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Deutscher Wetterdienst baut bundesweit ab / Zentrale: Magdeburg "in nächsten Jahren betroffen" Aßmannstraße: Mitarbeiter müssen gehen, Automaten übernehmen die Wetterwarte

Von Karl-Heinz Kaiser 22.02.2012, 04:28

Wetterbeobachtung wie sie Aßmann 1880 in Magdeburg begründet hatte, wird es in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr geben. Der Deutsche Wetterdienst mit Hauptsitz Offenbach plant, die Stationen ausschließlich automatisch zu betreiben.

Sudenburg l Noch im November vorigen Jahres hatte ein Potsdamer Entscheidungsträger die Gerüchte um eine Schließung dementiert. Doch schon wenige Wochen später, im Dezember, soll der Präsident des Deutschen Wetterdienstes auf einer Mitarbeiterversammlung auch zu Magdeburg reinen Wein eingeschenkt haben: Schließung - nein, das wird es nicht geben. Dafür aber die Vollautomatisierung. Für die derzeit 6 Mitarbeiter der traditionellen Station in der hiesigen Aßmannstraße kommt beides auf eins heraus: Wenn die Automaten übernehmen, wird kein Einziger mehr von ihnen bleiben.

Bislang ging Kelch wegen Radioaktivitätsmessung vorbei

Gerhard Lux von der Pressestelle des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach bestätigte gestern auf Volksstimme-Nachfrage: "Es ist so." Die Messnetzstrategie des dem Bundesverkehrsministerium angegliederten öffentlichen Unternehmens sehe generell die Ausdünnung der Wetterbeobachtungsstationen vor. 40 Mitarbeiter werden jährlich abgebaut. Grund seien die geforderten finanziellen Einsparungen, wobei die Personalkosten der größte Faktor seien.

Bisher war der Kelch an der traditionsreichen Station in der Aßmannstraße vor allem deshalb vorübergegangen, weil diese Aufgaben für die im Bundesmaßstab relevanten Radioaktivitätsmessungen erledigt. Das soll nunmehr ausgelagert werden.

Eine Wiege der Wetterbeobachtung betroffen

Die Stadt Magdeburg als eine Wiege der wissenschaftlichen Wetterbeobachtungen in Deutschland überhaupt wird damit zumindest teilweise einer traditionsreichen Einrichtung beraubt. 1880 hatte Aßmann die Wetterstation in Betrieb genommen, und Jahre später wurde in der Bahnhofstraße die erste Zeitungswetterwarte in Deutschland gegründet. Historiker sprechen von der zweitältesten hauptamtlichen Wetterwarte weltweit.

Der geplante Absturz dieses Identifikationsmerkmals hat nunmehr erneut die Alarmglocken im Stadtrat ausgelöst. CDU-Fraktionschef und Mitglied des Landtages Wigbert Schwenke hat in einer Anfrage den Oberbürgermeister für das Thema sensibilisiert. Er fordert, Möglichkeiten zur Fortführung der Betreibung in heutiger Form aufzuzeigen, also mit Personal.

Linken-Stadtrat Hugo Boeck fordert, dass die Stadt sich öffentlich für den Erhalt einsetze, es ginge möglicherweise auch um zu schützendes Kulturgut.

Gleichfalls stellt sich für ihn die Frage, ob auch nach der Übernahme durch die Automaten alle Informationen u. a. für Hubschrauberstaffel, Rettungsdienst, Wirtschaft, Tourismus, Flugplatz sichergestellt werden können.

Ungewisse Perspektive für die sechs Mitarbeiter

Pressesprecher Gerhard Lux beantwortete gestern alle diese Fragen mit Ja. Das sei über das digitale Messnetz und die ausgefeilte Sensorik in der Tat möglich.

Sogenannte Augenbeobachtung werde es weiter, jedoch nur in Ausnahmefällen geben. Der Deutsche Wetterdienst konzentriere sich dabei u. a. auf die großen Flughäfen. Ansonsten werden bzw. wurden in Sachsen-Anhalt auch in Seehausen und Gardelegen die Stationen geschlossen, lediglich auf dem Brocken bleibe die "bemannte Wetterstation".

Für die sechs Mitarbeiter wird mit dem ins Haus stehenden Aus der Wetterwarte in der bisherigen Form eine herbe persönliche Zäsur verbunden sein. Sie sind teils seit über einem Jahrzehnt mit Magdeburg und der Wetterwarte verwurzelt.

Ihre Perspektive ist nebulös. Sie hoffen weiter auf eine Umkehr, unterbreiten Vorschläge, kämpfen. "Wir sind alle zwischen 40 und 50 Jahre, fachlich ausgebildet und hätten also durchaus das Zeug, noch mindestens für zehn Jahre hier qualitativ ordentliche Arbeit zu leisten", bedauert Stephan Wilke, einer der Mitarbeiter. Entlassen werden soll ja keiner, sagt er. Aber was tun? In Sachsen-Anhalt gebe es keine Möglichkeiten, vielleicht eingeschränkt in Braunschweig, in Potsdam, in Leipzig. Ob alle unterkommen, sei ungewiss, sagte auch seine Kollegin Sabine Kaunert.

Zentrale: Vielleicht wird es noch bis ins Jahr 2016 dauern

Pressesprecher Gerhard Lux: "Wir bemühen uns intensiv um soziale Abfederung." Der Schließungsfall werde nicht sofort, sondern in den nächsten zwei bis drei Jahren eintreten, vielleicht auch erst 2016.

Einen genauen Termin könne er nicht nennen, sagte er.

Aus der Stadtverwaltung war gestern auf eine Volksstimme-Anfrage noch keine Stellungnahme zu erhalten. Lux indes ließ gestern Abend noch wissen, dass vorhandene historische Technik im Haus bei Interesse durchaus Museen zur Verfügung gestellt werden würde. Immerhin - aber doch nur ein schwacher Trost.