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Alter Konsum von Steutz soll im Rahmen der Dorferneuerung neu gestaltet werden Abrissobjekt verwandelt sich in attraktive Ansicht

Von Petra Wiese 03.01.2013, 02:31

Der 1. Platz im Landeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" 2012 hat Steutz neben der Goldmedaille eine Prämie über 50 000 Euro beschert, die in die Dorferneuerung fließen soll. Und da gibt es schon ganz konkrete Vorstellungen, was in Angriff genommen werden soll: der alte Konsum.

Steutz l Ein Schandfleck im Dorf soll beseitigt werden -der ehemalige Konsum an der Kreuzung Roßlauer Straße/Akener Straße, dessen Dacheindeckung längst herunter ist und der an diesem zentralen Ort insgesamt einen sehr bemitleidenswerten Anblick bietet. Diesen Ort mit neuem Leben zu erfüllen, hat sich die Ortschaft als Ziel gesetzt. Schließlich wird auch die Route der Bewertungskommission im Bundeswettbewerb um das Dorf mit Zukunft, in dem Steutz in diesem Jahr Sachsen-Anhalt vertritt, unweigerlich daran vorbeiführen.

Schnell war klar, dass Umbau und Sanierung für den Eigentümer nicht zu leisten wären. Dem wurde die Last von den Schultern genommen. Mit dem Kauf des Grundstückes kann die Ortschaft eine eher ausgefallene Idee an dem Objekt verwirklichen. Die Idee stammt von Boris Krmela, der Architekt für Stadtplanung im Dessauer Büro für Stadtplanung Dr. Schwerdt ist, gleichzeitig aber in Steckby zu Hause ist. Er stellte die Idee dem Steutzer Ortschaftsrat vor. Auf offene Ohren war er zuvor bereits bei Ortsbürgermeisterin Regina Frens und in der Stadtverwaltung gestoßen.

"Hauptsache, die erklären uns nicht alle für verrückt."

Ulrich Moller

Ausgangspunkt für die Überlegungen des Planers war die attraktive kleine Grünfläche gegenüber an der Ecke Roßlauer/Akener Straße. Naheligend wäte, diese Gestaltung fortzusetzen. Es wäre also einfach, die ruinöse Baumasse wegzureißen, alles zu beräumen und eine Grünfläche anzulegen. Doch damit wollte sich Krmela nicht zufrieden geben. Es musste noch etwas anderes geben. Nun betrachtete er das Objekt aus allen Blickwinkeln. Aus Richtung Aken wäre es wegen der Geschlossenheit der Baustruktur eigentlich schade, wenn das Haus weg wäre. Für die Friedensstraße gibt das Gebäude den Halt für das Straßenende. Es habe genau die richtige Größe, um einen klaren räumlichen Abschluss zu definieren. Es würde also Sinn machen, das Haus, da wo es ist, in irgendeiner Form zu erhalten. Doch um Blickpunkte und Abgrenzungen zu befriedigen, ist kein ganzes Haus nötig. So sieht das Projekt vor, lediglich die Fassade des Gebäudes, die hell und freundlich wird, zu erhalten. Alles, was nach hinten weggeht, wird ebenso wie der Anbau beräumt. Hinter der Fassade und bis zur Roßlauer Straße hinüber wird die Grünfläche gestaltet. Die Fassade bleibt mit allen Fenstern und Details wie sie ist. Durch die offenen Schaufenster wird man auf die Grünfläche dahinter blicken können, die Tür soll Durchgang sein.

Auch um das alte Schild über dem Eingang hat sich Boris Krmela Gedanken gemacht. Aufgearbeitet erklärt es, was das Haus einmal bis Anfang der neunziger Jahre war - ein Konsum. Zu besonderen Anlässen könnte dann an dieser zentralen Stelle auf Veranstaltungen in der Ortschaft hingewiesen werden. Zugemauert werden die oberen Fenster, die dann als solche aufgemalt werden. Natürlich steht die Fassade nicht alleine, erläuterte der Planer den Bürgervertretern. Da ist natürlich ein Statiker gefragt, um von hinten eine entsprechende Stützvorrichtung anzubringen. Da jedoch eine Unterkellerung vorhanden ist, stelle es kein Problem dar, notwendige Fundamente für Stahlbetonstützen zu setzen. "Ein vertretbarer Aufwand", so Boris Krmela. Von hinten könnten Pflanzen an der Wand und den Stützen hinaufranken. Bei der Anlage der Grünfläche könne dann der Schwung des Weges gegenüber fortgesetzt werden, welcher dann von hinten durch die Tür der Fassade führt. Die Grünfläche insgesamt gleicht die Höhenunterschiede des Geländes aus, denn immerhin ist der Konsum-Eingang drei Stufen hoch. Eine Bank entlang des Weges wäre denkbar. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten für die Grünfläche können auch im Nachhinein noch ergänzt werden. Eine saisonale Bepflanzung vor den Schaufenstern wäre womöglich ein neckisches Detail.

Insgesamt könnte das Projekt mit den zur Verfügung stehenden Mitteln realisiert werden, schätzte der Planer ein. Seine Vorstellungen knüpfen an Überlegungen in Städten an, wo Baulücken mit großen Kunstwerken und Installationen aufgefüllt werden. So kann die Geschlossenheit eines Straßenzuges gewährleistet werden. In Dörfern ist die Verfahrensweise zur Erhaltung geschlossener Straßenzüge aus den Städten nicht so einfach übertragbar. Dennoch gibt es kein Vorbei an der Frage, wie mit nicht mehr benötigter, ortsbildprägender Bausubstanz umzugehen ist, damit das Dorf bei dessen Abbruch nicht beginnt sukzessive "auseinanderzufallen". Die gefundene Lösung wäre ein nachahmenswerter Weg für sachsen-anhaltische Dörfer und anderswo in Deutschland. Steutz wäre somit hier ein Modellbeispiel, wie man im Rahmen von Dorferneuerung mit diesem Problem umgehen kann. Dieser Aspekt ließe sich dann auch gut in den Kontext des Wettbewerbes einfügen. Dass das Objekt im Ergebnis der Umsetzung des Vorhabens auch komplett auf einem Grundstück liegt, soll über eine Neuvermessung geregelt werden.

"Ich finde toll, dass man richtig durch den Eingang gehen kann."

Kerstin Finger

Die Ratsmitglieder zeigten sich sichtlich beeindruckt, als Krmela seine Ausführungen beendet hatte. "Ich finde das toll", meinte Nicola Kröning spontan. Kerstin Finger äußerte Bedenken, eines womöglich übergroßen Eindrucks, wenn nur die Fassade steht. Dass die Fassade nicht das größte an dem Ort sein wird, das ist jedoch schon mit dem vorhandenen Baumbestand gesichert und letztendlich zeichnet sich mit der Fassade nur das Haus ab, wie es jetzt noch steht. Toll findet Kerstin Finger, dass man dann noch richtig in den Eingang gehen kann. An dem Leitungsmast vor dem Haus störten sich sowohl Holger Behnke als auch Dr. Stephan Riemschneider. Da Regina Frens davon ausgeht, dass der Versorger den Mast nicht entfernen wird, reicht vielleicht ein heller Anstrich, den Anblick nicht zu verunstalten.

"Hauptsache, die erklären uns nicht alle für verrückt", sagte Ulrich Moller angesichts dieser außergewöhnlichen Maßnahme. Wegreißen und Grünfläche würde eher zur Stadtgestaltung in Zerbst passen, meinte Holger Behnke ironisch. Aber so soll in Steutz eben ein Stück Kulisse des alten Dorfes erhalten bleiben. Das Vorhaben erhielt durchweg die Zustimmung des Rates. Auf Grund der Sondersituation habe man einen vorzeitigen Maßnahmebeginn durch das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) zugesichert bekommen, konnte Regina Frens mitteilen. Auch der Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann hätte Unterstützung signalisiert. Ziel soll es sein, das fertige Projekt in diesem Jahr beim Bundeswettbewerb zu präsentieren, erklärte Frens.

Beim ALFF ist Mitte Dezember die Antragstellung eingegangen, teilte Boris Krmela mit. Von Seiten des Amtes wurde eine zeitnahe Bearbeitung zugesichert. Dass man dem Vorhaben wohlwollend gegenüber steht, wäre in Vorgesprächen bereits durchgedrungen. Damit sei Steutz auf gutem Weg, das Vorhaben beispielgebend im Frühjahr umsetzen zu können.