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Rechtsstreit Losglück bringt Pech fürs "Hegel"

Das Hegelgymnasium muss das Verfahren für die Platzvergabe an der Schule ändern. Ein nicht berücksichtigter Schüler hatte sich erfolgreich gegen die jahrelange Praxis gewehrt, Bewerbern für die Chorklasse ein Vorrecht einzuräumen.

Von Rainer Schweingel 19.02.2015, 07:47

Magdeburg l Das Hegelgymnasium in Magdeburg gehört zu den beliebtesten Gymnasien in der Stadt. Seit der Gründung vor 23 Jahren gab es alljährlich mehr Bewerber als Plätze. Das Los entscheidet deshalb, wer nach der vierten Klasse auf das "Hegel" wechseln darf. Dieses Glücksspiel sieht naturgemäß auch Pechvögel. Sie werden dann an ein anderes Gymnasium verwiesen. Schüler haben ein Anrecht auf einen Platz in einem kommunalen Gymnasium, aber nicht auf eine bestimmte Schule.
Chor sang sogar beim Bundespräsidenten
Ein Bewerber, dem das Glück nicht hold war, prüfte daraufhin das Vergabeverfahren und sah sein Recht auf freie Ausbildungsplatzwahl im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Konkret geht es um die Reservierung von freien Schulplätzen für die sogenannte Chor-Klasse. Sie wird jedes Jahr aus musisch besonders begabten Jungen und Mädchen zusammengestellt, die aus ihren Reihen den Chor des Gymnasiums bilden. Der Chor ist dabei weit mehr als ein herkömmlicher Schulchor. 1955 gegründet und seit 1993 am "Hegel" beheimatet, fungiert er als offizieller Kinder- und Jugendchor der Stadt Magdeburg mit internationalen Referenzen. Sogar beim Bundespräsidenten inklusive TV-Übertragung zu Weihnachten wurde schon gesungen.
Wer in diese Chorklasse will, muss sich nicht auf das Losglück verlassen. Stattdessen absolvieren diese Kinder schon in der vierten Klasse der Grundschule am Chor im "Hegel" eine Art Probezeit. Sie wird mit einer Prüfung abgeschlossen. Wer sie besteht, hat am Los vorbei ab der fünften Klasse einen Platz im "Hegel" sicher.
Diese Praxis hat das Oberverwaltungsgericht gekippt. Sprecherin Claudia Blaurock: "Auf Antrag eines Schülers, der über das Losverfahren nicht zum Zuge kam, hat das Gericht das Verfahren der Platzreservierung für Kinder der Chorklasse für unzulässig erklärt und eine Chancengleichheit für alle Bewerber gefordert." Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass das Gymnasium anders als beispielsweise Musik- oder Sportgymnasien nicht über ein offiziell vom Kultusministerium bestätigtes Profil verfüge. Dies sei aber Voraussetzung, Sonderregelungen für die Aufnahme von Schülern zu erlassen. Die Folge: Der Sonderweg muss geschlossen werden. Im konkreten Fall waren von 112 freien Plätzen an der Schule nur noch 34 über das Losverfahren vergeben worden. 28 Plätze gingen über die Chorklasse "weg". Der Rest über die Härtefallkommission, die unter anderem über medizinische Gründe oder Geschwisterregelungen für Bewerber zu entscheiden hat.
Verwaltung verliert in zweiter Instanz
Die Stadtverwaltung hatte sich zunächst gegen das Urteil gewehrt, allerdings in zweiter Instanz verloren. Trotzdem wurde bis zuletzt darauf gehofft, dass es eine schnelle, rechtssichere und praktikable Lösung gemeinsam mit dem Kultusministerium gibt, die gleiches Recht gewährleistet und den Chor sichert. Dazu ist es bis jetzt aber nicht gekommen.
Jens Krüger vom Schulamt der Stadt erklärt: "Im November haben wir der Schule mitgeteilt, dass das Verfahren für die Bildung der Chorklasse beanstandet wird."
In der Schule habe man ebenfalls gehofft, dass noch schnelle Lösungen gefunden werden, sagte Schulleiter Konrad Woitag. Fakt ist: Erst gestern Abend wurden die betroffenen Eltern der rund 30 Kinder über den neuen Sachstand informiert. Die Kinder hatten sich nach bestandener musikalischer Prüfung bisher sicher ab September im Hegelgymnasium gewähnt. Was aus ihnen wird, ist derzeit noch unklar.
Verschiedene Lösungsansätze schwirren derzeit durch die Verwaltung. Eine könnte ein Zugang in die Chorklasse über die Härtefallkommission sein. Dafür müsste aber die besondere musikalische Begabung eines Kindes als (Härtefall) Argument für die Vergabe eines Schulplatzes angeführt werden.
Ministerium gibt optimistische Zeichen
Viel lieber ist allen Beteiligten eine sichere rechtliche Grundlage. Die aber kann nur das Kultusministerium schaffen. Dazu müsste es die Stadt als Schul-träger ermächtigen, selbst eine Regelung für die Vergabe von Plätzen am Gymnasium zu erlassen. Ministeriumssprecher Martin Hanusch versprühte gestern aber vorsichtigen Optimismus: "Wir haben das Problem erkannt und suchen nach einer Lösung, möglichst noch für das neue Schuljahr."
Der klagende Bewerber besucht inzwischen das Hegelgymansium.