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Mit Prof. Dittscheid auf den Spuren des Barockbaumeisters Friedrich Joachim Stengel Experte schwärmt vom Schloss in der Elbaue

Von Helmut Rohm 14.11.2012, 01:13

Der Barockbaumeister Friedrich Joachim Stengel ist ein Sohn der Stadt Zerbst. Mit seinem Namen ist jedoch vor allem Saarbrücken verbunden. Dort schuf er zwischen 1738 bis 1775 den Neubau des Schlosses, die Friedenskirche, das Rathaus, den Ludwigsplatz und auch die Ludwigskirche.

Zerbst l In einem kurzweiligen, informativen und detailreichen sowie engagiert gehaltenen Vortrag stellte Prof. Hans-Christoph Dittscheid von der Universität Regensburg auf Einladung des Zerbster Heimatvereins und der Stengel-Gesellschaft Dornburg/Elbe am Sonnabendabend in der Zerbster Filiale der Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld "Friedrich Joachim Stengel, Generalbaudirektor von Anhalt-Zerbst, im Spiegel seiner Werke" vor.

Dittscheid, gebürtiger Saarbrücker und unbestrittener Stengel-Experte, sprach über wesentliche Stationen der Biografie von Stengel (1694-1787). Dessen Arbeitsleben begann als Landvermesser. Eine Tätigkeit, so Dittscheid, "die für Stengels Wirken als Architekt und Baumeister eine wesentliche Basis bezüglich Präzision, exakter Vermessung und Plangestaltung bildete".

Anhand von historischen Ansichten und Plänen sowie aktuellen Fotografien zeichnete der Vortragende sehr anschaulich einige Stationen des Stengelschen Entwicklungsweges nach. Dazu gehörte neben anderen Nassau-Usingen, wo er zum Beispiel an Häusern die Türportale "geohrt" (der Fachausdruck beschreibt seitliche Erweiterungen im oberen Teil) hat. Eine der ersten größeren Arbeiten war der Umbau des Schlosses Usingen, bei dem Stengel Mansardendächer zum Einsatz brachte. Zu weiteren landläufig nicht so bekannten Bauten, die die Architekturkunst Stengels nachhaltig belegen, zählen die Kirchen in Grävenwiesbach und Idstein-Heftrich, auch das Rathaus in Pirmasens.

Auf seinen Frankreich-Reisen lernte Stengel die moderne französische Architektur kennen, die sich stilprägend auf sein architektonisches Arbeiten auswirkte. Er orientierte sich insbesondere an der rationalistischen Architekturtheorie des französischen Baumeisters Niclas-Francois Blondel (1618-1686), die sich auch zum Beispiel in den von Stengel geschaffenen Mittelrisaliten an Schlössern widerspiegelt.

Lohmeyer-Schrift

Dittscheid verwies auf die vor 101 Jahren von Carl Lohmeyer herausgegebene, überhaupt erste umfassende Stengel-Monografie, mit der "Stengels Bedeutung wiederentdeckt wurde und die bis heute noch völlig gültig ist". Im Vortrag wurden auch Fotokopien der originalen Taufurkunde von Friedrich Joachim Stengel aus der St. Bartholo-mäikirche Zerbst sowie das von ihm handschriftlich erstellte Testament aus dem Jahre 1763 gezeigt.

Stengel bemühte sich, sein Können und seine Erfahrungen an seine Söhne weiterzugeben. So war Sohn Balthasar ab 1785 Oberbaudirektor in Saarbrücken. Sein Sohn Johann Friedrich wurde 1775 Hofarchitekt der russischen Zarin Katharina II. Es ist auch zu vermuten, dass sie ihre Mutter, Fürstin Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst, beim Wiederaufbau des Schlosses Dornburg zumindest ideell unterstützt hat. 1751 hat die Fürstin Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst Friedrich Joachim Stengel wieder zurück nach Zerbst berufen, um das abgebrannte Sommerlustschloss in Dornburg neu zu errichten.

Als einen bemerkenswerten Zufall mit großer Bedeutung wertet Dittscheid die erst vor zehn Jahren in Petersburg aufgefundenen, eigenhändig von Stengel geschaffenen originalen Baupläne für Schloss Dornburg. "Auf der Grundlage vieler übereinstimmender Details gelten die Schlösser in Saarbrücken und in Dornburg an der Elbe als ,Schwesterschlösser\'", so der Stengel-Experte.

Ins falsche Schloss

Bezüglich "Dornburg an der Elbe" berichtete Dittscheid auch von einer Kuriosität. Der in Saarbrücken geborene Erich Honecker gestattete wohl persönlich, dass 1977 eine Delegation von Saarbrücker Stengel-Forschern Schloss Dornburg besuchen durfte. Das Problem war aber, dass die DDR glaubte, der Besuch gelte den Dornburger Schlössern an der Saale und nicht dem an der Elbe, in dem sich ein mehr oder minder geheimes Staatsarchiv befand. Dennoch, so erfuhr Dittscheid von Teilnehmern, habe man den Saarbrückern im Rahmen der Möglichkeiten den Zugang zum Dornburger Schloss (an der Elbe) ermöglicht.

Es sei schon fast ein Paradoxon, dass in einem so kleinen Dorf wie Dornburg "eine solche pompöse Schlossarchitektur existiert, von dessen Belvedere man die Silhouette von Magdeburg sehen kann und das so wie vor vielen Jahren in die schöne Elbauenlandschaft eingeordnet ist", schwärmt Dittscheid. Es sei diesem Schloss zu wünschen, dass es eine öffentliche kulturelle Nutzung erhalte, die zudem auch Angebote für die Beschäftigung von Dornburger Bürgern und der Umgebung biete.