50 Altmärkerinnen bilden sich in der Bundeshauptstadt weiter / Angebot des Bundespresseamts Fahrt zu Willy Brandt

Gibt es über Berlin und den politischen Betrieb dort noch etwas zu
erfahren, was man noch nicht weiß? Allerhand sogar - wie sich auf einer
Informationsfahrt zeigte, an der 50 Altmärkerinnen teilnahmen.

Von Nora Knappe 24.03.2015, 02:20

Altmark/Berlin l Wissen Sie, wie die Farbe der Stühle im Plenarsaal des Deutschen Bundestages heißt? (Reichstagsblue!)Haben Sie eine Ahnung, wie lang die Mauer rund um Berlin war? (161 Kilometer) Könnten Sie auf Anhieb sagen, welches Schloss in Berlin als einziges noch eine politische Funktion erfüllt? (Schloss Bellevue) Und wissen Sie, wer mehr verdient: die Bundeskanzlerin oder ein VW-Manager? (Die Kanzlerin: rund 17000 Euro. Der Manager: mitunter das 80-fache.)

Solcherlei Anekdotisches, aber auch Erkenntnisbringendes gab es auf einer politischen Informationsfahrt auf Einladung des Bundespresseamts und der altmärkischen SPD-Bundestagsabgeordneten Marina Kermer am 18. und 19. März. Keine Kaffeefahrt, sondern Aha-Effekte geballt.

Wissenszuwachs auch beim Gruppenfoto am Brandenburger Tor. Hier fällt der Blick auf das Straßenschild "Platz des 18. März". Nein, er wurde nicht extra für die Reisegruppe umbenannt. "Das Datum bezieht sich auf die Märzrevolution 1848, als eine Demonstration auf dem Schlossplatz eskalierte", erklärt Matthias Knoblauch. Er begleitet seit vielen Jahren Gruppen durch Berlin.

Der erste Tag der Fahrt birgt zufällig noch mehr interessante Ereignis-Parallelitäten: Vor 25 Jahren fanden die ersten freien Volkskammerwahlen in der DDR statt. Und Egon Bahr, einer der führenden Mitstreiter Brandts, hat Geburstag: Er wird an diesem Tag 93. "Er hat sogar noch ein Büro im Willy-Brandt-Haus", erklärt Henning Lehmann, Mitarbeiter von Marina Kermer in Stendal und Organisator dieser Fahrt.

Wer sind eigentlich diese 50 Frauen, die hier mitreisen? Allesamt aus der Altmark, so viel ist klar. Aber sie verbindet noch mehr: Die Frauen im Alter von 23 bis 70 Jahren sind vor allem ehrenamtlich und sozial Engagierte, aber auch solche, die im sozialen oder Bildungsbereich arbeiten. "Berlin an sich kennt man, aber auf so einer Fahrt mit politischem Programm bekommt man noch ganz andere Einblicke", zeigte sich beispielsweise Iris Fischer aus Salzwedel von dem Angebot begeistert (mehr Stimmen siehe rechts im grünen Kasten).

Marina Kermer, SPD-Bundestagsabgeordnete der Altmark, hat sie anlässlich des Frauentags eingeladen, um ihr Wirken in vielen gesellschaftlichen Bereichen zu würdigen. Die meisten von ihnen kennen Berlin ziemlich gut von privaten Reisen - und darum freuen sie sich eben genau auf die politisch-informative Komponente dieser vom Bundespresseamt angebotenen Fahrt. Auf dem Programm stehen Besuche an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße, im Willy-Brandt-Haus, im Bundestagsgebäude Unter den Linden, im Reichstag und in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts - die Stadtbesichtigung auf der Fahrt zu den einzelnen Stationen gibt es dabei ganz nebenbei.

Reiseleiter Knoblauch versorgt die Teilnehmerinnen nicht nur mit sympathisch-humorvollen Anekdoten über die Hauptstadt und ihre Bewohner, sondern schlägt auch kritische Töne an. "Sie sehen, es wird überall gebaut", sagt er, während Andreas Nowigk den Bus geduldig an Baggern, Lastern und Baustellenstaus vorbeimanövriert. "Der übliche Mix aus Hotels, Büros und Luxuswohnungen - quadratisch, praktisch, gut... 1,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche stehen leer, aber es wird trotzdem weitergebaut." Und dort, wo Wohnraum entsteht oder saniert wird, ist fraglich, wer ihn sich leisten kann: "Im Prenzlauer Berg, wo einst Künstler und Literaten zu Hause waren, werden die Leute immer mehr raussaniert, die Gentrifizierung nimmt ihren Lauf."

Für den entstehenden Neubau des Humboldt-Forums am einstigen Standort des Palastes der Republik hat Knoblauch auch nur beißenden Spott übrig: "Die Abrisskosten vom Palast der Republik samt Asbestsanierung lagen bei 100 Millionen Euro. Das lief nach dem Motto: Hauptsache, er ist weg. Man muss und kann doch nicht immer alles abreißen. Ist doch besser, man sieht, was auch an Dummheiten gemacht wurde. Und warten Sie erst mal, bis die Disneyschlossfassade am Humboldtforum fertig ist..." Mit Blick auf den Fernsehturm sagt Knoblauch erleichtert: "Na, den lassen sie wenigstens stehen."