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Besonderes Klagerecht ermöglicht Naturschutzverein massive Einflussnahme auf Bauvorhaben BUND: Kleiner Landesverband mit großer Macht

28.03.2013, 01:13

Magdeburg/Stendal. In der Altmark hat der BUND mit seinen Protesten einen Investor vertrieben. Mit seinen Klagen gegen die A14 lähmt der Umweltverband den Ausbau der Autobahn. Trotzdem fördert ihn das Land. Politiker hinterfragen die Strategien des BUND.

Klaus-Dieter Weber kann es immer noch nicht fassen. Einen Monat ist es inzwischen her, dass Bürgerproteste in der Altmark einen Investor vertrieben haben. Aber auf welche Art und Weise, findet Weber schockierend. "Dass ein Geschäftsmann Sachsen-Anhalt verlassen muss, weil er bedroht wird, ist unglaublich", sagt der Mann, der der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung in Sachsen-Anhalt vorsteht. "Das geht zu weit und kann einfach nicht sein."

So hat es Weber auch schon vor einem Monat gesehen - und öffentlich gesagt. Seine Pressemitteilung hatte Anfang März für Wirbel gesorgt: Weber hatte zu einer Überprüfung des BUND aufgerufen. Denn der hatte die Proteste in Neuekrug, die den Investor vertrieben haben, organisiert. Der Umweltbund würde mit "Einschüchterungen und gezielten Falschinformationen" arbeiten. Unter der Überschrift "Kein Steuergeld für Krawallaktivisten" hatte der Landesvorsitzende gefordert, dass die finanziellen Zuweisungen an den BUND unter die Lupe genommen werden müssten.

Der BUND Sachsen-Anhalt ist über die "ehrverletzende" Darstellung verärgert. Er fordert eine Unterlassungserklärung von Weber. Doch die Fragen bleiben. Wie finanziert sich die Naturschutzorganisation? Und wie ist es möglich, dass der BUND gegen Verkehrsprojekte in Sachsen-Anhalt eine Klage nach der anderen einreicht? Stellt sich das Land mit seiner Förderung nicht selbst ein Bein?

Um Informationen über den BUND in Sachsen-Anhalt zu erhalten, bedarf es mehrerer Anläufe. "Ich könnte Ihnen das sagen, aber warum sollte ich?", antwortet Landesgeschäftsführer Oliver Wendenkampf.

Landesvorsitzende Undine Kurth, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, übernimmt schließlich die Kommunikation. Ihren Geschäftsführer Wendenkampf versucht sie zu schützen. Den Ausdruck, der Bürgermeister Diesdorfs würde sich im Zuge der Mastanlage zum "Büttel des Kapitals" machen, "nimmt dieser (Oliver Wendenkampf, Anm. d. Red.) mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück".

Undine Kurth berichtet gern von der Erfolgsgeschichte des BUND in Sachsen-Anhalt. Seit 1990 sei der Landesverband stetig gewachsen. Ein Blick auf den Bundesverband zeigt jedoch: Bei mehr als 460 000 Mitgliedern und Förderern ist der BUND in Sachsen-Anhalt mit 1100 Mitgliedern winzig klein. Trotzdem beschäftigt er in der Geschäftsstelle zwei fest angestellte Geschäftsführer: Oliver Wendenkampf und dessen Ex-Frau Julia Wendenkampf als Stellvertreterin.

Das Geld dafür kommt zu einem großen Teil vom Land. Das Umweltministerium fördert den BUND 2013 mit einer Pauschale von 69000 Euro, vom Landesverwaltungsamt wird zudem eine Personalstelle für die Jugendumweltbildung finanziert (42000 Euro).

Interessant ist jedoch vor allem ein anderer Finanzposten: Denn auch über weitere Fördermittel für Projekte entscheidet indirekt das Land. Stellt der BUND zum Beispiel Förderanträge an Lotto Sachsen-Anhalt, erfolgt die fachliche Bewertung durch das Umweltministerium. Das bedeutet: Das Land sitzt bei vielen Einnahmen des BUND am Schalthebel. Im vergangenen Jahr entsprach dieser Teil etwa einem Viertel der Einnahmen, 2011 sogar der Hälfte.

"Die Tätigkeit des BUND im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes ist im Interesse des Landes und der Gesellschaft", erklärt eine Sprecherin des Umweltministeriums. Erfolgreiche Projekte wie beispielsweise die Alleen-Schutzkampagne, die Renaturierung des Bromer Buschs oder des Cheiner Torfmoors belegen das. Doch das ist nur die halbe Wahrheit - sagen die Kritiker des BUND.

Denn die eigentliche Macht des in Sachsen-Anhalt recht kleinen Verbandes liegt in seinem Klagerecht. Das Bundesnaturschutzgesetz ermöglicht es Umweltverbänden, grundsätzlich gegen Planfeststellungsbeschlüsse klagen zu dürfen - unabhängig von den Erfolgsaussichten. Der BUND hat damit nicht nur Mittel, die Fertigstellung von Bauvorhaben zu verzögern. Weil Material- und Lohnkosten stetig steigen, können so auch die Gesamtkosten in die Höhe getrieben werden.

In Einzelfällen kann diese Macht sogar Einnahmen generieren. So geschehen im Sommer 2012 in Niedersachsen. Dort hatte der BUND nach einem Bericht der "Nordwest-Zeitung" Klage gegen einen geplanten Windpark vor der Insel Wangerooge eingereicht. Als der Investor dem Naturschutzverband 800000 Euro für eine von BUND-Leuten geführte Umweltstiftung anbot, zog dieser die Klage zurück.

Nicht von ungefähr sitzen die größten Kritiker des BUND in Sachsen-Anhalt im Verkehrsministerium. Streitobjekt ist die A14. Deren Ausbau wurde im Juli 2004 im Bundestag beschlossen - von einer rot-grünen Mehrheit. Mit dabei: BUND-Landesvorsitzende Undine Kurth, die heute gegen die A14 vorgeht. Verkehrsminister Thomas Webel (CDU): "Der BUND klagt gegen das Gesetz, das die eigene Vorsitzende mit beschlossen hat."

Dagegen wehrt sich Undine Kurth. "Ich habe nicht für den Ausbau der A14 gestimmt, sondern für einen Bundesverkehrswegeplan, der ökologische Kriterien erstmals ins Zentrum rückte", sagt sie. Die Große Koalition habe diese später mit dem Gesetz zur Beschleunigung von Infrastrukturplanungen abgebaut. Für Thomas Webel wird die A14 trotzdem die "grünste Autobahn Deutschlands". Etwa ein Viertel der Gesamtkosten entfielen auf Naturschutzmaßnahmen: Wildbrücken, Querungen für Fledermäuse gehören zum Standard. Er kritisiert: "Die Frage ist, ob man gegen das Wie oder das Ob klagt." Würde der BUND wegen unzureichender Grünbaumaßnahmen klagen, ginge es um die Umsetzung, nicht um den Bau an sich. "Die bisherige Praxis, prinzipiell gegen jeden Abschnitt der A14 zu klagen, spricht aber eine eindeutige Sprache", sagt Webel und fordert mehr Akzeptanz der politischen Entscheidungen.

Tatsächlich lehnt der BUND den beschlossenen A14-Ausbau weiter ab. Der Verband fordert den Ausbau der Bundesstraße 189 samt Ortsumgehungen. Damit wendet er sich nicht nur gegen die demokratisch legitimierten Entscheidungen. Sondern auch gegen die Mehrheit der Bevölkerung in der Altmark. Eine repräsentative Umfrage hat ergeben, dass mehr als 90 Prozent für den A14-Ausbau sind. Macht der BUND also mehr Politik als Naturschutz?

"Der BUND macht weder ¿Politik\' noch ¿Stimmung\', sondern fungiert als Anwalt der Natur", stellt Undine Kurth klar. Dass dies von breiten Bevölkerungsschichten auch so gesehen werde, belege die Tatsache, dass die juristischen Auseinandersetzungen ausschließlich von Privatspenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert würden. "Und auch zukünftig werden", kündigt sie an.

Doch nicht nur das Verkehrsministerium sieht das Engagement des BUND kritisch. In Magdeburg ist Oberbürgermeister Lutz Trümper verärgert. Dort klagt der Verband gegen den Innenstadt-Tunnel. "Das ist in keiner Weise nachvollziehbar, weil an dieser Stelle keine naturschutzrechtlichen Belange berührt werden", kritisiert er. Im Vorfeld der Klage habe es nicht mal ein Gesprächsangebot des BUND gegeben. "Stattdessen hat Landesgeschäftsführer Oliver Wendenkampf schon vor Abschluss des Planfeststellungsverfahrens angekündigt, dass der BUND sowieso Klage einreichen werde." Für den Oberbürgermeister beweist das: "Der BUND hat an einer vernünftigen und zielführenden Kommunikation kein Interesse."

Über die Funkstille zu den Behörden ist auch der BUND nicht glücklich. Undine Kurth: "Zu unserem großen Bedauern ist die Zusammenarbeit mit dem Verkehrsministerium nicht sehr ausgeprägt." Gesprächsanfragen seien bisher ausschließlich vom BUND ausgegangen. "Wir nutzen alle Kommunikationswege, um ein positives Verhältnis aufzubauen", sagt sie.

Im Verkehrsministerium zweifelt man daran. "Gespräche und Kompromisse gibt es nicht", sagt ein Mitarbeiter aus dem Ministerium der Volksstimme. "Das macht der BUND aus Prinzip nicht. Denn dann würde seine politische Mission wegfallen. So heißt es: Wir klagen."