1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. "Das geht nicht in meinen Kopf rein"

Emilys Tod sorgt in Bismark für Fassungslosigkeit/Vater hatte selbst Familienhilfe beantragt "Das geht nicht in meinen Kopf rein"

Die kleine Emily Joline aus Bismark ist tot - und eine Stadt stellt sich die Frage: Wie konnte dies in unserer Nachbarschaft geschehen? Und sie stellt die Frage: Hätten Behörden rechtzeitig aktiv werden müssen?

Von Axel Junker, Donald Lyko und Christian Bark 07.02.2015, 01:19

Bismark/Stendal l Auch wenn gestern in Bismark die Sonne schien, war die Stimmung in der Bevölkerung merklich bedrückt. "Unbegreiflich", "Unvorstellbar", "Nicht nachzuvollziehen", "Das geht nicht in meinen Kopf rein" - mit diesen Worten versuchten Einwohner das zu beschreiben, was zu Wochenbeginn in ihrer Stadt geschehen ist. Und die Reaktionen fielen umso drastischer aus, als Bismark die Nachricht vom Tod der erst 18 Monate alten Emily Joline erreichte. Am Haus, in dem die Tat geschah, hielten immer wieder vorbeikommende Bismarker inne. "Es ist nicht zu glauben, dass so etwas in unserer Stadt passiert ist", sagte eine Frau, während sie vom Fahrrad stieg.

Patrick F., der leibliche Vater von Emily, und die Stiefmutter Katja B. waren in Bismark eher unbekannt. Die Tatverdächtige soll nach Volksstimme-Informationen aus einer kinderreichen Familie stammen. Sie war die Jüngste. Die Familie soll oft den Wohnsitz gewechselt haben, lebte neben Bismark auch zwischenzeitlich in den Ortsteilen Arensberg, Büste und Döllnitz.

Eine Frau, die Katja B. vom Sehen kennt, beschrieb sie als "eher unauffällig". Da der Frau bekannt war, dass die Tatverdächtige in einer Beziehung lebt, zu der ein Kleinkind gehört, habe sie sich gewundert, dass sie die 20-Jährige kein einziges Mal mit einem Kinderwagen gesehen hat, erzählte sie gestern.

Alltagsorientierung für junge Eltern genutzt

Patrick F. wollte sich gut um seine Tochter Emily kümmern. Darum wandte sich der Vater Anfang des vergangenen Jahres mit der Bitte um Unterstützung an das Jugendamt des Landkreises Stendal. Das Amt vermittelte im März 2014 eine sozialpädagogische Familienhilfe. "Dabei handelt es sich um eine alltagsorientierte Hilfe", um eine sogenannte niederschwellige Sonderform der Betreuung, erklärte Sebastian Stoll (CDU), 2. Beigeordneter des Landkreises Stendal, gestern auf Volksstimme-Nachfrage. Es handele sich nicht um Kontrollen seitens des Jugendamtes.

Diese Familienhilfe sei keine Leistung des Jugendamtes, sondern wird von freien Trägern, unter anderem Wohlfahrtsverbänden, übernommen. In der Regel - so war es auch im Bismarker Fall - geht die Initiative von den Familien selbst aus. Meist dann, wenn junge Eltern nicht das Umfeld haben, in dem ihre Fragen zur Betreuung eines Kindes beantwortet werden können, erklärte Sebastian Stoll. Bei Emilys Vater "war der Wunsch da", diese Hilfe von außen anzunehmen.

Etwa 20 Stunden im Monat - bei Emily, ihrem Vater und dessen Lebensgefährtin wurden diese auf wöchentlich zwei Besuche verteilt - kommt der Familienhelfer in den Haushalt, um mit den Eltern Fragen des Alltags zu besprechen. Wie isst das Kind? Wie schläft es? Welches Essen wird für das Kind eingekauft? Geht es gern in die Kindereinrichtung? Diese und viele andere Fragen werden dann besprochen.

Die Familienhilfe war zuletzt am 26. Januar dieses Jahres bei der Familie, bestätigte Sebastian Stoll. An diesem Tag und auch davor habe es "absolut keine Anhaltspunkte" für eine Gefährdung des Kindes oder für eine Überforderung der Familie mit der Betreuung des Kindes gegeben, erklärte der 2. Beigeordnete.

Das ist das Ergebnis einer sofortigen Prüfung der Informationen und Unterlagen zur Familie, die nach Bekanntwerden des Falles von Landrat Carsten Wulfänger (CDU) veranlasst worden war. Auch wenn sich der Landkreis wegen der laufenden Ermittlungen nicht zum Verfahren äußert, sagte der Landrat: "Ich versichere aber ausdrücklich, dass der Landkreis die Ermittlungen aktiv unterstützen wird."