushalt einzeln abgerechnet wird", sagt Ackermann. Nur das Licht im Hausflur und die Klingel funktionieren nicht. Das Hauptproblem sei das fehlende Wasser. "Die Waschmaschine funktioniert trotzdem. Ich muss eben Wasser mit einem Eimer einfüllen", unterstreicht die Musiklehrerin. "Ich muss jeden Tag Sport machen und Wasser hochschleppen", fügt der Kapellmeister hinzu.

Acht Jahre ist Klaus Ackermann Mitglied im Fitnessstudio in Süd. Seit 2010 ist es in der Hand von Ingo Schöne. "Als sich die Situation in den Raks-Blöcken zuspitzte, kam ich mit Klaus Ackermann ins Gespräch und habe ihm und seiner Frau angeboten, im Studio zu duschen. "Ich bin Ingo wirklich sehr dankbar für seine Unterstützung. Wer ist schon so hilfsbereit und lässt die ganzen Mieter ohne Wasser bei sich duschen?", sagt die Rentnerin.

Zurück nach Bulgarien wollen sie nicht, auch wenn der Gedanke im Raum stand. Sie wollen Stendal treu bleiben und öfter zwischen Hansestadt und Heimat pendeln, denn dort besitzen sie eigene Immobilien.