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Wie drei Magdeburgerinnen jahrelang auf eine Spenderniere hofften und schließlich gerettet wurden Auf der Warteliste: drei Frauen, ein Schicksal

Die Zahl der Organspenden geht kontinuierlich zurück, in Sachsen-Anhalt
zuletzt um ein Drittel. Was es bedeutet, auf eine lebensrettende Spende
angewiesen zu sein, erzählen die Schicksale von drei Magdeburgerinnen.

03.01.2014, 02:08

Magdeburg. Iris Kolloch, Christine Köthe und Christa Göllner eint ein ähnliches Schicksal: Die drei Frauen haben lange auf ein neues Organ gewartet. Sie hatten Glück, fanden Spender. Nun kämpfen sie gemeinsam in einem Verein um das Image der Organspende.

Denn die Spendenakzeptanz unter den Deutschen sinkt. "Dabei kann es jeden erwischen", sagt Iris Kolloch. Das würde sie auch immer wieder bei ihrer Arbeit im Regional- und Landesverband Niere sehen - eine Selbsthilfegemeinschaft, die Patienten mit Nierenversagen dabei unterstützt, so gut wie möglich mit ihrer Krankheit zu leben.

Iris Kolloch erkrankte an einer Autoimmunkrankheit, die nach langer Leidenszeit zu Nierenversagen führte. Als sie die Diagnose bekam, war sie 28 Jahre alt. Acht Jahre ging sie zur Dialyse. "Du fällst aus allen Wolken", sagt sie. Plötzlich stehe das ganze Leben kopf. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Kolloch in einem Labor.

1991 kam sie auf die Transplantationsliste. "Acht Jahre hat es gedauert, bis ich den Anruf bekommen habe, dass es für mich ein Organ gibt", sagt sie.

"Ich bin trotz Erkrankung weiter arbeiten gegangen."

Christine Köthe

Es war ein Tag im Frühsommer 1999, kurz vor Mitternacht. "Ich bin heute so dankbar", sagt Kolloch. Ihr Spenderorgan kam von einem Unfallopfer, das wenige Stunden zuvor ums Leben gekommen war. "Ich bin in Gedanken immer bei der Familie", sagt sie. Die 50-Jährige arbeitet heute wieder stundenweise im Labor. "Ich habe ins Leben zurückgefunden. Das bin ich auch meinem Spender schuldig", so Kolloch.

Dabei geht die Zahl der Organspenden kontinuierlich zurück. In den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres wurden in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 311 Organe gespendet - ein Minus von 12,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In Sachsen-Anhalt wurden nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 87 Organe entnommen. Im Vorjahr waren es 94. In Sachsen waren es 142 Spenderorgane (Vorjahr: 157), in Thüringen 82 (Vorjahr 103). Auch bundesweit sank nach den Transplantationsskandalen an verschiedenen Kliniken die Bereitschaft zur Organspende. 2824 gespendete Organe bedeuteten ein Minus von 13,6 Prozent. Nach Angaben der Techniker-Krankenkasse warten aber allein in Sachsen-Anhalt derzeit mehr als 400 Menschen auf eine Organspende, mehr als 250 davon benötigen dringend eine neue Niere.

Eine Dialyse, wie sie Iris Kolloch acht Jahre brauchte, dauert mehrere Stunden. Eine Maschine übernimmt die Arbeit der Niere, reinigt das Blut. Neben der körperlichen Belastung drückt die Situation auch auf die Psyche. "Ich bin trotz meiner Erkrankung am Anfang weiter arbeiten gegangen", erinnert sich Christine Köthe, die als Lohnbuchhalterin in einem mittelständischen Betrieb arbeitete. Das geschah entweder vor oder nach der Arbeit. "Ich habe oft das Gefühl gehabt, dass ich mich für meine Erkrankung entschuldigen müsste", sagt sie. Gleichzeitig habe man das Empfinden, dass man mehr leisten müsse, um zu zeigen, dass man trotzdem arbeiten könne. "Irgendwann habe ich es nicht mehr geschafft", stellt Christine Köthe fest.

Bei ihr ist es die Schwester, die das lebensrettende Organ spendet. Sie ließ sich testen, ob sie als Lebendspenderin infrage komme - ohne das Wissen ihrer todkranken Schwester. Als die Ärzte grünes Licht gaben, ging dann alles ganz schnell. "Obwohl ich mich am Anfang dagegen gesträubt habe, dass meine Schwester mir eine Niere spendet", sagt die 45-Jährige.

Einer, der in seinem Leben Tausende Organverpflanzungen durchgeführt hat, ist Prof. Dr. Hans Lippert. Der Magdeburger Mediziner ist einer der renommiertesten deutschen Ärzte auf diesem Gebiet. Er ist Vorsitzender der Kommission bei der Bundesärztekammer, welche die Organtransplantationsprüfungen durchführt. Im Interview mit der Volksstimme hatte Lippert darauf hingewiesen, dass das System nun unter "besonderer Beobachtung" stehe, manipulierte Spenderlisten vor allem Lebertransplantationen beträfen.

Als Nächstes werden von der Prüfkommission die Nierentransplantationen genauer untersucht. Experten wie Lippert gehen nicht davon aus, dass hier ein zweiter Skandal droht. Denn im Gegensatz zur Leber - bei der Empfänger und Spender nur die gleiche Blutgruppe haben sollten - müssen bei der Niere Spender und Empfänger auch immunologisch übereinstimmen. "Bevorzugung ist in diesem Bereich praktisch nicht möglich", hatte Lippert im Interview betont.

Das weiß auch Christa Göllner. Auch sie hat mehrere Jahre auf eine neue Niere gewartet. Sie war 40, als sie die Schockdiagnose erhielt. Auch sie bekommt nach Jahren des Wartens das Organ eines Unfalltoten. "Ohne meine Freunde, Familie und Kinder hätte ich die schwierige Zeit damals nicht überstanden", sagt die 63-Jährige.

Es ist immer das gleiche Prozedere, bis Spender und Empfänger zusammenpassen. Vor einer Transplantation werden die Organe auf mögliche Erkrankungen und Infektionen untersucht. Die Ergebnisse zu Spender, Blutgruppe und Gewebemerkmalen werden dann an die Organvermittlungsstelle Eurotransplant übermittelt, die mithilfe der Daten der Patienten auf der Warteliste die passenden Empfänger ermittelt und die zuständigen Transplantationszentren informiert. Diese verständigen wiederum den Patienten und klären alle weiteren medizinischen und organisatorischen Fragen. Die Vergabe von Spenderorganen erfolgt nach festgelegten Kriterien wie Dringlichkeit, Gewebeübereinstimmung und Erfolgsaussicht. Die Chancengleichheit in der Organvergabe soll in der bundesweit einheitlichen Warteliste so zum Ausdruck kommen.

"Die zögerliche Aufklärung tut uns sehr weh."

Iris Kolloch

Obwohl sie acht Jahre warten musste, berichtet auch Iris Kolloch von Vorurteilen "Es wird uns sogar unterstellt, unsere Organe selbst auf ungerechtem Weg bekommen zu haben", sagt sie. Auch deshalb arbeitet Kolloch gemeinsam mit Christine Köthe und Christa Göllner im Regionalverband Niere. Sie weiß aber, dass nur durch eine "lückenlose Aufklärung" des Transplantationsskandals das entstandene Misstrauen wieder abgebaut werden kann. "Die sehr zögerliche Aufklärung tut uns weh, aber noch mehr wahrscheinlich den Angehörigen der Organspender", sagt sie.