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Nach fast 68 Jahren Pause erhält Eggenstedter Kirche ihre Funktion als Ort zum Heiraten zurück Die Hochzeitsglocken läuten wieder

Von Constanze Arendt-Nowak 25.08.2014, 03:35

Sebastian und Christin Reinsch haben die Eggenstedter Kirche bewusst gewählt, um ihr Ja-Wort vor Gott zu bekräftigen. Damit waren sie das erste Paar, das sich hier nach einer Pause von 68 Jahren trauen lassen hat.

Eggenstedt l Als Pfarrer Thomas Seiler am Sonnabendvormittag die Kirche in Eggenstedt betrat, war er gerührt. Das Kircheninnere war liebevoll mit roten Rosen und anderen Dekorationen in Weiß und Rot geschmückt. Verantwortlich dafür zeichneten die Verwandten und Freunde von Sebastian Reinsch, der seine Heimat in Eggenstedt hat, und seiner geliebten Christin, die aus Nordhausen stammt.

Beide wollten hier ihr Ja-Wort, das sie sich schon drei Tage zuvor, am Mittwoch der vergangenen Woche, im Standesamt in Wanzleben gegeben hatten, vor Gott bekräftigen. Beide leben heute in Schönebeck, doch um in den Hafen der Ehe einzulaufen, ist der Bräutigam zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Weiße Tauben, die vor der Kirche aufstiegen, brachten die Kunde vom Glück in die Welt hinaus.

Nach langem waren Sebastian und Christin Reinsch das erste Brautpaar in der Eggenstedter Kirche. Denn die letzte Trauung liegt nahezu 68Jahre zurück. Wer damals den Willen auf ewige Treue schwor und heute, sollten sie noch als Paar zusammen sein, nach 67,5 Jahren die Steinerne Hochzeit wohl schon feiern oder gefeiert haben könnte, vermag Pfarrer Thomas Seiler nicht zu sagen. "Das müsste aber in den Kirchenbüchern stehen", stellte Thomas Seilers Frau, die Pfarrerin Birgit Seiler, fest. Erst im Herbst des vergangenen Jahres hat der Seehäuser Thomas Seiler auch die Eggenstedter Kirchengemeinde übernommen, nachdem Pfarrerin Renate Hirschligau in den Ruhestand gegangen ist. So könnte er vielleicht mit einem Blick in die Kirchenbücher von 1946 die Frage schnell klären.

Geklärt dagegen ist, dass die Nutzung der Eggenstedter Kirche über Jahrzehnte nur teilweise bis gar nicht möglich war. Denn am Sonnabend vor dem Erntedankfest im Jahr 1946 ist das Dach des Kirchenschiffes eingestürzt. Die Kirche war eine Ruine. Doch sie wurde nicht abgerissen und auch aufgegeben haben die Kirchengemeinde und die Eggenstedter ihre Kirche nie.

Nach der Wende begann in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die erste Beräumung von Schutt und Baumbewuchs. In kleinen Schritten ging es weiter, bis die "Cabrio"-Kirche im Herbst 2010 endlich ein neues "Verdeck" bekam. Der erste Gottesdienst unter dem Dach wurde im gleichen Jahr am Heiligen Abend gefeiert. Gottesdienste waren hier jedoch nichts Neues, denn in regelmäßigen Abständen wurde auch die "dachlose" Kirche als Kulisse für solche Veranstaltungen und Konzerte genutzt, sicher immer mit dem Blick in Richtung Himmel, ob denn auch die Sonne scheinen möge. Die erste Taufe unterm Dach gab es dann 2011.

Jedoch waren die notwendigen Bauarbeiten noch längst nicht abgeschlosen. So konnte am Himmelfahrtstag 2012 im Rahmen eines Festgottesdienstes die neue Eingangstür übergeben werden. Sebastian Reinsch hatte damals gemeinsam mit seinem Vater Bernd, beide im Tischlerhandwerk tätig, viele Stunden Hand angelegt, ehe das gute Stück fertig war. Am vergangenen Sonnabend anlässlich seiner Hochzeit zog die Tür, geschmückt mit einem grünenden Bogen, wieder viele Blicke auf sich und die Erinnerung ging wohl auch manches Mal zwei Jahre zurück, während die Hochzeitsgesellschaft durch das Portal schritt. So freute sich auch Pfarrer Seiler beim Anblick der hölzernen Tür.

Im Spätherbst 2012 waren erneut die Bauarbeiter in die Kirche eingezogen. Mehrere Monate waren sie beschäftigt, um der Kirche sechs "glasklare Augen", also neue Fenster, einzusetzen. Inzwischen sind auch die Epitaphe zum Gedenken derer von Asseburg aufgearbeitet und der Taufstein, an dem schon Rosamunde von Asseburg getauft wurde, hat auch seinen Platz in der Kirche wiedergefunden. Neben Eigenmitteln der Kirchengemeinde und des Kirchenkreises Egeln sowie zahlreichen Spenden sind in die Baumaßnahmen auch Mittel aus den Leader-Fördertöpfen geflossen.

Wenn das Brautpaar die Worte von Pfarrerin Birgit Seiler vernommen hat, nachdem es den Baumstamm auf dem Sägebock in zwei Teile zersägt hatte, könnte die Kirche bald noch um zwei Einrichtungsgegenstände reicher sein. Sie unterbreitete den Vorschlag, dass der Bräutigam Sebastian Reinsch doch aus den beiden Holzstücken Skulpturen entstehen lassen könnte.

Unterdessen hoffte Thomas Seiler schon, dass die nächste Hochzeit in der Eggenstedter Kirche nicht wieder 68 Jahre auf sich warten lässt. "Kirchliche Trauungen sind hier wieder möglich", warb er.