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"Stärken vor Ort"-Projekt gegen Aggressionen in der Berufsschule in Stendal Trainieren gegen Gewalt und Ärger

Von Eva Wildermuth 05.06.2010, 05:18

Regeln und Einschränkungen sind zwar nicht immer schön, für ein Zusammenleben in der Gesellschaft aber unerlässlich. Doch viele Jugendliche wollen diese Normen nicht akzeptieren und lehnen sich mit Aggressivität und Gewalt gegen sie auf. Im Rahmen des Projekts "Stärken vor Ort" erhalten junge Menschen im Berufsschulzentrum Stendal die Möglichkeit zu lernen, wie man seine Gefühle unter Kontrolle bringt und in Stresssituationen angemessen reagiert.

Stendal. "Hey du Affe!" Hätte so manch einer der Jugendlichen vor kurzer Zeit noch mit einem Faustschlag auf solch einen Spruch reagiert, wehrt er sich heute sachlich und verbal – "Nein, ich bin kein Affe", geht weiter und lässt den Provokateur damit im Regen stehen. Die Jugendlichen haben begriffen, dass man Auseinandersetzungen auch ohne Gewalt lösen kann.

Seit mittlerweile vier Wochen kommt Thomas Lohan, Trainer für Gewaltprävention vom Verein "Gewaltfrei Sachsen-Anhalt", in die Berufsschule nach Stendal und geht mit den Jugendlichen Situationen wie diese durch. Insgesamt zwei Gruppen junger Männer betreut er so einmal wöchentlich: zum einen die Schüler des berufsvorbereitenden Jahres 1 (BVJ) der Sparte Bau und Agrar, zum anderen eine zehnköpfige Gruppe, die vom Arbeitsamt für dieses Projekt vorgeschlagen wurden.

Verfolgt der 41-jährige Lohan zwar unterschiedliche Ansätze bei den Gruppen, so ist doch eines gleich: Die Jugendlichen müssen lernen, dass Gewalt keine Lösung ist und man sich gewissen Normen unterordnen muss. So bekommen die sieben Schüler der BVJ 1 vermittelt, wie man mit Provokationen und Beleidigungen umgeht, wie man sich in Stresssituationen verhält und wie man mit seiner Wut umgeht, seine Gefühle in den Griff bekommt. Bei sehr vielen der Jugendlichen ist die Frustrationstoleranz äußerst gering; schnell reagieren sie auf eigentlich unbedeutende Dinge mit großer Aggressivität.

Das weiß auch Berufsschullehrerin Birgit Krüger: "Die Klasse war zu Beginn des Schuljahres sehr schwierig; sie waren aggressiv und machten viele Probleme." Doch mit der Zeit beruhigten sich die Gemüter etwas und die jungen Männer im Alter von 15 bis 18 Jahren erkannten selbst, dass es so nicht weitergehen kann: Zwei Schüler dieser Klasse baten die Schulsozialpädagogin Elisabeth Seyer um Hilfe. "Es herrschte ein hohes Gewaltpotenzial. Die Schüler kamen zu mir und baten um Unterstützung", sagte Seyer. So kam es schließlich zu der Idee mit dem Anti-Aggressionstraining unter dem Namen "Stark sein, cool bleiben – Training für soziale Kompetenzen und Deeskalation", das nun durch das Projekt "Stärken vor Ort" unterstützt wird.

In Rollenspielen und bei sportlichen Übungen zeigt Thomas Lohan dann den Jugendlichen, wie man Konflikt- und Gefahrensituationen erfolgreich bewältigt, ohne dass es hierbei zu einer Eskalation kommt. Zudem ist hier auch viel Kommunikationstraining gefragt; denn wenn man miteinander redet, lösen sich die meisten Probleme von selbst. Positiver Nebeneffekt: Das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen werden dabei gestärkt.

Ebenfalls mit Rollenspielen agiert der Trainer auch bei der Arbeitsamt-Gruppe; doch hier geht es komplexer zu: Der Trainer stellt zum Beispiel ganze Bewerbungssituationen nach. Hier kommt es vor allem darauf an, dass die jungen Arbeitssuchenden (zwischen 18 und 20 Jahre alt) lernen müssen zu akzeptieren. Zu akzeptieren, dass es im Leben gewisse Hierarchien gibt, dass sie Anweisungen ihres (zukünftigen) Chefs ohne Kommentar ausführen müssen, auch wenn ihnen die aufgetragene Arbeit vielleicht keinen Spaß macht. Und sie müssen lernen, dass es im Leben Regeln gibt, denen sie sich unterordnen müssen.

Die zunehmende Gewaltbereitschaft der Jugendlichen ist nicht nur für die Lehrer ein ernsthaftes Problem, sondern auch für die Jugendlichen selbst. Mit ihrer Aggressivität verbauen sie sich jede Chance auf eine gute Zukunft. Deshalb müssen sie lernen, dass sie Gewalt nicht weiter bringt. Sie müssen lernen, dass sie sich in die Gesellschaft eingliedern und sich ihr auch teilweise unterzuordnen haben. Sie müssen lernen, ihre Frustration unter Kontrolle zu bringen und sich an gewisse Regeln zu halten.

Vorerst bis Oktober diesen Jahres wird es am Berufsschulzentrum in Stendal diesen Anti-Aggressionskurs geben.