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Bruder Antonius lebt seit zehn Jahren auf der Huysburg / Bei Touristen wird Urlaub im Kloster immer beliebter Kloster: Ein Leben ohne Auto, Geld und Sex

Von Kristin Schulze 30.03.2013, 01:16

Halberstadt. Kloster statt Karibik? Im Urlaub auf der Huysburg können Touristen das Leben der Mönche hautnah miterleben. Bruder Antonius ist dort seit zehn Jahren zu Hause.

Dong, dong... Die Kirchturmuhr in Halberstadt schlägt zwölf. Mittagspause für die meisten. Ein schneller Snack in Büro oder Kantine, vielleicht auch nur ein mitgebrachtes Brot. Zehn Kilometer entfernt in der Kirche des Klosters Huysburg erlebt man eine ganz andere Mittagspause. 12.15 Uhr ist hier Zeit für das Mittagsgebet.

Die Mönche sitzen auf den Bänken, kommt jemand dazu, verbeugt er sich vor dem Altar, bevor er Platz nimmt. "O Gott, komm mir zu Hilfe", wird gesungen, dann sind von Mönchen vorgetragene Psalme zu hören. Wenn etwas Neues beginnt, wird dies durch ein Klopfzeichen angekündigt.

"Herr der Klopfzeichen" ist Bruder Antonius. "Sie zeigen an, wer wann womit dran ist", erklärt der Mönch. Die Gebete folgen einer streng geregelten Abfolge.

Bruder Antonius heißt eigentlich Antonius Pfeil, ist 61 Jahre alt und von Beruf Priester. Er ist einer von zehn Benediktiner-Mönchen, die im Kloster Huysburg leben und arbeiten. Sie sind zwischen 30 und 80 Jahre alt.

"Ich genieße die Ruhe und helfe, wo ich kann."
Franz Steimer, Gast im Kloster

Weil auch Mönche essen müssen, folgt auf das Mittagsgebet das Mittagbrot. Auch dafür gibt es Regeln. Die wichtigste: Beim Essen wird nicht gesprochen, dafür aber etwas vorgelesen. Ein Mönch übernimmt den Tisch-, ein anderer den Lesedienst. Bruder Petrus ist heute für das leibliche Wohl der Männer zuständig.

Er serviert Salat, Fisch, Reis, dazu eine Petersiliensauce. Während die anderen essen, liest Bruder Antonius aus einer Biografie von Papst Paul VI. Antonius und Petrus essen erst, wenn alle anderen fertig sind.

Franz Steimer aus Schwerin fällt unter den Mönchen auf, weil er als einziger keinen Habit trägt, wie die Ordenstracht der Mönche genannt wird. Er ist zu Gast im Kloster. "Ich kann mich hier zurückziehen, genieße die Ruhe und helfe, wo ich kann."

Prächtige Türme, ein weiträumiger Hof, gepflegte Grünflächen... Das Klostergelände beeindruckt nicht nur Steimer. Kommerz dagegen im Klosterladen: Hier gibt es Bücher, Karten und andere Souvenirs. Dazu eine sehr freundliche Frau, die Kaffee serviert. Der kommt aus einer hochmodernen Maschine und kostet 1,80 Euro. Willkommen im 21. Jahrhundert. Auch Handys gibt es hier, doch auf dem Huy versagt das Netz.

Das Kloster steht Besuchern offen, sie können wie Franz Steimer mit den Mönchen beten und essen. Sie können aber auch die Luxusvariante im Gästehaus buchen.

Als die Kirchturmuhr zwei schlägt, macht sich Bruder Antonius wieder an die Arbeit, eine Führung durch das Kloster steht an. Etwa zehn Besucher haben sich in der Kapelle eingefunden und hören ihm zu: "1080 wurde das Kloster gegründet, die heutige Kirche 1121 eingeweiht."

Bruder Antonius spricht ruhig und ohne zu stocken. Er kennt sich aus, immerhin lebt er schon zehn Jahre auf der Huysburg.

Mönch ist er seit seinem 23. Lebensjahr. Jetzt führt er die Besucher an den Gräbern bestatteter Äbte vorbei in die Marienkapelle. Sie ist kleiner und wärmer als die große Kirche. "Seit 1972 leben wieder Mönche im Benedektinerkloster", erklärt er. Und beantwortet die oft gestellte Frage, wie er ins Kloster kam.

"Ein Mönch muss nach Gott suchen und bereit sein, sich unterzuordnen." Besonders wichtig sind drei Grundsätze: An erster Stelle die sexuelle Enthaltsamkeit. "Vor meiner Zeit im Kloster hatte ich auch Freundinnen. Ich habe mich aber bewusst für das Kloster und die Enthaltsamkeit entschieden."

Ein zweiter Grundsatz ist die Gütergemeinschaft. Das heißt, kein Mönch hat ein eigenes Konto oder Bargeld. Die Gehälter der Männer für ihre Arbeit im Gästehaus, als "Reiseführer" im Kloster und als Priester in der Kirchengemeinde fließen auf ein Gemeinschaftskonto. Alle Ausgaben werden abgesprochen.

Der dritte Grundsatz ist die Einordung in die Gemeinschaft. "Was man vorher gemacht hat, ist eigentlich egal. Jeder, der nach diesen Prinzipien leben möchte, kann Mönch werden", sagt Bruder Antonius.

"Gott lehnt Alkohol und Zigaretten nicht völlig ab."
Bruder Antonius

"Chef" der Mönche ist in jedem Kloster der Abt. Auf der Huysburg gibt es allerdings keinen, denn das Kloster ist mit der Abtei St. Matthias in Trier verbunden. Neben 17 Mönchen lebt dort auch der Abt, der die Huysburg aber regelmäßig besucht. Vertreten wird das Klosteroberhaupt durch den Prior. Auf der Huysburg hat Bruder Antonius seit sieben Jahren diese Stelle inne. Und übernimmt stellvertretend die Aufgaben des Abts.

Schon als Schüler war Antonius kirchlich interessiert und gab als Berufswunsch Priester an. Nach dem Abitur kamen der Wehrdienst und der Wunsch, Übersetzer zu werden. Besuche in der Trierer Abtei haben Pfeil dann von einem Leben als Mönch überzeugt. Aus Antonius Pfeil wurde Bruder Antonius. Sein in Bonn begonnenes Theologiestudium beendete er in Trier.

Während er der Besuchergruppe das Erdgeschoss zeigt, in dem sich die Gemeinschaftsräume der Mönche befinden, erzählt er vom Alltag im Kloster. Im Mittelpunkt jeden Tages stehen das Beten, das Arbeiten und die Gemeinschaft. Dreimal in der Woche finden Gesprächskreise statt. Sonntags auch mal ein lockeres Beisammensein bei einem Glas Wein oder Bier. "Gott lehnt Alkohol oder Zigaretten nicht völlig ab", sagt Bruder Antonius. Wichtig sei nur, dass man Maß hält.

Diese Bescheidenheit zeigt sich auch in den Zimmern der Mönche, die Bruder Antonius den Besuchern nun beschreibt. Es gibt Bett, Schrank und Tisch. Außerdem hat jeder ein eigenes kleines Bad mit Dusche, Toilette und Waschbecken. Was in einer Mietwohnung spärlich anmuten würde, ist im Kloster Luxus. Bruder Antonius erzählt den Besuchern, dass in den meisten Klöstern in Gemeinschaftsbädern geduscht wird.

"Die Huysburg verfügt über 15 Zimmer und 10 Mönche leben hier. Wir haben also noch Platz." Die Besucher lachen, damit beendet Bruder Antonius die Führung.

Als die Kirchturmuhr vier schlägt, zieht es die Gäste zur Kaffeepause. Auch Bruder Antonius gönnt sich einen Kaffee, trinkt ihn aber auf dem Weg in sein Büro. Eine Pause gibt es für ihn nicht und das, obwohl sein Tag deutlich vor dem der Besucher begonnen hat. Er war mit der Vorbereitung des Frühstücks an der Reihe, sein Wecker klingelte um fünf Uhr.

Punkt sechs treffen sich die Mönche zum ersten von fünf Gebeten am Tag. Am Vormittag folgen Gesprächszeiten und Arbeit am Schreibtisch.

Oft ist Bruder Antonius auch in der Kirchengemeinde unterwegs. Er fährt dann mit dem Auto und nimmt sein Handy mit. "Wir wollen uns hier nicht vor dem Fortschritt verschließen." Sein eigenes Auto ist es allerdings nicht, dies stünde im Gegensatz zur Gütergemeinschaft.

"Ich glaube an ein Leben über den Tod hinaus."
Bruder Antonius

Dass die Mönche keinen eigenen Besitz haben, macht den Austritt aus dem Kloster schwer. "Die Entscheidung fürs Kloster trifft man für ein ganzes Leben", sagt Antonius. Wer das Kloster verlassen will, werde auch nicht alleingelassen. "Aber man muss sich dann schon wirtschaftlich strecken."

Antonius habe seine Entscheidung fürs Kloster noch nie bereut, sagt er. Seine drei Geschwister haben Familien und "normale" Berufe. Der Bruder von Antonius lebt in Baden und arbeitet als Lebensmitteltechnologe. "Klar überlegt man, wie es mit eigener Familie gewesen wäre. Aber ich bin mit meinem Leben in Frieden."

Vor allem wegen seines Glaubens: "Ich bin überzeugt, dass die Welt nicht aus Zufall entstanden ist, sondern, dass Gott sie gewollt hat. Genauso hat er auch mich gewollt", erklärt Antonius, der auch an ein Leben über den Tod hinaus glaubt. "Ich habe keine konkrete Vorstellung davon, denke aber an Fülle, Freude und unvorstellbare Lebendigkeit."

Als die Kirchturmuhr acht Uhr schlägt, beenden die Mönche ihr letztes Gebet für diesen Tag. Im nahegelegenen Halberstadt verbringen die Menschen Zeit mit ihren Familien, treffen sich vielleicht auf ein Feierabendbier. Einige sind im Schwimmbad, andere im Kino. Theoretisch auch Optionen für Bruder Antonius. "Unternehmungen und Kontakt nach außen stehen nicht im Widerspruch zu unseren Regeln."

Er geht trotzdem lieber auf sein Zimmer. Das Leben hier hat Priorität. Die Anwesenheit im Kloster ist die Regel, Besuche bei Freunden, Konzert- oder Kinoabende bleiben die Ausnahme.