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2. Street-Art-Festival Einzigartiges Projekt für urbane Kunst

Das ist einmalig - mit dieser Einschätzung charakterisieren
Graffiti-Künstler aus ganz Europa die Aerosol-Arena. Zum Erfolg der
Kreativbranche könnte das Gelände am Klosterkamp als Spielfläche für
Marketingkampagnen dienen.

Von Karolin Aertel 02.06.2014, 03:43

Magdeburg l Graffiti-Künstler aus Sachsen-Anhalt, Hamburg, Berlin, Frankfurt, ja sogar aus Schweden und Italien haben sich am Wochenende an den Wänden der Aerosol-Arena ausgetobt. Auf dem 30.000 Quadratmeter großen Grundstück am Klosterkamp veranstaltete der Verein "Freiluft-Atelier" zum zweiten Mal ein Street-Art-Festival. Mit großem Erfolg. Hunderte Künstler, Breakdancer, DJs, Beatboxer und Besucher füllten die Industriebrache mit Farbe, Leben und Musik.

Aus privatem Spielplatz wird eine Arena für alle

Der gebürtige Dortmunder Jens Märker, selbst Graffiti-Künstler der ersten Stunde Anfang der 80er und Gründer des Vereins, erhielt vor knapp vier Jahren von einem schwäbischen Freund die Nutzungsrechte für das Gelände. "Ursprünglich sollte es ein Spielplatz für mich und meine Kollegen werden", erinnert er sich. "Wir hatten die Idee, ausrangierte Waggons zum Bemalen hinzustellen."

Da die Umsetzung nicht so schnell zu realisieren war, wie die Idee entsprungen ist, habe man begonnen, die Wände der einstigen Brotfabrik zu bemalen. Immer mehr Leute kamen hinzu. Die Nachfrage war groß.

2012 gründete Märker gemeinsam mit seiner Partnerin Daniela Kreissl und einer Handvoll Leuten den Verein "Freiluft Atelier". Künstler sollten so die Gelegenheit bekommen, sich auf 9000 Quadratmetern Fassadenfläche zu verwirklichen.

Damit traf er genau ins Schwarze. Schnell sprach es sich in der Szene herum, dass in Magdeburg legal und großflächig gemalt werden kann. Jetzt kommen sie von überall her. "Das ist einmalig in Deutschland", meinen Ilja van Treeck und John Faltin. Die beiden Leipziger sind seit knapp 15 Jahren im "Geschäft".

Mit Auftragswerken wie einem 350 Quadratmeter großen Graffito an der Sternburg-Brauerei in Leipzig haben sie sich einen Namen gemacht. Zum dritten Mal waren sie nun schon in Magdeburg, hatten 140 Farbdosen für ihr Bild im Gepäck und fanden: "An dem Konzept der Aerosol-Arena sollten sich Kommunen mal ein Beispiel nehmen. Es gibt so viele Abrisshäuser und Industriebrachen, die man auf diese Art und Weise schön machen, und Künstlern somit eine Plattform geben könnte."

Viel zu selten gebe es die Gelegenheit zu malen, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Zeigen, dass Graffiti keine illegalen Schmierereien sein müssen, ist eines der Anliegen des Vereins, so Daniela Kreissl. "In der öffentlichen Wahrnehmung wird Graffiti meist pauschal kriminalisiert. Wir zeigen das Gegegenteil."

Um die größtmögliche Unabhängigkeit zu wahren, verzichtet der Verein gänzlich auf Fördermittel. "Das killt die Kreativität und schafft nur Neider", sagt sie. "Alle versuchen, etwas von den knapper werdenden Töpfen wegzubeißen, anstatt zusammenzuarbeiten. Darauf verzichten wir lieber. Wir schaffen das schon irgendwie allein."

Eine Idee sei es beispielsweise, Flächen für Agenturen besprühen zu lassen und gegebenenfalls auch gleich die Graffiti-Künstler dazu zu vermitteln. Ein paar Mal hat das bereits geklappt. Zunächst sind sie jedoch glücklich, dass sie im zweiten Jahr schon deutschlandweit so großen Zuspruch bekommen.

Anders als in Magdeburg. Da fehle das öffentliche Interesse. "Urbane Kunst findet hier wenig Beachtung", sagt sie. Und das, obwohl Magdeburg Kulturhauptstadt werden möchte. Die Initiatoren halten Museen, Theater und Kunstgeschichte für Kultur. Dabei ist Kultur so vieles mehr - eben auch Farbe an der Wand.

Lokalität am Rande der Stadt bietet Freiraum

Neben Graffiti-Künstlern bietet die Aerosol-Arena auch Breakdancern, Musikern und Beatboxern eine Lokalität. "Das Schöne ist, dass wir hier draußen keinen stören, daher auch mal richtig laut sein können", weiß Daniela Kreissl zu schätzen. Dabei bewegen sich mitnichten nur Jugendliche in diesen Kreisen. Studenten, Angestellte, ja sogar Doktoren und Firmenbosse gehören ebenso der Szene an und tummelten sich auch am Wochenende in der Arena. "Das sind zum Teil noch Leute der erste Hip-Hop-Generation", weiß sie. Mittlerweile seien diese um die 40, haben Job und Familie - ihre Leidenschaft zu malen jedoch nie verloren.