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Französische und deutsche Schüler bemalen Bunkerruinen in der Normandie / Ausstellung zeigt Entwürfe Mit Farben die Freundschaft besiegeln

Von Anja Jürges 23.04.2013, 03:16

Es ist ein Kunstprojekt, das sich mit deutsch-französischer Vergangenheit beschäftigt. Den steinernen Zeugen der Geschichte den Schrecken zu nehmen, ist das Ziel. Nicht mehr kriegerisch, sondern freundschaftlich muten bereits die Skizzen an.

Magdeburg l Die graue Vergangenheit tauchen sie in Farbe: Schüler aus Magdeburg sowie aus Frankreich bemalen Bunkeranlagen an der Atlantikküste von Néville-sur-Mer. Ihre Ideen präsentieren die Jugendlichen im mdr-Landesfunkhaus Sachsen-Anhalt.

Den Grundstein des Projektes legte der Magdeburger Maler Eberhard Matthies bereits im vergangenen Sommer. "Seit mehr als zwölf Jahren verbringe ich die Hälfte eines jeden Jahres in der Normandie. In dieser Zeit bin ich konfrontiert mit den Bunkerruinen", erzählt Eberhard Matthies.

"Diese Reste eines fürchterlichen Krieges haben mich deprimiert."

Eine Möglichkeit, damit umzugehen: Der 76-Jährige bildete die grauen Betonskelette vor gut zwei Jahren in realistischen Zeichnungen ab und verfremdete sie durch kontrastreiche, kräftige Farbgebung. "Anfangs waren es im Sand liegende Betonmassen, vom Meer freigespült oder zugeschüttet - je nach Laune der Natur", sagt Matthies. Auf den bunten Abbildungen werden sie zu "farbigen Viechern, die durch den Sand kriechen".

Eine Serie dieser farbigen Adaptionen war 2012 in einer Ausstellung in Néville-sur-Mer zu sehen. "Zu diesem Zeitpunkt festigte sich die Vorstellung, die Ruinen tatsächlich zu gestalten und deutsche und französische Schüler daran zu beteiligen", erklärt Eberhard Matthies. "Die Jugend kann das friedliche Zusammenleben beider Völker unterstützen", ist sich der Grafiker sicher.

Gemeinsam mit Lehrern gewann er 26 Schüler des Hegelgymnasiums, der Berufsbildenden Schule "Otto von Guericke" sowie des Bildungs- und Beratungszentrums Magdeburg (BBZM), die ihn unterstützen. 20 Schüler aus Carentan in der Normandie komplettieren die junge Künstlerriege. Bereits seit fünf Monaten beschäftigen sich die Nachwuchskünstler anhand von Zeitzeugenberichten mit den geschichtlichen Hintergründen, die zur Entstehung der Bunkeranlagen im besetzten Frankreich geführt hatten.

In Zeichnungen zeigen sie, wie sie sich die bedrückenden Kolosse in farbiger Zukunft vorstellen können.

In der vergangenen Woche besuchten die Schüler aus der Normandie ihre Magdeburger Kollegen. In Gemeinschaftsarbeit setzten sie mit ihren Bildern farbige Akzente auf die Sichtbetonflächen des Funkhausfoyers. Neben die 80 Schülerentwürfe für die Bemalung der Bunker reihen sich dort Arbeiten des Künstlers Eberhard Matthies sowie Fotografien von Eric Delouche, der die Ruinen seit mehr als fünf Jahren regelmäßig fotografiert, ein. "Da ich in der Nähe wohne, sehe ich die Bunker jeden Tag. Sie prägen das Bild des Strandes", erzählt der Fotograf.

Vor dem Ausstellungsgebäude weist ein Würfel mit einem Kantenmaß von vier Metern auf die Ausstellung hin: BBZM-Schüler gestalteten die großen Leinwände, mit denen das Holz-Stahlgerüst bespannt ist, nach Eberhard Matthies\' Entwürfen.

Ähnlich "verpacken" die Jugendlichen Anfang Juni zwei der Bunker sowie zwei Kasematten, jedoch nach ihren eigenen Zeichenvorlagen. "Mit wetterfester Dispersionsfarbe übertragen wir die Entwürfe auf Segeltuchleinen und verhüllen damit die Bunker", erklärt Eberhard Matthies. Dafür werden sich die Magdeburger Schüler auf die Reise in das französische Néville-sur-Mer machen. "Je nach Witterungssituation demontieren wir die Stoffbahnen im September, um sie im folgenden Jahr erneut zu präsentieren", sagt der Ideengeber.

Da die Ruinen Eigentum der Gemeinde Néville-sur-Mer sind, war die Zustimmung deren Bürgermeisters zur Verfremdung der Bunker notwendig. "Von der Idee, nicht den Kriegsgedanken, sondern den der Vereinigung und Freundschaft in den Fokus zu rücken, war ich sofort begeistert", erzählt Gemeindeoberhaupt Bernard Pottier. Ebenso angetan zeigte sich Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper: "Die bunten Bilder auf der grauen Wand zeigen, was man aus den Bunkern der dunklen Zeit vor 70 Jahren machen kann. Das Projekt ist ein Zeichen dafür, dass solche Bunker nie wieder sein sollen."

Um die Organisation zu stemmen, gründeten die Mitstreiter den Verein "Erinnerung in Farben", sowie - auf französischer Seite - "Mémoire en couleurs".

Die erste gemeinsame Etappe des Kunstprojektes ist noch bis zum 20. Mai im Landesfunkhaus zu sehen.

Beachten Sie auch die Bildergalerie!