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Großvermieter berichten von Problemen und Potenzialen in den Wohngebieten Plattenbaugebiete sind besser als ihr Ruf

Mehrere Tausend Wohnungen bieten die drei Großsiedlungen in Wernigerode.
Die meisten davon gehören den zwei größten Vermietern in der Stadt.
Wohnungsbaugesellschaft und -genossenschaft geben einen Einblick in ihre
"Platten".

Von Jörn Wegner 30.01.2014, 02:25

Wernigerode l Ein großer Teil der Wernigeröder wohnt in den drei Plattenbausiedlungen aus DDR-Zeiten. Seit der Wende wurden die Burgbreite, das Stadtfeld und der Harzblick aufwendig saniert. Nur noch wenige Blöcke warten auf ihre Erneuerung. Die meisten dieser Wohnungen gehören der städtischen Gebäude- und Wohnungsbaugesellschaft (GWW) und der Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft (WWG). In der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses haben GWW-Geschäftsführerin Kirsten Fichtner und WWG-Vorstand Christian Linde von der baulichen und sozialen Situation in den Wohngebieten berichtet.

Eine gute Nachricht hatten beide Wohnungswirtschaftler zu verkünden: Wohnungen, die lediglich über DDR-Standard verfügen, gebe es in den Siedlungen nicht mehr. So existierten nur noch sehr wenige Wohnungen mit alten Fenstern, berichtet Kirsten Fichtner.

Mit einem Problem sehen sich beide Wohnungsunternehmen konfrontiert: Der demografische Wandel wirkt sich auch in Wernigerode aus und verlangt von GWW und WWG neue Konzepte im Umgang mit der älter werdenden Mieterschaft. "Bei Bedarf versuchen wir ältere Menschen nach Möglichkeit in untere Etagen umzusetzen", sagt Christian Linde. Die dortigen Wohnungen würden bei einer Sanierung grundsätzlich mit Duschen statt mit Wannen ausgestattet. Schwierigkeiten bereiten auch die fehlenden Fahrstühle. sie waren in den Fünfgeschossern zur Zeit ihrer Errichtung nicht vorgeschrieben. "Aufzüge führen zum starken Anstieg der Betriebskosten. Zudem können nachträglich eingebaute Fahrstühle nur auf halber Treppe halten", erklärt Kirsten Fichtner das Problem. Das erhöhte Durchschnittsalter der Bewohner sei damit zu erklären, dass ein Großteil von ihnen seit der Fertigstellung von Burgbreite und Stadtfeld in den 1970er Jahren in den Wohnungen lebt, so Linde.

Senioren möchten nahe der Innenstadt wohnen

Die WWG möchte dem demografischen Wandel mit mehr innerstädtischen Wohnungen begegnen. "Ältere Menschen haben gern fußläufig alles in der Nähe", sagt WWG-Vorstand Linde. Ein Anfang dafür sei das Neubaugebiet in der Ilsenburger Straße. Neue Wohnungen würden demnächst an der Schreiberstraße entstehen, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bahnhof und der Innenstadt. Ein reiner Anbieter altersgerechter Wohnungen will die Genossenschaft jedoch nicht werden. Sie möchte für alle Altersgruppen Wohnraum schaffen. Dass es für jüngere Menschen nicht attraktiv ist, in einem reinen Senioren-Umfeld zu leben, ist auch Christian Linde bewusst.

Über einen Umstand können sich die Bewohner der Großsiedlungen freuen: Die Mieten sind auch nach den Sanierungen bezahlbar. Die Kaltmieten der WWG reichen von 4,20 Euro bis zu 5,75 Euro pro Quadratmeter. Fallen die Betriebskosten höher aus, sinke oftmals die Kaltmiete, so Linde. Bei der GWW sieht es ähnlich aus: In der Burgbreite liegen die Kaltmieten zwischen 4,10 und 6,50 Euro, bei Neuvermietung im Wellenhaus würden sechs bis sieben Euro fällig, so Kirsten Fichtner.

Die "Platte" scheint dabei beliebter zu sein, als es ihr Ruf vermuten lässt. Der Leerstand in den GWW-Immobilien im Harzblick beträgt 1,9, in der Burgbreite gut zwei Prozent, so Fichtner. Durch die noch nicht vermieteten Wohnungen im Wellenhaus liege der Leerstand im Stadtfeld bei 14,5 Prozent, ohne die "Welle" aber nur bei fünf, sagt die GWW-Geschäftsführerin. Zum Vergleich: Die Leerstandsquote in den neuen Bundesländern lag 2013 bei 6,5, in den alten bei 2,7 und im angespannten Berliner Wohnungsmarkt bei 2,3 Prozent. Christian Linde bestätigt diesen Trend gerade in Bezug auf den Harzblick: "Sein Ruf in Wernigerode ist schlechter als außerhalb. Viele Fremde ziehen dort hin."

KoBa zahlt Mieterhöhung nach Sanierung nicht

Zu kämpfen haben beide Vermieter mit der Kommunalen Beschäftigungsagentur (KoBa). Deren Obergrenzen bei den Mietzahlungen würden viel zu niedrig liegen und den realen Mieten nicht mehr entsprechen, sind sich Fichtner und Linde einig. "Dafür können wir keine Wohnungen anbieten", sagt die GWW-Geschäftsführerin. "Es ist doch im 21. Jahrhundert niemandem zuzumuten, mit Badeofen und Kohleheizung zu leben, abgesehen davon, dass es solche Wohnungen in Wernigerode praktisch nicht mehr gibt." Mietern, denen die KoBa die Zahlung erhöhter Mieten nach einer Sanierung verweigert, empfiehlt sie zu klagen.