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"Neue Fassaden – alte Geschichten": Albert-Bartels-Straße 11 Schmucke Villa war während des Krieges Flüchtlingsdomizil

Von Andreas Fischer 06.04.2011, 04:34

In der Serie "Neue Fassaden – alte Geschichten" stellt die Harzer Volksstimme regelmäßig historisch interessante Häuser in Wernigerode vor. Unser Rundgang führt heute zur Albert-Bartels-Straße 11.

Wernigerode. Der Vater von Hermann Forcke, Apotheker Johnann Arnold Forcke, dessen Namen wir am Wohltäterbrunnen auf dem Markt finden, war Eigentümer großer Grundstücksflächen vor der Stadtmauer. Unter anderem hatte er auch einen Obstgarten, auf dem sein Sohn 1893 ein Wohnhaus mit Arztpraxis errichtete. An diesen Arnold Forcke erinnert die alte Rosskastanie, die heute noch auf dem Grundstück Albert-Bartels-Straße 11 steht. Sie soll anlässlich des Geburtstages von Hermann Forcke gepflanzt worden sein. Damit wäre sie etwa 190 Jahre alt.

Der Plan, an der einstigen Hindersinstraße, die seit 1945 Albert-Bartels-Straße heißt, ein Haus zu bauen, entstand bald nach der Projektierung dieser Straße. Sie war um 1890 erforderlich geworden, damit eine Verbindung von der Innenstadt zum Bahnhof entstand. Das erste Dokument zu dem Bau ist ein "Kosten-Anschlag für Herrn Rentier Hermann Forcke über Herstellung einer Villa Ecke der Hindersin- und Ringstraße".

Die detaillierte Kostenaufstellung nannte eine Bausumme von 39 000 Reichsmark, davon allein für die Maurerarbeiten reichlich 18 000 Reichsmark. Die mehr als 3000 Kilogramm schweren schmiedeeisernen T-Träger kosteten 360,52 Reichsmark.

Dem Bauherrn allerdings war die veranschlagte Summe offensichtlich zu hoch. Das Projekt wurde verkleinert. Der Bauherr akzeptierte die neue Planung, bereits Anfang August 1893 erfolgten erste Vorarbeiten. Obstbäume wurden ausgehoben und umgesetzt.

Einige Mitglieder der Familie wünschten sich für die Villa einen Turm als besondere Note. Es ist anzunehmen, dass die Villa des Apothekers Forcke im Sommer 1894 bezogen wurde. Im Erdgeschoss befand sich die Wohnung des Ehepaars Querner. Von Anfang an waren Räume für die Arztpraxis von Dr. Querner, der mit der Tochter von Forcke verheiratet war, vorgesehen. Das Wartezimmer war vom Treppenhaus direkt zugänglich, daneben das Arztzimmer. Nach dem Tode von Sanitätsrat Querner im Januar 1921 übernahm mit Dr. Wilhelm Eckerlin ein Verwandter die Räume, bis er 1927 in die Breite Straße umzog. Im ersten Stock zogen Hermann Forcke und seine Frau ein. Er verbrachte allerdings nur ein Jahr dort. Denn im Juni 1895 starb er.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde das ehemalige Wartezimmer für das damals gegenüberliegende Finanzamt beschlagnahmt. Gegen Ende des Krieges wurden Kriegsflüchtlinge eingewiesen. Es folgte die Zwangsbewirtschaftung aller Wohnräume in den Jahren 1950 bis zur Wende.

Die politischen Veränderungen kamen für das Haus Albert-Bartel-Straße 11 gerade noch zur rechten Zeit. Der stattliche Bau mit dem gepflegten Anwesen hatte unter den Nachkriegs-Jahrzehnten schwer gelitten. Zwar konnte in jener Zeit die Bausubstanz einigermaßen erhalten werden, Anbauten jedoch, so eine schöne Veranda und ein Balkon, mussten wegen Baufälligkeit entfernt werden.

Schließlich erwarben Christa und Hartmut Leßmann das Haus, das bis 1996 und damit über 100 Jahre in Familienbesitz war. Beide nahmen eine sehr aufwendige, denkmalgerechte Sanierung vor und richteten im Erdgeschoss eine Apotheke und darüber Wohnräume ein.

Erwähnenswert ist noch, dass die Urenkelin von Hermann und Hermine Forcke, Ilse Querner, seit 82 Jahren in dem Haus wohnt, es mit verwaltet und sich um seinen Erhalt kümmert. Ihr Bruder, Prof. Dr. Hans Querner, lebt als Pensionär in der Sägemühlengasse.